Dazu gibt es auch einen Bericht im offenem AJ-Forum vom 30.6.02
Infrarot bewahrt Kitze vor dem Tod
http://forum.webtropia.com/ajfajsefj/?nachricht=1137526
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Infrarot bewahrt Kitze vor dem Tod
Jagdgenossenschaft Wilgersdorf setzt »Wildretter« ein/Gerät aus der Raumfahrt dient Tierschutz
blum Wilgersdorf. Im letzten Augenblick kann der Bauer seinen mit einem Mähwerk bestückten Traktor anhalten. Nur durch einen Zufall hat er das Kitz im Gras entdeckt. Dieser Zufall, der dem Kitz das Leben rettete, ist leider ein Einzelfall. Jährlich sterben bei Mäharbeiten in der Bundesrepublik Deutschland Zehntausende von Kitzen und Junghasen.
»Die Evolution hat nicht an die Technik gedacht«, erklärt Kurt Moll, Ehrenvorsitzender der Kreisjägerschaft. Kitze und Junghasen duckten sich bei Gefahr instinktiv auf den Boden anstatt die Flucht zu ergreifen. Bestehe die Gefahr aus einem Traktor mit Mähwerk, sei sie dann absolut tödlich. Wie Moll berichtet, hat der »Mähtod« in den letzten Jahren gewaltig zugenommen. Ursache sei vor allem die veränderte Landwirtschaftsstruktur, weg von der ursprünglichen Dreifelderwirtschaft, hin zur Monokultur Grünland.
Auch in Wilgersdorf gibt es noch zwei Vollerwerbslandwirte und vier Nebenerwerbslandwirte, die zusammen rund 400 Hektar Land, überwiegend Grünland, bearbeiten. So kam es auch im Bereich der Jagdgenossenschaft Wilgersdorf immer wieder vor, dass Kitze oder Junghasen den »Mähtod« fanden. Sehr zum Leidwesen der Jäger und Bauern. »Auch herkömmliche Methoden wie Verstänkern, Anmähen oder Scheuchen garantieren keinen absoluten Schutz vor dem Mähtod, da sie nur von begrenzter Wirkungsdauer sind«, betont Edwin Dechert, Berufsjäger und Betreuer des fast 1000 Hektar großen Wilgersdorfer Reviers. Denn wenn diese Maßnahmen die Wirkung verloren hätten, führten die Ricken ihre Kitze wieder an den alten Platz zurück und der »Mähtod« drohe erneut.
Also suchten die Wilgersdorfer Jagdgenossen nach einer zuverlässigen Methode und wurden dabei in Bayern fündig. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Institut für Optoelektronik in Weßling bei München hatte man ein Gerät entwickelt, mit dem man im Gras liegende Jungtiere aufspüren kann. Das Gerät mit dem Namen »Wildretter« arbeitet mit Infrarot und reagiert auf Wärme. Es besteht aus einer zentralen Steuereinheit mit seitlich angebrachten Teleskopstangen, an denen auf jeder Seite fünf Sensoren angebracht sind. In vollständig ausgefahrenem Zustand besitzt der »Wildretter« eine Gesamtbreite von sechs Metern, was der im Siegerland üblichen Mähbreite entspricht.
Edwin Dechert: »Nach dem Transport zum Einsatzort wird das Gerät aus dem Tragekoffer genommen und auseinandergezogen und mit einem Trageriemen um den Hals gehängt. Danach stellt man auf der zentralen Steuereinheit die gewünschte Empfindlichkeit ein und macht sich dann auf den Weg durch die Wiese, die gemäht werden soll.« Bei seinem Gebrauch in der Natur erinnert der sechs Meter breite »Wildretter« an die Balancierstange eines Akrobaten.
Entdeckt der »Wildretter« eine Wärmequelle, dann gibt er einen unüberhörbaren Piepston von sich. Gleichzeitig zeigt er auf dem Display der zentralen Steuereinheit an, welcher der zehn Sensoren auf eine Wärmequelle gestoßen ist. Dechert: »In diesem Bereich muss man dann nachschauen, ob dort ein Kitz oder ein Junghase liegt.« Doch nicht immer sind es bedrohte Lebewesen, die der »Wildretter« meldet. Es können ebenso durch das Sonnenlicht erwärmte Steine oder Maulwurfshügel sein, die den Piepston hervorrufen. Deshalb ist es laut Dechert am günstigsten, die betreffende Wiese entweder am Morgen oder in den frühen Abendstunden abzuschreiten.«
Ganz wichtig für den effektiven Einsatz des Gerätes ist die Zusammenarbeit von Jägern und Landwirten. Die funktioniert in Wilgersdorf zur Zufriedenheit aller. Das Gerät ist im Haus von Edwin Dechert untergebracht und befindet sich immer im abhol- und einsatzbereiten Zustand. Ruft ein Landwirt an und teilt mit, dass er eine Wiese mähen will, machen sich Dechert oder einer der drei Helfer Erhard Kühn, Hubertus Neuser und Helmut Böcking auf den Weg zum Einsatzort. »Wichtig ist, dass die Wiese unmittelbar vor dem Mähen untersucht wird. So ist garantiert, dass nach der Untersuchung kein Kitz mehr auf die Wiese gelangt«, betont Edwin Dechert.
Die Bilanz, die die Jagdgenossen nach der relativ kurzen Erprobungs- und Einsatzphase ziehen können, ist sehr positiv. Im vergangenen Jahr registrierte man den Verlust von zwölf Kitzen durch den »Mähtod«. In diesem Jahr wurden vom »Wildretter« bereits fünf Kitze geortet und in Sicherheit gebracht, die sonst wahrscheinlich im Mähwerk umgekommen wären. Am vergangenen Samstag fand man ein vier Tage altes Kitz. Da sich der Setztermin für Rehe über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen erstreckt und die Jungtiere erst im Alter von drei Wochen bei Gefahr von sich aus die Flucht ergreifen, wird der »Wildretter« noch einige Wochen in Wilgersdorf aktiviert werden müssen.
Doch diese durchaus zeitaufwändige Arbeit nehmen Edwin Dechert und seine Helfer gerne auf sich, denn für sie beinhaltet Jägerei auch Tierschutz. Deshalb sprach sich auch der Jagdvorstand dafür aus, das 1200 Euro teure Gerät anzuschaffen, um so dem Wild zu helfen. »Die Evolution ist von der durch den Menschen entwickelten Technik überrollt worden. Deshalb muss jetzt der Mensch der Natur helfen«, betont Kurt Moll.
Ausgabe vom 29. Juni 2002
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