Forenübersicht RSS

Pressespiegel:
Dr. Dirk Stegen: Tierschützer, Amtsveterinär und Schlachthofleiter

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 3

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

Dr. Dirk Stegen: Tierschützer, Amtsveterinär und Schlachthofleiter

Autor: Achim Stößer | Datum:
Wenn Dr. Dirk Stegen sich im Spiegel und der taz über das Schächten ausläßt, fällt ein Detail unter den Tisch: Als Tierschützer müßte Stegen die Tiere vor sich selbst schützen - als Amtsveterinär die Vorgänge in dem Schlachthof, dessen Geschäftsführer er ist, kontrollieren. Das Ergebnis liegt auf der Hand: zahllose Tote.

Tierschutz: 'Das Messer war zu stumpf'

Autor: Achim Stößer | Datum:
Der Veterinär Dirk Stegen über den Widerstand der Amtstierärzte gegen das Schächten und die Folgen für das muslimische Opferfest

SPIEGEL: Auf dem Gelände des Karlsruher Schlachthofs haben Türken und Deutsche alljährlich das Opferfest gemeinsam begangen - ist es nach dem Streit ums Schächten damit nun vorbei?
Stegen: Warum denn? Wie immer ist hier das Zelt aufgebaut; die Türken, die bei uns von jeher ihre Schafe mit Elektrokurzzeitbetäubung rituell geschlachtet haben, feiern - und wir feiern mit.

SPIEGEL: Ist die Zahl der Anträge auf Erlaubnis zum betäubungslosen Schächten nach dem Karlsruher Urteil angestiegen?

Stegen: Bei uns hier in Karlsruhe hat sich die Zahl verdoppelt - auf 600 Anträge, die wir sämtlich abgelehnt haben. Auch Rüstem Altinküpe, der vor dem Verfassungsgericht gewonnen hatte, darf gegenwärtig nicht schächten; das Land Hessen hat die Erlaubnis zurückgezogen.

SPIEGEL: Warum denn das?

Stegen: Zwingende religiöse Gründe, wie sie auch das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, waren nicht schlüssig dargelegt.

SPIEGEL: Nach welchen Kriterien entscheiden die Veterinäre?

Stegen: Die Ministerien haben die ganze Last auf uns verlagert. Nun sollen wir fundiert beurteilen, ob Muslime eine "substanziierte und nachvollziehbare" Begründung vorbringen.

SPIEGEL: Und was für Gründe gelten als "nachvollziehbar"?

Stegen: Die Muslime müssen zwar keine Fundstelle im Koran vorweisen, nach der betäubungsloses Schlachten Gebot ist - die gibt es laut Auskunft islamischer Religionswissenschaftler auch gar nicht. Der Antragsteller darf jedoch niemals zuvor "haram"-Ware, also das Fleisch betäubter Tiere, verzehrt haben. Er muss ferner aufzeigen, dass es für ihn schwer wiegende Konsequenzen hätte, wenn er betäubte Tiere schlachten würde - etwa den Ausschluss aus seiner Religionsgemeinschaft oder Repressalien.

SPIEGEL: Welche Rolle spielt nun die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz?

Stegen: Dass Tierschutz Staatsziel geworden ist, erleichtert uns die Ablehnung von Schächt-Anträgen. Veterinäre können sogar, wenn sie das Schächten aus ethischen Gründen grundsätzlich nicht akzeptieren, jeden Antrag ablehnen - und das tun sehr viele, weil das betäubungslose Schächten nie tierschutzgerecht sein kann: Es ist mit erheblichen Schmerzen und Erstickungsanfällen verbunden.

SPIEGEL: Vorgeschrieben sind auch praktische Prüfungen?

Stegen: Ja. Die muslimischen Metzger müssen, wie ihre deutschen Kollegen, den Sachkundenachweis erbringen, der auch das tierschutzgerechte Zutreiben und Behandeln der Schlachttiere einbezieht. So sollen etwa Schafe zwischen die Knie genommen, nicht aber am Vlies gepackt werden, weil sie da hochempfindlich und verletzbar sind. Alle Muslime sind bei der letzten Prüfung auf unserem Schlachthof durchgefallen: Die interessierten sich nur fürs Schneiden.

SPIEGEL: Erlaubt der Koran denn, dass Tiere beim Schächten leiden?

Stegen: Er schreibt rücksichtsvollen Umgang mit den Tieren vor. Stattdessen waren die Messer der Prüflinge oft zu stumpf, oder sie wurden nicht richtig gehandhabt. Die Metzger mussten am betäubten Prüfungstier mehrfach nachschneiden. Dass da Defizite bestehen, zeigt auch der Ablauf der Opferfeste in den islamischen Ländern selbst: Weil blutende Opfer ihren ungeübten Schlachtern quer durch die Stadt davonlaufen und ein unschönes Bild abgeben, sollen in Istanbul diesmal städtische Helfer die flüchtenden Tiere einfangen.

SPIEGEL: Wie haben die muslimischen Metzger die Ablehnung aufgenommen?

Stegen: Sie schlachten jetzt wieder mit Betäubung. Die Türken sind durchaus obrigkeitshörige Menschen. Wenn die Behörde sagt, das geht nicht, akzeptieren sie das. Die durchgefallenen Prüfungskandidaten haben mit dem Kopf genickt und sind rausgegangen - in drei Monaten können sie wiederholen.

SPIEGEL: Hat das Karlsruher Urteil, wie damals behauptet, die Integration gefördert?

Stegen: Im Gegenteil. Das Beharren auf diesem unzeitgemäßen Anspruch führt bei der Bevölkerungsmehrheit zu Unverständnis. Es wollten ja immer nur wenige ohne Betäubung schächten - und die hatten sich, abgesehen von Altinküpe, damit abgefunden, dass es nicht erlaubt wurde. Wenn das Verfassungsgericht dieses Urteil nicht gesprochen hätte, wäre das überhaupt nicht zum Problem geworden.

SPIEGEL: Müssen sich die Veterinäre nun auf Klagen der islamischen Verbände einrichten?

Stegen: Eine solche Klage wäre durchaus willkommen, ich halte sie für einen sehr vernünftigen Weg zur weiteren Klärung der Rechtslage. Im Übrigen: Wenn die Veterinärämter nur genügend Rückgrat haben und begründet zurückweisen, wird das Gerangel um betäubungsloses Schächten in ein, zwei Jahren kein Thema mehr sein.

INTERVIEW: RENATE NIMTZ-KÖSTER
© DER SPIEGEL 7/2003
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,234353,00.html

Qual oder egal?

Autor: Achim Stößer | Datum:
Gegner des betäubungslosen Schächtens kritisieren, dass die Tiere dabei unnötig leiden. Muslime halten das Verfahren für tierfreundlich

GÖTTINGEN taz Handelt es sich beim betäubungslosen Schächten um eine "grausame Praxis", wie etwa der Karlsruher Veterinär Dirk Stegen meint, oder um "praktizierten Tierschutz", wie es die muslimischen Verbände sehen?

Tierschützer argumentieren, dass das Tier, wenn es nicht betäubt wird, seinen eigenen Tod bei vollem Bewusstsein miterlebt, weil es erst mehrere Sekunden oder gar Minuten nach dem Kehlenschnitt ohnmächtig wird. Erstickungsanfälle und Panik seien die Folge. Der deutsche Tierschutzbund forderte die in Deutschland lebenden Muslime deshalb auf, beim diesjährigen Opferfest auf die betäubungslose Schächtung zu verzichten: "Wenn gläubige Moslems dem Gebot des Islam gehorchen, Tiere möglichst schonend zu töten, dann müssen sie die Elektrobetäubung anwenden", erklärte der Vorsitzende Wolfgang Apel vergangene Woche.

Muslime halten dagegen, dass die islamischen Vorschriften zum Schächten äußerst tierfreundlich seien, ja sogar artgerechter als die Bestimmungen der industriellen Schlachtung. So dürfe das Tier beispielsweise das Schlachtwerkzeug zuvor nicht zu Gesicht bekommen und auch den Tod anderer Tiere nicht mit ansehen. Ihm müssen Futter und Wasser angeboten werden, und es soll vor der Schächtung beruhigt werden. Muslime, die das betäubungslose Schächten befürworten, gehen außerdem davon aus, dass der sachkundig durchgeführte Kehlenschnitt zu einem so schnellen Verlust des Bewusstseins führt, dass das Tier keinesfalls darunter leide. Tatsächlich gibt es bis heute keine allgemein anerkannte veterinärmedizinische Studie, die zu einem anderen Ergebnis kommt. "Die Annahme, das Tier werde beim Schächten gequält, basiert auf keinerlei wissenschaftlich nachweisbaren Argumenten", befand der Präsident der schweizerischen Israelitischen Kultusgemeinde, Alfred Donath in der Neuen Zürcher Zeitung, als er sich 2001 gegen entsprechende Vorwürfe von Tierschützern wehrte. Damals wurde in der Schweiz diskutiert, ob Juden das betäubungslose Schächten gestattet werden sollte.

Ein oft vernachlässigter Gesichtspunkt ist indessen, dass der Koran sich zur Frage der Betäubung nicht eindeutig äußert. Dort wird in Sure 5, Vers 3 lediglich vorgeschrieben, dass die Tiere geschächtet werden müssen - und das bedeutet: ausbluten. Denn im Islam besteht ein Bluttabu. Viele Muslime wollen unbedingt ohne Betäubung schächten, weil sie glauben, dass das Tier nur dann vollständig ausblutet - eine Annahme, der Veterinäre wie Dirk Stegen vehement widersprechen, die sich aber hartnäckig hält.

Es gibt auch ein religiöses Argument gegen die Betäubung: Muslimen ist der Verzehr von Verendetem, also nicht Geschächtetem, ausdrücklich untersagt. Wird ein Tier beim Betäuben versehentlich getötet, ist es damit ungenießbar, ja sogar verboten. Diese bei veralteten Betäubungsmethoden tatsächlich nicht unbegründete Angst schwingt bei vielen Muslimen bis heute mit.

YASSIN MUSHARBASH

taz Nr. 6977 vom 11.2.2003, Seite 6, 83 Zeilen (TAZ-Bericht), YASSIN MUSHARBASH
http://www.taz.de/pt/2003/02/11/a0102.nf/text