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Tierrechtsforum:
EU Lobbyistenpolitik im Falle "intellectual property"

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EU Lobbyistenpolitik im Falle "intellectual property"

Autor: Reina | Datum:
Hi,

etwas Offtopic, aber ein erschreckendes Beispiel dafür, wie Lobbygruppen auf europäischer Ebene die Politik bestimmen. Zudem ist das Thema wegen der hohen gesellschaftlichen und computernutzerbezogenen Relevanz wichtig.


Das Europaparlament hat der umstrittenen "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum" des Rats der EU zugestimmt.

Ursprünglich gegen kommerzielle Produktpiraterie gerichtet, wurden unter Druck der Musik- und Filmindustrie die drastischen Strafen des Entwurfs auch auf Privatkopierer, CD-Brenner und die Nutzer von Online-Tauschbörsen ausgeweitet und triviale Softwarepatente, welche das Parlament im September abgelehnt hat, durch die Hintertür wieder eingeführt.

Es sei hinter verschlossenen Türen mit der Parlamentsberichterstatterin Janelly Fourtou, Gattin des Vivendi-Chefs, ohne echten Einbezug der Volksvertreter und in Anwesenheit der großen Industrielobbys in aller Schnelle verhandelt worden. Bürgerrechtler sprechen gar von "Taschenspielertricks" der EU-Bürokratie angesichts der vorgezogenen Absprachen mit dem Rat.

Nutzerlobbys wie die "European Digital Rights"-Initiative (EDRi), die Initiative Privatkopie.net oder das Grünen-nahe Netzwerk Neue Medien malen Schreckensszenarien mit "Hausdurchsuchungen und Kontosperrungen bei Jugendlichen" an die Wand. Es sei eine "vollkommen unverhältnismäßige Richtlinie" auf den Weg gebracht worden, die "Tauschbörsen-Nutzer mit dem Organisierten Verbrechen gleichsetzt."

Die Musikindustrie bemüht sich nun um eine zügige Regelung für Auskunftsansprüche gegen Internet-Provider.


Quelle: Europaparlament bläst zum Halali auf die Tauschbörsen-Nutzer


Hinweise:

Verhalten bei Hausdurchsuchungen, Daten verschlüsseln




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Gemeinsame Pressemitteilung vom Netzwerk Neue Medien und dem Verein zur Förderung der Freien Software in Österreich:

Breite Koalition aus Bürgerrechts-, Freie Software- und Verbraucherschutzverbänden kritisiert scharf die heute im Europaparlament beschlossene Richtlinie zur Durchsetzung von Geistigem Eigentum.

Massive Kritik kam auch von zahlreichen Unternehen und deren Interessensvertretungen, wie etwa der Oesterreichischen Wirtschaftskammer oder Sun Microsystems. Juengst reihte sich auch das britische House of Lords in die Reihen der IP-Enforcement Gegner ein.

Ohne grosse Diskussion ist heute in Strassburg direkt nach der ersten Lesung die Richtlinie zur Durchsetzung von Geistigem Eigentum abgestimmt worden. Während bei weniger umstrittenen Richtlinien zwei Lesungen üblich sind, wurde diesmal durch Geschäftsordnungstricks nur eine in Anspruch genommen. Der Abstimmungstermin war erst seit Freitag bekannt, Änderungsantraege wurden nicht mehr zugelassen.

Eine Koalition aus vielen europäischen Bürgerrechts- und Verbraucherschutz-Organisationen warnt seit Monaten vor den Auswirkungen der Richtlinie auf Bürger-, Verbraucherrechte, Innovation und Wettbewerb.

Die Richtlinie wurde ursprünglich Anfang 2003 von der EU-Kommission gegen kommerzielle Produktfälschung und -piraterie auf den Weg gebracht. Die im Europaparlament für die Richtlinie federführende Abgeordnete, J. Foutrou, brachte weitere Änderungen hinein. Nun fällt z.B. auch das private, nicht kommerzielle Kopieren von Musik darunter. "Besonders pikant ist, dass Frau Fourtou mit dem Vorstandsvorsitzenden von Vivendi-Universal verheiratet ist, einem der grössten Nutzniesser dieser Richtlinie. Hier wird ein grosses Demokratie-Defizit offensichtlich, das Assoziationen an einen Bananen-Staat weckt.", so Markus Beckedahl für das Netzwerk Neue Medien.

Erschreckend fuer die Bürgerrechtler war auch das Des-Interesse und das Nicht-Wissen der Europaparlamentarier. "Nur sehr wenige Abgeordnete haben sich inhaltlich mit der juristisch schlecht ausgearbeiteten Richtlinie beschäftigt und an diesen orientieren sich die anderen. Hier wurde von Seiten der Parlamentarier leichtfertig die Chance zur Gestaltung vergeben."

Beckedahl weiter: "Wieder einmal wurde die Balance zwischen den Interessen der Rechteinhaber und den Interessen der Gesellschaft verschoben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Hausdurchsuchungen und Kontosperrungen bei Jugendlichen kommen. Hier wurde vollkommen unverhaltnismässig eine Richtlinie auf den Weg gebracht, die ihren ursprünglichen Zweck aus den Augen verloren hat und jugendliche Tauschbörsen-Nutzer mit dem Organisierten Verbrechen gleichsetzt. Dabei werden den Rechteinhabern Instrumente der Selbstjustiz zur Verfügung gestellt, die den Datenschutz aushebeln und Internetprovider zu Hilfspolizisten machen."

"Die IP-Mafia hat es diesmal mit Taschenspielertricks geschafft, das Parlament faktisch auszuschalten, obwohl in den letzten Wochen immer mehr MEPs - wie etwa die österreichische Delegation - die Gefahren der Richtlinie richtig erkannt haben. Man wollte mit allen Mitteln verhindern, dass sich das Parlament ein weiters mal schützend vor die europäischen Klein- und Mittelständischen Unternehmen und Konsumenten stellt, so wie das bereits in der Frage der Softwarepatente geschieht.", sagte Georg Jakob vom Verein zur Förderung der Freien Software in Österreich.

Mehr Informationen gibt es in englischer Sprache unter
www.ipjustice.org/CODE/.

Netzwerk Neue Medien e.V., www.nnm-ev.de

Verein zur Förderung der Freien Software, www.ffs.or.at