> > Weder Singer noch Salomon würden Menschen, die kein
> Zukunftsbewusstsein haben, ein elementares Lebensrecht
> absprechen.
>
> Aber ist der Grund dafür nicht ein indirekter? Z. B. das
> Verbot, einen schlafenden Menschen zu töten, ergibt sich
> daraus, dass andernfalls jeder Mensch im Prinzip ständig
> damit rechnen müsste, im Schlaf getötet zu werden - was ihn
> ja auch im Wachzustand belasten würde. Daneben können
> natürlich auch die Angehörigen ein Interesse daran haben,
> dass die Menschen nicht getötet werden.
Das erste würden sie, soweit ich weiß, nicht anführen, da beide sagen, 'normale' Menschen hätten ein Zukunftsbewusstsein; der Grund ist also, dass man ihre zukünftigen Wünsche und Pläne auch durch das unbewusste Töten (wie im Schlaf) frustieren würde.
Das zweite benutzt zumindest Singer, aber eher, um das Töten von Tieren zu rechtfertigen, als um gegen das von Menschen zu argumentieren. Er sagt, dass es Tieren egal wäre, wenn ein Mitglied ihrer Gruppe stirbt. Dem widersprechen jedoch inzwischen viele ethologische Beobachtungen. Auf der anderen Seite gibt es auch einige Menschen, auf die es nicht zu trifft. Deshalb ist das kein überzeugendes Argument.
> Insgesamt sehe ich, was dieses Problem angeht, einfach keinen
> Anthropozentrismus. Es wird versucht, die Rechte auf
> tatsächlich vorhandene Vermögen zurückzuführen.
Ja natürlich, aber der Maßstab dieser Vermögen, der zur Überprüfung angesetzt wird, ist der menschliche. Deshalb ist es anthropozentrisch.
In einem ähnlichen Zusammenhang gibt es eine Analogie (von wem, weiß ich nicht mehr, habe ich irgendwo bei Gary Steiner gelesen): Wenn z.B. ein Engländer untersuchen wollte, ob ein anderer Mensch - z.B. ein Chinese - Sprache beherrscht, und er ihn etwas reden lässt, kein Wort versteht (weil der Chinese nicht Englisch, sondern Mandarin spricht) und zur Schlussfolgerung kommt, dieser Mensch wäre nicht sprachfähig (da er kein Wort verstanden), wäre das absurd. Der Maßstab, um Fähigkeiten oder Eigenschaften zu messen oder zu bewerten, muss dem Individuum angemessen sein und nicht jemand anders.
Ethische Maßstäbe sollten das gleiche Kriterium erfüllen.
> Und während
> es für das Verbot, einem Lebewesen Schmerzen zuzufügen,
> ausreicht, dass das Lebewesen Schmerzen empfinden kann,
> braucht man für das Tötungsverbot eben mehr. Z. B. das
> "Zukunftsbewusstsein".
Das war an dieser Stelle etwas kurz formuliert. Etwas ausführlicher: Die Empfindungsfähigkeit ist ein hinreichendes (aber nicht notwendiges) Kriterium, um auf den Besitz eines Bewusstseins zu schließen (egal, wie rudimentär es ist). Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, haben Interessen. Mit Bezug auf die Empfindungsfähigkeit u.a. das Interesse am Weiterleben, denn wenn sie empfindungsfähig sind, versuchen sie alles zu vermeiden, was ihnen schaden bzw. sie (potenziell) töten könnte. Man schadet ihnen deshalb, wenn man sie tötet, da man damit ihr Interesse verletzten würde. (Dieses Interesse ist nicht aktiv reflektiert, aber es ist durch die Eigenschaft des Überlebenswillens, der sich aus der Empfindungsfähigkeit ergibt, passiv vorhanden.)
Deshalb erfasst das Kriterium der Empfindungsfähigkeit auch menschliche Grenzfälle wie Säuglinge, geistig behinderte Menschen, Demente usw., mit denen alle anderen, tierrechtsgegnerischen philosophischen Ansätze Probleme haben (aber es erfasst nicht z.B. wenige Tage alte Embryonen).
> Daneben kann man gegen die Tötung von
> bestimmten Tieren aber auch einwänden, dass deren Angehörige
> durch den Verlust belastet werden. Man müsste das eben für
> jeden Einzelfall abwägen.
Halte ich wie gesagt für kein gutes Kriterium. Ein Säugling, der einfach irgendwo ausgesetzt wird (nicht etwa in einer Babyklappe abgegeben wird o.ä.), hat keinerlei Angehörigen, die von seinem Tod betroffen wären. Trotzdem hat er ein Interesse am Weiterleben.