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Bilder, die die Welt bewegen

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Bilder, die die Welt bewegen

Autor: Achim Stößer | Datum:
"Bild" bewegt die Welt, die "Welt" bildet. Oder auch nicht. Besonders wenn es um Lammfleischessende Vegetarierpromis und vegetarische Hunde geht. So oder so ähnlich schreibt es Wolfram Siebeck.

Fleisches-Lust

Autor: Achim Stößer | Datum:
Laut Gerüchte-Küche ist Fleisch wieder in. Wo bleiben dann die Vegetarier?
WOLFRAM SIEBECK auf Spurensuche. Beim Metzger.

Wie Gerüchte entstehen, ist meistens schwer festzustellen. Natürlich weiß jeder, dass es Meldungen gibt, welche halb besinnungslos durch die Medien taumeln, bevor sie von BUNTE barmherzig aufgefangen werden und von nun an als Gerücht weiterleben. Ist Liz schwanger?, fragt sie ihre Leser und bleibt vorsichtshalber eine Antwort schuldig.
Doch wenn die Not am größten ist, hilft BILD. Dort weiß man alles genau und posaunt es auch hinaus: Der Verdacht auf Liz’ Schwangerschaft hat sich als falsch erwiesen. Das kleine Bäuchlein, das der Fotograf Makkarozzi in den romantischen Gassen von LA dokumentiert hat, als Liz die Universitätsbuchhandlung verließ, hat andere Gründe. Gute Freunde von Liz verrieten uns, dass die schöne Blondine ihre Mitgliedschaft bei den Vegetariern von Beverley Hills gekündigt und sich am Döner-Stand von Ali Gallük über eine doppelte Portion Lammfleisch hergemacht habe. Am nächsten Tag stand es dann in der WELT: Vegetarier sind auf dem Rückzug. Fleisch ist wieder in!

Ob damit aus dem Gerücht ein Faktum geworden ist, will ich nicht entscheiden, ohne, wie es sich für einen Journalisten gehört, die richtigen Fragen gestellt zu haben. Also gehe ich zu meinem Schlachter, als er gerade seine Würste sortiert. „Grüß Gott, Meister“, sage ich, „wie steht’s mit den Vegetariern?“ Er sieht mich misstrauisch an. „Das sind keine Terrier, sondern Retriever, englische Jagdhunde. Aber danke der Nachfrage, es geht ihnen gut.“ – „Ich meinte eigentlich die andere Sorte, die keine Würste isst und kein Suppenfleisch.“ – „Was soll denn das für eine Rasse sein? Die gibt’s doch gar nicht. Alle Hunde fressen Würste und Suppenfleisch.“ – „Gewiss. Hunde, ja. Aber mit Vegetariern meine ich eigentlich Menschen, die Fleisch strikt ablehnen und nur Gemüse essen.“ – „Wie soll das denn schmecken? Ohne Fleisch?“ – „Keine Ahnung. Die sollen weniger werden, stand in der Zeitung. Vielleicht ist es nur ein Gerücht . . .“ – „Was wird weniger? Die Würste? Das Gemüse? Oder englische Jagdhunde?“ – „Ich will nur wissen: kommen in Ihr Geschäft weniger Leute als früher, die kein Fleisch essen?“ – „Wenn man es genau nimmt, sind Leute, die kein Fleisch essen, nie in meinen Laden gekommen.“ – „Das ist ja interessant. Sehen Sie dahinter eine Art Verschwörung der Vegetarier?“ – „Was reden denn Sie immer von den Ve . . . Ah, jetzt verstehe ich! Sie meinen die Arier! Ja, seit die in Sachsen so massiv gewählt wurden, tauchen sie auch hier auf. Hätten die einen Haider . . .“ – „Ja, weiß ich. Geht der Fleischkonsum bei Ihren Kunden denn zurück?“ – „Kommt drauf an. Wenn sie Hunde haben, kaufen sie wie früher: eimerweise. Aber das sagt nix darüber, ob die eine Dogge oder drei Dackel haben. Wenn einer ein Kalbschnitzel zu 100 Gramm verlangt, muss ich damit rechnen, dass er keinen Hund hat.“ – „Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung?“ – „Erfahrungssache, würde ich sagen.“ Würde ich auch sagen. Ich sag’ aber nichts, weil Vegetarier selten Hundebesitzer sind. Immer diese Knochen knackenden Bestien zu Füßen, das hält kein Mensch aus, der sein Leben dem keimenden Hirsekorn gewidmet hat.

Ich hab’ mir 300 Gramm Schweinenacken einpacken lassen und keine weiteren Fragen gestellt. Liegt ja alles auf der Hand. Dass die Menschen aufs Fleisch erst verzichteten, als ihnen die Trichine zu den Ohren rauskamen. Jedenfalls sind sie nicht als Vegetarier geboren. Wäre ja auch schön blöd gewesen, einen Maiskolben zu rösten anstatt die süßen Lämmer, die auf den Wiesen herumsprangen wie die gebratenen Tauben im Schlaraffenland. Und wenn jetzt ein Müslifreak einwendet, Tauben seien nie auf Wiesen herumgesprungen, sondern auf Dächer geflogen, so muss man nur fragen: „Sind Sie dabei gewesen?“, und schon wird ihm seine Tofuschnitte kalt.

Um einen Trend zu erkennen, genügt es manchmal nicht, eine Zeitung zu kaufen. Ich persönlich würde es ja glauben, wenn ich dort lese: „Man isst wieder Fleisch.“ Weil es genau meine Situation betrifft. Drei Tage habe ich kein Fleisch gegessen, nur Hühnerbrühe mit Ingwer.

Ich war nämlich krank. Und wenn ich krank bin, esse ich immer Hühnerbrühe mit Ingwer. Zu der hat mir eine schöne Frau geraten. „Herr Siebeck“, hat sie gesagt, als ich röchelnd vor ihr lag, „in Ihrem Zustand gibt es nur eins: Hühnerbrühe mit Ingwer“.
Tatsächlich, es hat geholfen. Nach drei Tagen hatte ich wieder Appetit auf gebratene Gänseleber. Also habe ich meinen Lieferanten angerufen und Gänseleber bestellt. Und was soll ich sagen? Am selben Tag lese ich, dass der Vegetarismus an Boden verliert. Und schon wieder höre ich dieses Gemecker aus der Müslifraktion: „Hühnerbrühe enthält Hühnerfleisch, zählt also nicht!“

Zählt nicht?, zählt nicht? Jede Stimme zählt! Ich habe jedenfalls drei Tage lang kein Fleisch gegessen, auch kein Hühnerfleisch, sondern nur eine klare Hühnerbrühe mit Ingwer. Und das beweist doch meine vorübergehende Sympathie für den Vegetarismus. Während mein Hunger auf Gänseleber den neuen Trend bestätigt. „Was ja kein Wunder ist“, ruft mir mein Metzger nach, als ich seinen Laden verlasse. Mit mir gehen auch zwei Hunde, beide tragen einen leeren Korb in der Schnauze. „Hast du die Würste gesehen?“, fragt der eine Hund den anderen, wobei der Tragegriff des Korbs ihm die Artikulation erschwert. Es klingt wie „Haff hu he Wüffe gewehn?“ – „Natürlich“, antwortet der andere genau so undeutlich. „Alles Fabrikware. Voller Abfälle. Schweineschwänze und -pfoten. Sehnen vom Pferd und Aspirin.“ – „Fein. Das schützt vor Kopfschmerzen. Aber gemahlene Hühnerfüße mag ich nicht.“ – „Ich habe drei Tage keine Wurst gegessen. Auch keine Knochen.“ – „Typische Hundegrippe, wie?“ – „Genau. Mein Herrchen hat die Zeitung angerufen, ob sie nicht einen Artikel über einen Hund bringen wollten, der Vegetarier ist.“ – „Und? Schreiben sie über dich?“ – „Beinahe. Doch dann hat mich der Reporter gesehen, wie ich mit dem Hackfleisch aus der Küche gerannt bin.“ – „Und?“ – „Der schrieb dann, ohne mich zu erwähnen, Der Vegetarismus ist am Ende oder so ähnlich.“ – „Na ja, ganz unrecht hat er ja nicht.“ – „War ja auch von der WELT“, sagt der Korbträger. Es hört sich an wie waff, wauwau, weff.“

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