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Komische runde Dinger (Rosenkohl)

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Komische runde Dinger (Rosenkohl)

Autor: Achim Stößer | Datum:
Ist es nicht beängstigend, wenn ein Zehnjähriger Rosenkohl nur als "komische[...] runde[...] Dinger" kennt und über Gemüseschnitzel nur zu sagen weiß, daß sie "wie Fischstäbchen" aussehen? Da ist die Aussage der Ernährungswissenschaftlerin Oepping, "Wir dürfen aber nicht davon ausgehen, dass Kinder sich falsch ernähren", selbst von den Tierrechts-Aspekten einer unveganen (und somit ethisch inakzeptablen, also falschen) Ernährung abgesehen, wohl reines Wunschdenken.

Die Linsen-Kür

Autor: Achim Stößer | Datum:
(17.01.2006 )

Kinder aus der Koch-AG der Hunsrück-Grundschule testeten unterm Funkturm Schulessen. Verschiedene Catering-Firmen traten an, dem Test-Sieger wurde der „Goldene Kochlöffel“ verliehen

Von Daniela Martens


Gül verzieht das Gesicht. „Was wie Fischstäbchen aussieht, mag ich nicht und die komischen runden Dinger auch nicht.“ Die Zehnjährige kostet gerade ein gebratenes Steckrübenschnitzel mit Rosenkohl. Was am Esstisch nicht gerade gern gesehen ist, dazu wurden sechs Schüler der Hunsrück-Grundschule in Kreuzberg gestern ausgiebig ermuntert: am Essen herumzumäkeln. Bei der Grünen Woche kürten sie das „Schulessen des Monats“. Zum ersten Mal wurde der „Goldene Kochlöffel“ an eine Berliner Schulcateringfirma vergeben. Zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Gesunde Schulverpflegung an Berliner Ganztagsschulen“ hatte die Vernetzungstelle Schulverpflegung Kinder, Schulsenator Klaus Böger (SPD) und Experten eingeladen, die an dem seit 2004 laufenden Modellversuch beteiligt sind.

Gül steht mit der elfjährigen Zeynep und vier anderen Kindern an einem langen Tisch auf einer Bühne in Halle 6 probiert wie im Akkord die Gerichte der verschiedenen professionellen Essensanbieter. Alle Caterer haben sich an bestimmte Vorgaben gehalten: vegetarisch sollte das Essen sein, Kartoffeln und Linsen mussten verwendet werden.

Nach jeder Runde halten alle sechs Schüler eine Karte mit einer Zahl in die Höhe wie beim Eislaufwettbewerb. Mit einer Zwei bewertet Gül das Steckrübengericht noch als ganz passabel, eine Eins wäre ganz schlecht, eine Vier das höchste Lob. „Es gab ja noch Kartoffel-Linsenpürée dazu, das hat ganz gut geschmeckt“, sagt sie.

Vorher hat das Mädchen mit den anderen Kindern ihren Geschmackssinn trainiert. „Man muss die Schulverpflegung mit Ernährungsbildung verbinden,“ sagt die Ernährungswissenschaftlerin Anke Oepping von der Universität Paderborn. Deshalb haben die Schüler vor dem Essen rohe Gemüsestücke probiert – mit verbundenen Augen und angeleitet von Tino Schmidt. Der Küchenchef in einem Ökorestaurant hat dabei zum Beispiel Chicorée-Stücke herumgereicht: „Merkt ihr den bitteren Geschmack?“ Die Kinder nickten vage. Dass sie die bitteren Blätter überhaupt nicht mochte, gibt Gül erst später zu, als der Koch nicht mehr zuhört. „Wir dürfen aber nicht davon ausgehen, dass Kinder sich falsch ernähren“, sagt Anke Oepping. Vielmehr solle man ihre Gewohnheiten als Ausgangspunkt nehmen, um Strategien aufzubauen.

Das funktioniert anscheinend, denn inzwischen haben die Kinder einstimmig ihren Favoriten gefunden – sogar die kritische Gül: Kalinka-Plätzchen an Orangen-Joghurt-Sauce mit Nusssplittern, Möhren-Apfelsalat und Rosinen. Der „Goldene Kochlöffel“ geht an den Sunshine Catering Service.

Doch das beste Schulessen hat für die Mädchen immer einen Nachteil. „Es schmeckt nie so gut wie bei uns in der Koch-AG, wenn uns das Essen gelingt“, sagen Gül und Zeynep. Und damit sie demnächst wieder kochen können, haben sie als Dank fürs Probieren einen großen Korb voller Zutaten bekommen.

http://www.tagesspiegel.de/jugend/archiv/17.01.2006/2294688.asp