USA: Mit der Videokamera gegen Menschenhändler
Mit Plakaten wollen die Studenten die Menschen in San Francisco für das Thema Menschenhandel sensibilisieren
Seit 1865 ist Menschenhandel und Sklaverei in den USA verboten. Dochnoch heutzutage jährlich werden etwa 200.000 Menschen in die USA geschmuggelt und unter sklavereiähnlichen Zuständen zur Arbeit gezwungen. Ein Professor und seine Studenten in San Franzisko kämpfen dagegen.
Von Udo Lielischkies, ARD-Fernsehstudio Washington
David Batstone ist kein gewöhnlicher Professor, und seine Studenten bewundern ihn dafür. Ein ganzer Jahrgang hat sich seiner Kampagne "Not for Sale" gegen Menschenschmuggel und moderne Sklaverei verschrieben. "Sozialwissenschaften" heißt offiziell, was Batstone lehrt. Doch was die Studenten fasziniert und alle Prüfungen und Noten vergessen lässt ist die Erkenntnis, dass Sklaverei in ihrem eigenen Land - wieder einmal - abgeschafft werden muss.
Gefährliche Hochschularbeit
"Etwa 200.000 Menschen werden jedes Jahr in die USA geschmuggelt und zur Arbeit gezwungen, in Haushalten, in Restaurants oder in Bordellen", sagt Batstone. Seine Studenten haben heute die Aufgabe, nach verdächtigen Massage-Salons in San Francisco zu suchen. "Das kann schon gefährlich sein", meint Studentin Tini. Die hätten sogar Mikrofone und Videoüberwachung rund um die Salons. "Aber wir passen auf", meint Mel, "wir bleiben immer im Auto und verstecken auch unsere Kamera." Da würden Frauen gefangen gehalten", fährt Tini fort. Die Schmuggler bedrohten die Frauen und ihre Familien im Ausland. "Klar sind das gefährliche Leute", resümiert die Studentin.
Viele Frauen kommen nie aus ihren Gefängnissen
Statt im Hörsaal verbringen die Studenten viel Zeit auf den Straßen von San Francisco. Ihr Ziel: Möglichst viele Sexsklaven zu befreien. Frauen, die selbst keine Flucht wagen. Viele dieser Frauen sprechen kein Englisch. Sie wissen nichts über die Stadt, weil sie nie aus ihren Salons rauskommen. Das ist eine bedrohliche fremde Welt für sie.
San Francisco - Ein Drehkreuz für Menschenschmuggel
San Francisco ist eines der Drehkreuze für den Menschenschmuggel in den USA, Tausende Frauen werden hier in Hinterzimmern festgehalten, die Zahl der Massagesalons hat sich in zwei Jahren verdoppelt. Eine große Razzia der Polizei in gleich zehn Salons hat das Ausmaß des Problems offenbart. "Das war die Operation 'Goldener Käfig'", erzählt Tini. 104 koreanische Frauen seien gefunden worden, die Hälfte ohne Papiere. "Aber die meisten dieser Salons sind trotzdem weiter aktiv", fährt Tini fort. "Die Stadt konnte einfach nicht genug Beweise für eine Schließung finden."
Die Studenten beginnen zu filmen. Sie sollen dokumentieren, wer wann den die Etablissements betritt und verlässt. Rund um die Uhr werden manche Salons beobachtet, und wenn viele Kunden aber keine Frauen zu sehen sind, spricht vieles dafür, dass hier Sex-Sklaven gefangen gehalten werden.
20 Dollar Jahreslohn für täglich zwölf Stunden Arbeit
Mitarbeiter eines Frauenhauses bringen uns mit Lilly zusammen. Die Indonesierin kam freiwillig, um für einen arabischen Diplomaten im Haushalt zu arbeiten. "Am Tag, als ich ankam, nahmen sie mir dann sofort den Pass und den Arbeitsvertrag weg. Und wenn sie ausgingen, sperrten sie die Tür zu und nahmen den Schlüssel mit. Sogar wenn sie zuhause waren sperrten sie ab und versteckten den Schlüssel", erinnert sich Lily. Sie war drei Jahre lang eine Gefangene. "Das ist ein typischer Fall", sagt Hediana vom Frauenhaus. "Aber es gibt Schlimmere. Viele Frauen werden in solchen Situationen vergewaltigt und kommen dann schwanger zurück nach Hause." 20 Dollar pro Jahr gab der Diplomat Lilly für zwölf Stunden Arbeit täglich - moderne Sklaverei heute in den USA. Es war ein Zufall, dass sie weglaufen konnte.
Fast alle Altersgruppen sind betroffen
Hediana versteckt asiatische Frauen, die ihren Menschenschmugglern entkamen, in Schutzhäusern. Doch auch Kinder und Ältere werden Opfer, schuften in Restaurants, Hinterhoffabriken und in der Landwirtschaft. "Das Alter der Leute, die zu uns in die Schutzhäuser kamen, reicht von 20 bis 60 Jahren. Die waren meist zwei bis drei Jahre als Sklaven gefangen, manche aber auch zehn Jahre", sagt Hediana. Die modernen Sklaven selbst haben Angst, zur Polizei zu gehen: Ihre Schmuggler drohen ihnen, sich an Kindern und Familien in der Heimat zu rächen.
Undercover im Bordell
David Batstone, der Professor, ist wie seine Studenten oft in den Rotlichtvierteln von San Francisco unterwegs. Sie besuchen Massage-Salons, die besonders verdächtig scheinen. "Das ist eine versteckte Kamera, hier, dahinter ist das Objektiv. Es sieht aus wie ein normaler Rucksack", erklärt Batstone seine Ausrüstung. Der Professor und seine Studenten wollen sich als Geschäftsleute ausgeben, die eine Party mit Prostituierten planen. Ihr eigentliches Ziel ist jedoch, das Alter der Frauen in Erfahrung zu bringen. Werden Minderjährige angetroffen, wird die Polizei voraussichtlich schnell handeln.
Die Männer fragen nach jüngeren Frauen. "Ja, wir haben alle Altersgruppen", ist die Antwort. Aber sehen könne man sie nicht: Alle seien beschäftigt. "Kommen sie doch einfach morgen vorbei." Diesmal ist es nicht gelungen, eindeutig minderjährige Prostituierte zu filmen oder zumindest mit ihnen zu reden.
Polizei handelt nicht
Beim nächsten Seminar haben alle viel zu erzählen, Tini erläutert ihre Videoaufnahmen. Die Stimmung ist angespannt: Vor Wochen schon haben sie der Polizei ein ganzes Dossier zu einem Massagesalon übergeben, doch diese hat immer noch keine Razzia gemacht. Personalmangel ist eine der Entschuldigungen. Batstone will sich jetzt an den Bürgermeister der Stadt wenden, der ihre Arbeit ausdrücklich fördert.
Quelle: tagesschau.de
http://www.swr.de/nachrichten/-/id=396/nid=396/did=2228566/11w6j9m/