Gary Steiner: Anthropocentrism and Its Discontents. Animals and their Moral Status in the History of Western Philosophy, University of Pittsburgh Press, Pittsburgh 2005
Gary Steiner ist Professor fĂŒr Philosophie an der Bucknell UniversitĂ€t und veröffentlichte bereits einiges ĂŒber Ethik-Theorie, zuletzt wieder auch mit Tierrechtsbezug ("The Moral Status of Animals"). Letztes Jahr ist er durch seinen proveganen Artikel
"Animal, Vegetable, Miserable" in der New York Times aufgefallen (er selbst ist auch Veganer).
Anthropozentrismus, schreibt Steiner in der Einleitung, ist die Haltung, die grundlegend beinhaltet, menschliche Existenz als höherwertiger denn nichtmenschliche Existenz zu betrachten. Ein Hauptargument von den Stoikern bis Kant war: "that all and only human beings are worthy of moral consideration, because only human beings are rational and endowed with language", nur Menschen seien zu Selbstbestimmung und moralischer Verantwortung fÀhig.
Bevor er geschichtlich einsteigt, wirft er im ersten Kapitel einen Blick auf die zeitgenössischen Debatten ĂŒber den Status nichtmenschlicher Tiere. Meistens wird der Status nichtmenschlicher Tiere anhand ihrer FĂ€higkeiten (Selbsterkenntnis, ZukunftsbewuĂtsein usw.) gemessen, wohingegen er selbst Kognition und EmpfindungsfĂ€higkeit zugrunde legen wĂŒrde.
Die gegenwĂ€rtig bekanntesten Theorien, die nichtmenschliche Tiere ausdrĂŒcklich betreffen, sind Singers Utilitarismus und Regans deontologischer Ansatz.
Singer macht die EmpfindungsfĂ€higkeit zum Hauptmerkmal ethischer BerĂŒcksichtigung ĂŒberhaupt und schlieĂt nichtmenschliche Tiere ein;
Regan fokussiert auf FĂ€higkeiten wie Erinnerung, Selbsterkenntnis und ZukunftsbewuĂtsein, wobei dies jedem Lebewesen, das dies aufweist, einen inhĂ€renten Wert verleiht. Diese Position selbst beinhaltet jedoch Anthropozentrismus, der sich in Regans "lifeboat"-Szenario eröffnet (wonach in bestimmten Situationen nichtmenschliche Tiere grundsĂ€tzlich weniger Wert haben als Menschen, vgl.
hier).
Er zitiert auch Rosalind
Hursthouse, die sich fĂŒr Vegetarismus aus Tugendhaftigkeit ausspricht, da "Fleischessen" eine MaĂlosigkeit sei. Es sei jedoch nicht per se ethisch falsch und der anthropozentrische Charakter, der solcher Tugendethik zugrunde liegt, dĂŒrfte offensichtlich sein. Sie könnte jedoch erweitert werden, wie AnsĂ€tze Martha Nussbaums und Sapontzis nahelegen, um damit doch auf nichtmenschliche Tiere selbst Bezug nehmen zu können. Auch den Ansatz, die (physischen und psychischen) FĂ€higkeiten zu berĂŒcksichtigen, scheitert, da dies nur auf höher entwickelte Tiere zutrĂ€fe.
Im Weiteren gibt er einen Ăberblick ĂŒber die derzeitige Verhaltensforschung und der Frage nach den kognitiven FĂ€higkeiten von nichtmenschlichen Tieren, da diese teilweise als ethisch relevantes Kriterium angesehen werden und seit den Stoiker behauptet wird, nur Menschen hĂ€tten Sprache und Vernunft. Zwar ist durch diese Forschung von der Einzigartigkeit des Menschen nicht viel ĂŒbrig geblieben, jedoch zeigen die Experimente auch Probleme wie Anthropomorphisierung und viele Interpretationsschwierigkeiten (z.B. daĂ die Identifizierung von Objekten nicht aussagt, ob das Tier damit auch eine Vorstellung davon hat, was ein Objekt ist) und letztlich ist das BewuĂtsein der meisten Tiere auch eher auf die Gegenwart beschrĂ€nkt. Die klassischen Vorstellungen von der totalen Vernunftlosigkeit von nichtmenschlichen Tieren sind jedoch hinfĂ€llig.
Der Linguist
Vygotsky, der die Unterschiede bei der Kommunikation zwischen Kindern und Erwachsenen, die verschiedene Konzepte von Sprache haben, beschrieb, eröffnet damit ein besseres VerstĂ€ndnis fĂŒr das Geistesleben von nichtmenschlichen Tieren. So z.B., daĂ der Intellekt der Tiere auch unabhĂ€ngig von Sprache funktioniert und daher sie nicht weniger intelligent sind, nur weil sie keine komplexe Sprache besitzen.
Die Kapitel zwei bis vier behandeln die antiken Theorien von den Vorsokratikern ĂŒber Aristoteles und den Stoikern bis Plutarch und Porphyrios.
Was einige ĂŒberraschen dĂŒrfte ist, daĂ vor den bekannten, tief-speziesistischen Positionen Aristoteles, die das Vorbild fĂŒr spĂ€tere Philosophen wurden, es Meinungen gegeben hat, die zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren eher eine KontinuitĂ€t als eine Trennung sahen. Dazu gehören Homer, Hesiod, Pythagoras und Empedokles.
Homer benutzte Tier-Metaphern oftmals in einer Hinsicht, die besagt, daà im "Töten und Getötetwerden" menschliche und nichtmenschliche Tieren sich gleichen. Menschen sind bei ihm nicht grundsÀtzlich höhergestellt und in der Argus-Szene der Odyssee werden dem Hund Emotionen zugesprochen.
Hesiod warnt in seiner Prometheus-Geschichte davor, daĂ die Anwendung von Gewalt (gegen Menschen und nichtmenschliche Tiere) negative Folgen nach sich zieht.
Pythagroas, das relativ bekannt, hat Tiere als Nahrungsmittel abgelehnt, es ist aber unklar, ob das aus rein ethischen GrĂŒnden erfolgte. Seine BeweggrĂŒnde könnten anthropozentrischer Natur sein, wenn es â gemÀà seiner "Seelen-Lehre" â nur das Ziel war, die "Seele" möglichst rein zu halten. GestĂŒtzt wird es dadurch, daĂ er bestimmte Tierarten als Opfertiere gutgehieĂen hat, und umgekehrt, daĂ er manchen Pflanzen "Seelen" zugesprochen hat.
Empedokles war eindeutiger mit seinen Aussagen und lehnte das Essen oder Opfern von Leichenteilen eindeutig ab, jedoch auch einer "Seelen-Reinkarnations-Theorie" wegen. Dennoch hÀlt Steiner fest, daà es hier noch keine metaphysische Trennung zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren gab sowie bereits Positionen, die spÀtere Kritiker des Anthropozentrismus einnahmen.
Bei
Platon gibt es auch eine "Seelen-Wanderungs-Lehre", weshalb er nichtmenschliche Tiere nicht grundsÀtzlich als niedriger ansieht, aber dennoch den graduellen Unterschied hervorhebt.
Aristoteles ist der Ursprung fĂŒr die Behauptung, nichtmenschliche Tiere besĂ€Ăen keine Vernunft. Er sagt auch, daĂ sie fĂŒr Menschen "da" seien, jedoch sieht Steiner hier eine MiĂinterpretation der betreffenden Textstelle, da sie Aristoteles ein teleologisches NaturverstĂ€ndnis unterstellt. Er habe eher gemeint, daĂ sie von ihrer Natur her dem Menschen unterlegen sind. In seiner WĂŒrde-Definition schlieĂt er nichtmenschliche Tiere aus, sie haben weiterhin keine Sprache und Logik, wobei er grundlegende FĂ€higkeiten anerkennt. Hier geht Steiner nochmals ausfĂŒhrlich darauf ein, warum die Messung von Intelligenz an der SprachfĂ€higkeit falsch ist. Man muĂ schlieĂlich nicht die FĂ€higkeit haben, etwas zu benennen (was viele nichtmenschliche Tiere oft nicht können), um es zu verstehen (d.h. ein logisches Konzept davon zu haben). Ăhnliches gilt fĂŒr den Besitz von Erinnerungsvermögen, dessen Unterschied Aristoteles anfĂŒhrt.
Die
Stoiker unterscheiden vernunftbegabte und nicht-vernunftbegabte Wesen und weisen dem Menschen, aufgrund seiner Vernunftbegabtheit, eine starke Ăberlegenheit ĂŒber alle nicht-vernunftbegabten Wesen zu. Nichtmenschliche Tieren besitzen ihrer Meinung nach grundsĂ€tzlich keine Vernunft und damit auch keine GefĂŒhle oder Dinge wie Weisheit und Reflexionsvermögen. Menschen hĂ€tten daher keinerlei Verpflichtungen gegenĂŒber anderen Tieren. Die FĂ€higkeiten der nichtmenschlichen Tiere wird als etwas gesehen, was spĂ€ter Instinkte genannt wird, und gilt fĂŒr die Stoiker nicht als Vernunft. Wie zu erwarten, existieren die nichtmenschlichen Tiere fĂŒr die Menschen, genauer gesagt sei die gesamte Welt nur fĂŒr vernunftbegabte Wesen erschaffen (und das seien Götter und Menschen). Nichtmenschliche Tiere werden zudem von der Gerechtigkeit ausgeschlossen. Den Ursprung liegt darin, daĂ Aristoteles nichtmenschlichen Tiere Vernunft absprach. Das kulminierte darin, daĂ die Stoiker negierten, nichtmenschlichen Tieren ĂŒberhaupt Gerechtigkeit widerfahren lassen zu mĂŒssen.
Plutarch hingegen kritisierte die Stoiker dennoch fĂŒr ihre Ansichten ĂŒber nichtmenschliche Tiere. FĂŒr ihn stand fest, daĂ sie sehr wohl vernunftbegabt sind, auĂerdem empfindungsfĂ€hig und im Besitz von Emotionen, und daĂ aufgrund ihrer FĂ€higkeiten man (indirekte) Pflichten gegenĂŒber ihnen wahrnehmen muĂ. Daraus leitet er ab, daĂ "Fleischessen" eine nicht zu rechtfertigende Form von Barbarei, sowie auch unnötig ist. Jedoch nicht mehr, denn die Natur rechtfertige den sonstigen Gebrauch von Tieren, z.B. als Arbeitskraft. Er erkannte, daĂ die Intelligenz von Tieren nicht an ihre FĂ€higkeit Sprache zu produzieren, gebunden ist. Von Plutarch ausgehend forderte der Neuplatoniker
Porphyrios Ende des dritten Jahrhunderts "abstinence from killing animals". Er, wie viele seiner christlichen oder andersartig theistischen VorgĂ€nger wie auch Nachfolger bis heute, stĂŒtzt das auf den ĂŒblichen religiösen Anthropozentrismus in der Version, daĂ das Töten von Tieren die eigene Reinheit beschmutze oder "Gott" verĂ€rgere.
Den Theorien des christlichen Mittelalters ĂŒber Descartes bis zu den Empiristen, Utilitariern und Kant sind die Kapitel fĂŒnf bis sieben gewidmet.
Der Status der nichtmenschlichen Tiere im christlichen Mittelalter beruht auf dem Dominanzanspruch, der in der Bibel (Genesis) festgelegt wurde. Das Christentum forcierte den bis dahin stĂ€rksten und absolutesten Anthropozentrismus: "it is Godâs will that man exploit nature for his proper ends." Die Anweisungen, die Natur und die nichtmenschlichen Tiere nach gutdĂŒnken auszubeuten, finden sich zahlreich (
1,
2). Dennoch habe einige Theologen versucht, diesen Wortlaut irgendwie (mit viel, viel Exegese) zurechtzubiegen. Nicht so
St. Augustinus von Hippo, der festhielt, daĂ nichtmenschliche Tiere fĂŒr den Menschen geschaffen wĂ€ren. Da sie vernunftlos (und natĂŒrlich ohne "Seele") seien, hĂ€tten sie keinen Anteil an "Gottes Wahrhaftigkeit". Bei
Origenes liest man praktisch das gleiche.
Basilius bekrĂ€ftigt die Ansicht, daĂ nichtmenschliche Tiere vernunftlos sind und deshalb die vernunftbegabten Menschen die Herrschaft ĂŒber sie haben. Auch
Johannes Chrysostomos' Ansicht, etwas nett zu Tieren sein zu sollen, erweist sich beim nĂ€hren hinschauen als "overwhelmingly anthroprocentrist". Auch seine Meinung ist es, daĂ alle nichtmenschlichen Tiere ausschlieĂlich dafĂŒr geschaffen wurden, um dem Menschen zu dienen. AusfĂŒhrlicher beschĂ€ftigt sich Steiner mit
Franz von Assisi, der von der Kirche als Vorzeigefigur fĂŒr "guten christlichen Umgang" mit Tieren gebraucht wird. Nur ist sein angeblich so nettes Verhalten gegenĂŒber nichtmenschlichen Tieren (falls man es als nett bezeichnen will, sie mit Predigten zu quĂ€len) historisch nicht belegt, sondern beruht nachweislich auf Hinzudichtungen und bewuĂten VerfĂ€lschungen spĂ€terer Chronisten. In dessen eigenen Schriften findet sich erwartungsgemÀà auch keine Aussagen, die "Liebe oder MitgefĂŒhl" fĂŒr nichtmenschliche Tiere fordern. Den Höhepunkt des christlichen Anthropozentrismus bildet
Thomas von Aquin, der die auf der aristotelischen Trennung zwischen vernunftbegabten und vernunftlosen Tieren basierende Negation der ethischen BerĂŒcksichtigungen von nichtmenschlichen Tieren "perfektioniert". Diese seinen von so primitiven Instinkten beherrschaft, daĂ die praktisch wie "Uhren" funktionierten. Und weil Gott sie fĂŒr den Menschen erschaffen habe, sei es egal, wie man sich ihnen gegenĂŒber verhalte. Auch bei ihm gibt es max. indirekte Pflichten (ein Tier zu töten, daĂ jemand anderes Eigentum ist, ist falsch, weil man damit dessen Eigentumsrechte verletzt).
René
Descartes ist, auch wegen des Einflusses seiner Theorie, ein eigenes Kapitel gewidmet. Seines Erachtens gibt es keinerlei ethische Verpflichtung des Menschen den anderen Tieren gegenĂŒber. Da sie keine "Seelen" haben, muĂ man auch keinen Skrupel besitzen, sie lebend aufzuschneiden (Vivisektion). Ihre Schreie dabei sind rein mechanischer Natur, da sie keinen Schmerz verspĂŒren könnten. Einige neuere Kommentatoren sind der Meinung, dies seien alles MiĂinterpretationen, da Descartes Tieren nirgendwo GefĂŒhle absprĂ€che. Seine eben genannten Aussagen jedoch sind eindeutig belegt, sodaĂ sie zu ignorieren auf selektivem, revisionistischem Lesen beruht. Descartes' Position geht auf eine zurĂŒck (vertreten von u.a. Montaigne), die besagt, daĂ das, was nĂ€her an der Natur ist, dem unterlegen und diestbar ist, was naturentfernter ist. Daher sind nichtmenschliche Tiere wie auch "unzivilisierte" Menschen zivilisieren als Ressource bestimmt bzw. sind Menschen "fundamentally superior". Die Ansicht, nichtmenschliche Tiere seien nur Maschinen, ergibt sich daraus, daĂ sie keine Sprache, keine "Seele" und keine Gedanken hĂ€tten. Gemessen wird das an der Differenz der QualitĂ€t dieser Dinge im Vergleich zu Menschen, also eine anthropozentrische Sichtweise par excellence. Die "Art von Seele", die er ihnen zuspricht, ist die wie sie auch Pflanzen haben, d.h., daĂ sie Lebewesen sind (mehr aber nicht). Ein BewuĂtsein und Reflexionsvermögen spricht er ihnen kategoriell ab. Dies alles sei auch Ausdruck dafĂŒr, daĂ sie keinen freien Willen besĂ€Ăen und das wiederum ist der Grund, warum er sie aus der moralischen Gemeinschaft ausgeschlieĂt.
Die Empiristen (
Hobbes, Locke, Hume) haben das Bestehen von fundamentalen Unterschieden (in BewuĂtsein, Intelligenz etc.) negiert â entsprechend ihrer Auffassung von Wahrnehmung. Die bestehenden Unterschiede sind fĂŒr sie qualitativer Natur. Nichtmenschliche Tieren besitzen Gedanken, aber sie besĂ€Ăen keine Sprache, kein Reflexionsvermögen und ihre DenkfĂ€higkeit sei daher begrenzt. Dies (das Fehlen abstrakten Denkens) rechtfertige einen AusschluĂ aus der Moral und die natĂŒrliche Ăberlegenheit der Menschen rechtfertige die Dominanz. AuĂerdem wiederholt z.B.
Locke die Leier von der göttlichen Rechtfertigung der UnterdrĂŒckung.
Hume setzt nichtmenschliche Tiere, aufgrund ihres Mangels an Vernunft, auf die gleiche Stufe wie Pflanzen und Sklaven. Die Utilitarier wie
Bentham und Mill hingegen setzen die EmpfindungsfĂ€higkeit als die Kategorie, die zĂ€hlt, im Gegensatz zu den bisherigen, Intelligenz und Sprache. Aber viel bringt das den Tieren auch noch nicht, denn Bentham ist gleichzeitig der Meinung, die hĂ€tten kein ZukunftsbewuĂtsein, deshalb der Tod per se nichts Negatives sei, und verknĂŒpft das mit dem Rechtfertigungsversuch, ein Tod durch Menschen sei weniger grausam als ein natĂŒrlicher Tod.
Mill meint, die negativen Empfindungen mĂŒĂten zwar berĂŒcksichtigt werden, aber dabei seien die Interessen der Ăberlegenen (WeiĂe ĂŒber Schwarze, Menschen ĂŒber nichtmenschliche Tiere) stĂ€rker zu berĂŒcksichtigen, da "pleasure" nicht nur in ihrer QuantitĂ€t, sondern auch in ihrer QualitĂ€t zu sehen sei und diese wĂŒrde bezogen auf Menschen die von nichtmenschlichen Tieren ĂŒbersteigen. Eine Gebrauch zu menschlichen Zwecken ist grundsĂ€tzlich erlaubt.
Kant wiederum weist Freude und Schmerz als Basis fĂŒr moralische BerĂŒcksichtigung zurĂŒck und nennt den Personenstatus als Voraussetzung, der darin bestehe, daĂ man um seiner selbst willen existiert, was der Fall ist, wenn man Vernunft besitzt. Nichtmenschliche Tiere sind demnach keine Personen, sondern Dinge, und damit keiner moralischen BerĂŒcksichtigung wert, auĂer den "indirekten Pflichten".
Die Strömungen, die die psychischen FĂ€higkeiten nichtmenschlicher Tiere anerkannten und eine ethische BerĂŒcksichtigung nicht negierten, standen vor der Frage, wie das geschehen solle, welche FĂ€higkeiten bzw. welche Spezies wie bzw. wann relevant sind und in welchem Umfang. Positionen mit diesen Fragen werden in den letzten drei Kapiteln (Conceptions of Continuity: Schopenhauer, Darwin, and Schweitzer; Postmodern Conceptions of the Human-Animal Boundary und Rethinking the Moral Status of Animals) behandelt.
Die ersten Position werden vom damaligen Hintergrund der Romantik (Condillac, Rousseau, Herder) erklĂ€rt, der "a sense of continuity" zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren formulierte, das sich aus ihrem Natur-VerstĂ€ndnis und ihrer Bevorzugung von GefĂŒhlen gegenĂŒber dem Verstand ergab.
Condillac wertete Menschen dennoch immer noch als höherwertig, da ihre Sprache und Vernunft komplexer sei.
Rousseau meint Àhnlich, daà der Unterschied zwischen Menschen und anderen Tieren gradueller Natur ist, wobei nichtmenschliche Tieren jedoch nur von Instinkten angetrieben seien.
Herder sieht, daĂ auch nichtmenschliche Tiere Sprache besitzen und er koppelt daher die menschliche Ăberlegenheit an die komplexere Sprache sowie das Reflexionsvermögen und die Vernunft. Er hĂ€lt an der aristotelischen Trennung fest und meint auch, nichtmenschliche Tieren seien fĂŒr den Menscheng geschaffen.
Schopenhauer formuliert ausgehend von seinen Vorstellungen ĂŒber den Willen, daĂ sich nichtmenschliche Tiere von Menschen in der QualitĂ€t, nicht im Vorhandensein desselben unterscheiden. Sie hĂ€tten jedoch keinen Charakter und kein Erinnerungsvermögen, weshalb sie sich nicht an vergangenes Leid erinnern könnten, und sie könnten nicht frei wĂ€hlen. Die Basis der MoralitĂ€t ist s.E. MitgefĂŒhl und nichtmenschliche Tiere mĂŒĂten direkt, nicht nur indirekt, in die Moral einbezogen werden. Praktisch heiĂt das, daĂ Vivisektion und "Fleischessen" nicht verboten, aber eingeschrĂ€nkt werden sollten. Insgesamt, so Steiner, unterscheidet sich Schopenhauers Anthropozentrismus also den vorherigen Versionen wie von Kant wenig.
Darwin bewies, daĂ Menschen und Affen auf gemeinsame Vorfahren zurĂŒckgehen und daĂ es keinen fundamentalen Unterschied in den mentalen Funktionen und dem Vorhandensein von Emotionen und Sprache gibt, da diese Dinge von niedriger entwickelten Tieren an bei allen Tieren vorhanden waren. Zudem bestĂ€tigt er nichtmenschlichen Tieren die FĂ€higkeit, mentale Konzepte zu bilden. Die Grundlage fĂŒr Moral sieht er in den sozialen Instinkten (die auch nichtmenschliche Tiere besitzen), welche fĂŒr die Gruppenselektion relevant sind. Daher ist es jedoch auch nicht evolutionsbiologisch normal, andere Spezies in die Moral einzubeziehen und Darwins Aussage, die nobelste Eigenschaft des Menschen sei "disinterested love for all creatures", ist ohne wirklichen Beleg. Seine Forderung nach weniger Vivisektion bzw. Verbot "unnötiger Qualen" ist wiederum anthropozentrisch.
Schweitzer formulierte eine biozentrische Ethik, in die er alles, was lebt (auch Pflanzen), einbezogen sehen wollte. Diese beruhe auf einem "aktiven Mysitizismus" und sei religiös geprĂ€gt. Die "Ehrfurcht vor dem Leben" rufe nicht nur zu mitfĂŒhlendem Handeln auf, sondern auch zu einer "inneren Perfektion" des Menschen. In seiner theistischen Arroganz glaubt er auch, nur Jesus habe eine genuin vollstĂ€ndige Ethik entwickelt (und Atheisten seien ohnehin unmoralisch). Des Weiteren sei das Ausbeuten von Tieren als Ressourcen nicht per se schlecht, da Menschen aufgrund ihrer kognitiven Ăberlegenheit die moralischen Werte selbst festlegen könnten.
Im postmodernen Liberalismus besteht weiterhin die genuin anthropozentrische Annahme, Menschen besĂ€Ăen den höchsten und reinsten ethischen Status und nicht-menschliche tierliche Interessen seien daher untergeordnet. Eine dieser Positionen vertritt
Heidegger, der meint, nichtmenschliche Tiere unterscheiden sich von Menschen v.a. in ihrer UnfĂ€higkeit Sinn zu erzeugen und ihrem Mangel an TodesbewuĂtsein, da erst dieses dazu fĂŒhre, Sinnfragen zu stellen. Zudem hĂ€tten sie zwar "Dasein", aber keine Existenz, was er aus einem vermeintlichen Mangel an SprachfĂ€higkeit und Logik herleitet. Im Weiteren bezeichnet er sie immerhin nicht als "weltblind" (wie Steine), sondern nur "weltarm", d.h. die StĂ€rke iher Beziehung zur Welt ist geringer als bei Menschen. Damit hat er auch die Position inne, den kognitiven Unterschied nur als relativ zu bezeichnen, zudem macht er klar, daĂ daraus keine Ăberlegenheit des Menschen zu schlieĂen ist. Kritik erfĂ€hrt diese Haltung von Levinas und Derrida.
Levinas richtet sich v.a. gegen die Auffassung, die SprachfĂ€higkeit sei das Hauptkriterium fĂŒr die Einbeziehung in die Ethik. Er hĂ€lt dagegen, die FĂ€higkeit den anderen wahrzunehmen und seine Interessen den seinen unterzuordnen sind die Grundlagen fĂŒr die Ethik. Als KZ-Gefangener formuliert er auch die Parallelen zwischen dem Umgang der Nazis mit Menschen und mit nichtmenschlichen Tieren.
Derrida will den Subjektbegriff, der die Grundlage fĂŒr den AusschluĂ nichtmenschlicher Tiere zu sein scheint, da er nur auf Menschen zutrĂ€fe, dekonstruieren. Das tut er insbesondere beim Heideggers Vorstellung von TodesbewuĂtsein, da dies so Derrida keine adĂ€quate Kategorie sei (weder biologisch noch kulturell).
Das letzte Kapitel ("Rethinking the Moral Status of Animals") beginnt mit der Formulierung des Problems, daĂ ein ethischer Ansatz gebraucht wird, der zwar die Einzigartigkeit des Menschen anerkennt, aber nicht eine Vorherrschaft ĂŒber andere Tiere mittransportiert. Luc
Ferry wirft alle AnsĂ€tze, die nichtmenschliche Tiere mit einbeziehen, in den Topf, sie beruhten auf der Methode, dies durch eine Teilhabe am "kosmischen Ganzen" zu formulieren. Dieser Ansatz, der auch in der Deep Ecology bzw. dem (grĂŒnen) Primitivismus angelegt ist, besitzt jedoch die Gefahr, den Menschen einem abstrakten Kosmos-Begriff unterzuordnen. Er selbst meint, nur Menschen hĂ€tten eine volle Beherrschung ĂŒber sich und ihre Natur und seien daher höherwertig. Jedoch die generelle Unterstellung, dies sei faschistoid, stellt Steiner mit Verweis auf
Sax richtig. Diese zwei Extreme â der anthropozentrische Liberalismus und der nicht-anthropozentrische Holismus â in Einklang zu bringen, ist schwierig. Die Heidegger-SchĂŒler Jonas und Löwith haben es versucht und gehen dabei auf Vorstellungen griechisch-antiker Denker zurĂŒck.
Löwith "seeks a return to nature and its eternaly cycles", jedoch ohne den Menschen aufgrund seiner angeblichen NÀhe zu den Göttern höher zu werten.
Jonas sieht das Problem im TechnikverstĂ€ndnis, das dazu fĂŒhre der Natur ihren Selbstwert abzuerkennen, weil sie nur als manipulierbares Objekt gesehen wird. Seine Ethik soll sich daher in der Natur begrĂŒnden. Aber auch sein Ansatz ist, nĂ€her betrachtet, nicht unproblematisch und daher umstritten. Als letztes kommt Steiner, wie bereits zu Anfang des Buches, auch die kognitive Ethologie und ihrer Bedeutung fĂŒr das Mensch-Nichtmensch-VerhĂ€ltnis zurĂŒck. Er hĂ€lt fest, daĂ die kognitiven FĂ€higkeiten kein MaĂstab fĂŒr die Zuweisung von ethischen Rechten sein sollten. Grund dafĂŒr ist auch, wie bereits am Anfang ausgefĂŒhrt, daĂ die kognitiven FĂ€higkeiten nicht genau zu ermitteln sind, "because we cannot examine the inner mental states of the experimental subjects directly". Die Experimente sind immer an (Zeichen-)Sprache gebunden, die jedoch keine adĂ€quate MeĂgröĂe fĂŒr Intelligenz darstellt. Auch weist er nach, daĂ die FĂ€higkeiten der meisten Tiere sich im Laufe ihrer Entwicklung durch Lernen verbessern und daher nicht nur Instinkte sein können, da diese statisch sind. Zudem konnten Emotionen wie Reaktionen Ă€hnlich wie Hilflosigkeit ('sogar' bei Ratten) nachgewiesen werden. Die nĂ€here Untersuchung von Bienen hat ergeben, daĂ selbst sie eine Art von SelbstbewuĂtsein besitzen mĂŒssen, was (ungeachtet der Frage, ob diese Eigenschaft ĂŒberhaupt ethisch relevant sein sollte) nahe legt, daĂ auch wirbellose Tiere beachtet werden mĂŒssen. Die letzte vorgestellte Position ist die Paul
Taylors, der einen Biozentrismus vorschlÀgt, bei dem nicht der Personenbegriff im Vordergrund steht, sondern der Respekt vor der Natur. Auch Steiner selbst entwickelt eine Ethik, die in seinem Buch "Animals and the Moral Community" nachgelesen werden kann.
Fazit: Hier kann man ausfĂŒhrlich nachlesen, daĂ und wie Anthropozentrismus, gepaart mit und bedingt durch Theismus, die historisch entscheidenden Bezugspunkte des Speziesismus waren und gröĂtenteils bis heute sind. Den Menschen galten nichtmenschliche Tiere nur als Mittel zum Zweck, sich selbst sahen sie als "Krone der Schöpfung". Die nicht-theistische Version wandte sich von der "Gottebenbildlichkeit" als Ursache fĂŒr die Höherwertung des Menschen ab und der Höherwertung aufgrund vermeintlicher definitiver Unterschiede der kognitiven FĂ€higkeiten zu. In seiner Analyse gibt Steiner nicht nur die verschiedenen Positionen wieder, sondern erklĂ€rt sie in ihrem Kontext, stellt Querverbindungen her, interpretiert anhand der und gegen die Forschungsmeinung. Insbesondere gegen die nicht-theistische Version fĂŒhrt er die Erkenntnisse der Verhaltens- und Gehirnforschung an, die die Annahme der absoluten Einzigartigkeit des Menschen negieren. Zudem verweist er auf die grundsĂ€tzliche Problematik vieler Forschung, die nichtmenschliche Tiere an menschlichen MaĂstĂ€ben messen und damit die EigenstĂ€ndigkeit deren Intelligenz verwischen.
Viele Kapitel enthalten eine Zusammenfassung bzw. KurzĂŒbersicht an ihrem Anfang oder Ende, sodaĂ auch ein Schnellzugriff möglich ist, der auch ĂŒber das Register ermöglicht wird.