Von Katrin Blawat
Neue Futtermischung oder Gasmasken im Stall: Weil Kühe beim Rülpsen das Klima schädigen, wollen Forscher ihren CO2-Ausstoß verringern.
Idyllisch sieht es aus, das Wahrzeichen des Niederrheins: Schwarz-weiß gefleckte Kühe auf scheinbar endlosen Weiden, die so tief liegen, dass nur einige windschiefe Pappeln über die Normalnull-Grenze hinausragen.
Doch der Schein der Idylle trügt, die Weiden sehen nur so riesig aus, weil dem Auge in der flachen Landschaft eine Begrenzung fehlt, und die Kühe grasen nicht nur friedlich, sondern rülpsen auch alle 40 Sekunden; jede von ihnen stößt dabei bis zu 230 Liter Methan am Tag aus - das ist eine Bedrohung für das Weltklima.
Dies wollen nun Wissenschaftler der Universität Bonn ändern, die im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick im niederrheinischen Kleve untersuchen, wie sie die Kuh umweltverträglicher machen können.
Dazu wird gerade für 2,9 Millionen Euro ein Hightech-Stall für 144 Milchkühe gebaut. Bislang steht davon zwar erst der Güllekeller, doch wenn der Stall Mitte nächsten Jahres bezugsfertig ist, wird nichts unbeobachtet bleiben von dem, was die Tiere zu sich nehmen oder in irgendeiner Form von sich geben. Wiegetröge sollen bis aufs Gramm genau Futter- und Wasserverbrauch jeder einzelnen Kuh messen, und Sensoren an der Decke registrieren in drei voneinander getrennten Luftkammern unter anderem die Konzentration der klimaschädlichen Gase Methan, Kohlendioxid und Lachgas.
Weniger Gras, weniger Gas
So wollen die Wissenschaftler und Mitarbeiter der landwirtschaftlichen Versuchsanstalt zum Beispiel klären, ob Kühe weniger dieser Gase ausstoßen, wenn sie mehr Mais und weniger Gras zu fressen bekommen. Laboruntersuchungen lassen das vermuten, doch der neue Stall ist deutschlandweit der erste, in dem sich solche Fragestellungen auch unter den unberechenbaren Bedingungen eines Kuh-Alltags messen lassen.
Ideen, wie sich der Gasausstoß eines Rindes drosseln lässt, gibt es bereits zahlreiche. Manche klingen nur etwas ungewöhnlich, etwa die, einer Kuh Fischöl oder eine in Knoblauch enthaltene Substanz zu füttern, oder ihr vor dem täglichen Weidegang eine Anti-Methan-Pille zu verabreichen.
Einige Forscher schätzen das Problem der rülpsenden Rinder jedoch als so gravierend ein, dass sie auch vor skurrilen Vorschlägen nicht zurückschrecken: Man könne den Tieren Gasmasken aufsetzen oder ihnen einen Methan-Staubsauger auf den Rücken schnallen.
CO2-Emissionen eines Mittelklassewagens
Nicht nur diese radikalen Methoden haben einen Nachteil, mit dem sich auch die Klever beschäftigen müssen: Jahrzehntelang wurde das Viehfutter daraufhin optimiert, dass es die Tiere möglichst leistungsstark und effizient macht. Selbst wenn nun also am Ende der dreijährigen Abgasuntersuchung in Haus Riswick eine klimafreundliche Diät fürs Vieh stehen sollte, dürfte vielen Landwirte weiterhin wichtiger sein, wie viel Milch und nicht wie viel Methan aus ihren Tieren herauskommt.
Und vielleicht ist das auch für das Weltklima weniger entscheidend als es jene Menschen postulieren, die Rinder als "Klimakiller" verunglimpfen. Zwar klingt die Rechnung beeindruckend, wonach der jährliche Methan-Ausstoß einer Kuh sich ebenso auf das Klima auswirkt wie die CO2-Emissionen eines Mittelklassewagens mit 18.000 Kilometern Jahresleistung.
Doch andere Berechnungen relativieren die Klimaschuld des Viehs: Nach Angaben des Umweltbundesamts trugen die 450.000 Tonnen klimaschädlicher Gase, die Rindern im Jahr 2007 entwichen, lediglich mit 2,1 Prozent zu den deutschen Treibhausgas-Emissionen bei.
(SZ vom 07.11.2009/joku/jobr)
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