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Chuck Palahniuks Roman "Lullaby"

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 17

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Chuck Palahniuks Roman "Lullaby"

Autor: Achim Stößer | Datum:
Wer kennt ihn und kann zusammenfassen, wie die Veganer darin dargestellt sind?

Zitat: Die Nebenfiguren bringen ebenfalls nicht viel Licht in die Sache. Da gibt es Mona einerseits, die Helens Sekretärin ist und Carls verlorene Tochter sein könnte, und Oyster andererseits, der Monas Freund ist und Helens verlorener Sohn sein könnte. Beide gehören einem, wohl nicht sehr ernst zu nehmenden, modernen Hexenzirkel an, sind Klischee-Veganer und politisch korrekte Globalisierungsgegner. Aber auch diese Spezies gehört schließlich zum aktuellen Zirkus des modernen Informationszeitalters.

http://www.berlinerliteraturkritik.de/index.cfm?id=6604

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Andre | Datum:
Naja, die beiden angesprochenen Veganer, Mona und Oyster werden Anfangs irgendwie als Sektenanhänger dargestellt, was auch mit dem schon angesprochenen "Hexenzirkel" zu tun hat. Dieser Zirkel trifft sich in einer Wohnung, überall sind Kerzen aufgestellt, sie essen und rennen nackt rum.
Besonders die Figur Oyster ist sehr darauf fixiert den Leuten oft die Wahrheit über ihren Konsum von Tierprodukten zu erzählen.
Deswegen wird die Person, welche diese Kritik geschrieben hat, auch von "Klischee-Veganern" reden nehme ich an.
Palahniuk lässt Oyster dann auch über 2 Seiten wiedergeben was hinter den ganzen Tierprodukten jeweils wirklich für Leid steckt.
"Wenn man Oyster zugehört hat, empfindet man ein Glas Milch nicht mehr als nette Beigabe zu Schokoplätzchen. Sondern man denkt an Kühe, die mit Hormonen voll gepumpt und gezwungen werden, ständig schwanger zu sein. Man denkt an die unvermeidlichen Kälber, die, in enge gepfercht, ein paar elende Monate zu leben haben...."; usw. halt.

Palahniuk zieht das Thema eigentlich "hintergründig" durch den ganzen Roman und lässt es immer wieder aufblitzen. In seinen anderen Büchern kann man ähnliches feststellen finde ich, aber in Lullaby ist es wohl am deutlichsten.
Habe nicht rausfinden können ob Palahniuk selber Veganer ist, wäre vielleicht interessant zu wissen.

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Palahniuk lässt Oyster dann auch über 2 Seiten wiedergeben
> was hinter den ganzen Tierprodukten jeweils wirklich für Leid

Könntest Du die zwei Seiten vielleicht mal einscannen? Hört sich ja interessant an.

> Palahniuk zieht das Thema eigentlich "hintergründig" durch
> den ganzen Roman und lässt es immer wieder aufblitzen. In
> seinen anderen Büchern kann man ähnliches feststellen finde
> ich, aber in Lullaby ist es wohl am deutlichsten.
> Habe nicht rausfinden können ob Palahniuk selber Veganer ist,
> wäre vielleicht interessant zu wissen.

Hm, dann stellt sich aber die Frage, warum die beiden (!) Veganer dann "sektenhaft" dargestellt werden.

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Sebastian Vollnhals | Datum:
> Hm, dann stellt sich aber die Frage, warum die beiden (!)
> Veganer dann "sektenhaft" dargestellt werden.

Aus wieviel Leute besteht eigentlich die "Maqi-Sekte"?

*scnr*

Ich denke, dass gerade die Tatsache, dass nur einige wenige zu einer Sekte gehoeren, ein Merkmal einer Sekte sein kann. Sobald
- relativ ausgedrueckt - viele zu einer Sekte gehoeren, kannst
Du es ja schon als etablierte Religion bezeichnen. Als Beispiel
nur Sekten wie die "katholische Kirche" oder "Die Tierschutzpartei".

btw zum Thema Sekten:

vorsichtsatire
http://yetzt.free.fr/rumpelkammer/veganbild.jpg
/vorsichtsatire

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
Sebastian Vollnhals schrieb:
>
> > Hm, dann stellt sich aber die Frage, warum die beiden (!)
> > Veganer dann "sektenhaft" dargestellt werden.

Mit der Hervorhebung war (ich dachte, das wäre offensichtlich) nicht gemeint, daß die "Sekte" aus (nur) zwei Personen besteht (das ist, soweit ich weiß, nicht der Fall, vielmehr sind auch viele andere, aber eben Nichtveganer, in dieser Sekte), sondern daß beide (also alle in dem Roman vorkommenden) Veganer in dieser Sekte sind, keiner vernünftig.

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Sebastian Vollnhals | Datum:
ok, flasch verstanden.

also handelt es sich nicht um die viel(gepriesen|verteufelt)e "veganersekte" sondern viel mehr um bekloppte sektenenahaenger die - ganz dogmatisch - vegan sind, was ihre darstellung als spinner noch untermauert. hmmm. vermutlich meint der autor irgendwelche peta-zombies, von daher kann ich sein bild veganer menschen irgendwie verstehen, leider.

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
> also handelt es sich nicht um die viel(gepriesen|verteufelt)e
> "veganersekte" sondern viel mehr um bekloppte
> sektenenahaenger die - ganz dogmatisch - vegan sind, was ihre
> darstellung als spinner noch untermauert. hmmm. vermutlich

Naja, eine andere Anhängerin der Sekte ist wohl eine massenmordende Immobilienmaklerin, von daher ...

> meint der autor irgendwelche peta-zombies, von daher kann ich
> sein bild veganer menschen irgendwie verstehen, leider.

(OT: Hm, ich bezweifle, daß viele Leute Veganismus mit Peta (oder umgekehrt) assoziieren, von daher können wir fast froh sein, daß sie immer von Vegetarismus faseln ...)

Aber Palahniuks Buch scheint recht witzig zu sein, u.a. geht es, habe ich vorhin einer Rezension ennommen, um früher von irgendwelchen Seefahrern auf Inseln zwecks zukünftiger "Fleischversorgung" ausgesetzte Schweine, und ein Protagonist fragt, wann wohl Gott mit einer Riesenflasche Barbeque-Sauce zurückkommt oder so ...

In Palahniuks "Fight Club" kam doch auch die Seife aus Schönheitschirurgieklinikabsaugfett vor?

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Sebastian Vollnhals | Datum:
> In Palahniuks "Fight Club" kam doch auch die Seife aus
> Schönheitschirurgieklinikabsaugfett vor?

*_DER_* ist das? wow. jetzt bringst du mich schon dazu, mir buecher besorgen zu wollen, von denen ich noch nie gehoert hab :)

wenn du es gelesen hast, magst du mir/uns dann sagen, ob es sich gelohnt hat?

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
> wenn du es gelesen hast, magst du mir/uns dann sagen, ob es
> sich gelohnt hat?

Ich weiß noch nicht, ob ich es lesen werde; hört sich zwar interessant an, was ich bisher so in Rezensionen gelesen habe, aber ist ja auch eine Zeitfrage. Wenn, dann sicher nicht in nächster Zukunft.

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Andre | Datum:
So, habe nun einige Sachen eingescannt. Sind zwar nicht alle Stellen die sich mit "dem Thema" beschäftigen, aber die relevantesten wie ich finde.

http://land.heim.at/pampa/250904/Lullaby1.jpg
http://land.heim.at/pampa/250904/Lullaby2.jpg
http://land.heim.at/pampa/250904/Lullaby3.jpg
http://land.heim.at/pampa/250904/Lullaby4.jpg

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
Andre schrieb:
>
> So, habe nun einige Sachen eingescannt. Sind zwar nicht alle
> Stellen die sich mit "dem Thema" beschäftigen, aber die
> relevantesten wie ich finde.

Ah, danke. Das erste und das letzte Beispiel hört sich gut an (obwohl, ein Roman im Präsens? Naja ...). Der kursive Text ist aber etwas, hm, merkwürdig.

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: VolkerK | Datum:
Anhand der Auszüge ist anzunehmen, dass das mit der Esotherik-Sekte durch Seelenwanderung, außerkörperliche Erlebnisse etc. Empathie greifbar machen soll. Hexenkulte haben z.T. Riten, durch die versucht wird, die Seele in einen Tierkörper zu setzen und als Katze/Adler/Wolf etc. die eigene Wahrnehmung zu sprengen. Am Ende stecken mitunter wieder altbekannte Haluzinogene wie Muttekorn dahinter ;-)

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: VolkerK | Datum:
Achim Stößer schrieb:

> Hm, dann stellt sich aber die Frage, warum die beiden (!)
> Veganer dann "sektenhaft" dargestellt werden.

Es ist ein verbreitetes Stilmittel, erst die Vorurteile und Klischees bei den LeserInnen auszunutzen, um dann das Bild zu kippen. Siehe auch Nick Hornby, How to be Good, dort "DJ Good Times".

V.

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Es ist ein verbreitetes Stilmittel, erst die Vorurteile und
> Klischees bei den LeserInnen auszunutzen, um dann das Bild zu

Scheint mir, soweit ich das, ohne den Roman gelesen zu haben, beurteilen kann, hier aber nicht vorzuliegen.

Achim

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: VolkerK | Datum:
Hab gestern mit der Lektüre angefangen, sehr kompakte, bildhafte Ausdrucksweise. Er schreibt mit sparsamen Worten im einen Moment sehr ironisch und lässt Dich im nächsten Moment in der bitteren (Roman-)Realität aufschlagen. Erinnert mich insofern nicht nur wegen des Präsens etwas an Nick Hornby, nur blutiger.

Das Buch ist literarisch sehr gut. Mal sehen, was es an TR-Message bringt.

V.

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: VolkerK | Datum:
Also, die TR-Message ist ... sagen wir mal: Durchwachsen.

Es kommen in der Länge zwei Veganer vor (die allerdings meist nur als Vegetarier bezeichnet werden, was auch an der Übersetzung liegnen kann). Diese sind ca. 20 und mit den beiden rund 40 Jahre alte Protagonisten unterwegs, um alle Bücher mit dem verhängnisvollen Gedicht zu vernichten und das Grimoire aufzufinden, aus dem das Gedicht offenbar stammt.

Dabei wird klar, dass die beiden Veganer sehr unterschiedliche Menschen sind: Sie wirkt naiv und infantil, deeskaliert jedoch einige Situationen. Er scheint intellektuell und gebildet, ist jedoch agressiv und schreckt am Ende auch vor einem Mord nicht zurück.

Insgesamt wird an sehr vielen Stellen thematisiert, wie die Menschheit, exemplarisch an den USA gezeigt, in natürliche Kreisläufe eingegriffen hat und dan nversucht, durch weitere Eingriffe die Nebenwirkungen der ersten Eingriffe zu beseitigen (was bekanntlich zu nicht endenden Ketten von weiteren Eingriffen gegen die Nebenwirkungen der Korrekturen führt). Das sind so in etwa Agumentationsketten, die ich eher bei der Erdbefreiungsfront als in der TR-Szene vermuten würde.

Diese Beschreibungen und die z.T. zynischen Reaktionen der älteren Protagonisten werden wohl bei den meisten LeserInnen eine Grundbetroffenheit erzeugen.

Am Ende kippt die Geschichte: Die Veganer ziehen mit dem Grimoire und etlichen daraus übersetzen Zaubersprüchen los und lassen Wunder geschehen (Sprechende Judaskuh, die einen ganzen Ort zu vegetarischen Hindus macht, Industriestadt, die in Efeu erstickt und dadurch lahm gelegt wird, Samariter, der am Highway totgefahrene Tiere wieder belebt etc). Die beiden anderen Personen ziehen los, um die beiden Wundertätigen zu stoppen.

Ich kann mir da einen ähnlichen Effekt vorstellen (bei nichtveganen LeserInnen) wie bei einem Krimi aus der Täterperspektive. Es gibt da eine ganze Reihe sehr guter Geschichten, die die Entwicklung zum Täter hin so mitfühlbar machen, dass die LeserInnen sich am Ende mit der Tat identifizieren. Das hat einen "Schockeffekt" und fördert in der Regel die emotionale Distanzierung von der Tat.

Der Protagonist Streator ist durch und durch ein Unsympath. Die Beiläufigkeit der Erzählung schafft eine Beiläufigkeit der menschlichen Leichen, die im Text immer wieder in Relation gesetzt werden zu den ebenso beiläufigen nichtmenschlichen Todesfällen. Seine teilweise absurden Beschreibungen, wie etwa der Running Joke in der übergenauen Beschreibung von Farben, lassen immer die Frage offen, was der Autor beim Schreiben geraucht hat.

Inwieweit Palahniuk Menschen ein Stück weit an TR-Positionen heranbringt, ist also schwer zu sagen. Zumindest hab ich keine Rezension gefunden, die das thematisiert, denn typischerweise wäre das ein Grund zum Ablehnen des Romans. So wird er durch die Bank hoch gelobt.

V.

Re: Chuck Palahniuks Roman

Autor: Andre | Datum:
Habe nun doch herausgefunden ob Palahniuk Veganer ist und zwar in den FAQ auf seiner Homepage (www.chuckpalahniuk.net).

1: Is he a vegetarian or a vegan?
No. He was a vegan for a short time after his father's death but is no longer a vegetarian or a vegan.
Andre schrieb:
>
> Naja, die beiden angesprochenen Veganer, Mona und Oyster
> werden Anfangs irgendwie als Sektenanhänger dargestellt, was
> auch mit dem schon angesprochenen "Hexenzirkel" zu tun hat.
> Dieser Zirkel trifft sich in einer Wohnung, überall sind
> Kerzen aufgestellt, sie essen und rennen nackt rum.
> Besonders die Figur Oyster ist sehr darauf fixiert den Leuten
> oft die Wahrheit über ihren Konsum von Tierprodukten zu
> erzählen.
> Deswegen wird die Person, welche diese Kritik geschrieben
> hat, auch von "Klischee-Veganern" reden nehme ich an.
> Palahniuk lässt Oyster dann auch über 2 Seiten wiedergeben
> was hinter den ganzen Tierprodukten jeweils wirklich für Leid
> steckt.
> "Wenn man Oyster zugehört hat, empfindet man ein Glas Milch
> nicht mehr als nette Beigabe zu Schokoplätzchen. Sondern man
> denkt an Kühe, die mit Hormonen voll gepumpt und gezwungen
> werden, ständig schwanger zu sein. Man denkt an die
> unvermeidlichen Kälber, die, in enge gepfercht, ein paar
> elende Monate zu leben haben...."; usw. halt.
>
> Palahniuk zieht das Thema eigentlich "hintergründig" durch
> den ganzen Roman und lässt es immer wieder aufblitzen. In
> seinen anderen Büchern kann man ähnliches feststellen finde
> ich, aber in Lullaby ist es wohl am deutlichsten.
> Habe nicht rausfinden können ob Palahniuk selber Veganer ist,
> wäre vielleicht interessant zu wissen.