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Tierrechtsforum:
Affenrechte dank Speziesismus

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 11

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Affenrechte dank Speziesismus

Autor: martin | Datum:
Mehr Rechte für Affen (ob Menschenrechte für Affen, Tierversuchsverbot oder "Zoo"verbot), meist nur Menschenaffen, wurden schon immer explizit speziesistisch begründet: sie hätten sie verdient, weil sie dem Menschen ähnlicher wären als andere Tiere. Viele neue Tierschützer und einige wenige Tierrechtler waren der Meinung (wenn auch mit unterschiedlichen Zielen), es könnte eine Türöffnerfunktion für das Zugeständnis von Rechten an nichtmenschliche Tiere haben.
Die Urteilsbegründung des Schweizer Bundesgerichts gegen die Durchführung von Affenversuchen am Institut für Neuroinformatik an der Universität Zürich spricht die deutliche Sprache des Speziesismus.
Zitat: Für ein Verbot des beantragten Versuches spricht laut Bundesgericht zudem, dass die Primaten eine «sehr starke genetische und sinnesphysiologische Nähe» zum Menschen aufweisen. Je näher das Tier dem Menschen steht, desto mehr Gewicht kommt der Belastung der Tiere zu und desto wahrscheinlicher ist die Unverhältnismässigkeit des Versuchs.
(NZZ, 04.11.09)

Der hochgelobte "Paradigmenwechsel" (das Tierleid schwerer zu gewichten als den "Versuchsnutzen") bleibt damit genau an der Stelle stecken, die vermutet wurde: die Höhe des Tierleides wird an der Menschennähe definiert. Da es keine Tiere gibt, die näher am Menschen stehen als Affen, läßt sich dieser "Erfolg" nicht ohne weitere argumentative Verbiegungen auf andere Tiere anwenden.
Mehr Rechte für Affen oder andere höher entwickelte Säugetiere zu fordern, festigt den Speziesismus und beweist nur einmal mehr: Reformismus funktioniert nicht.

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: Urs | Datum:
Joan Dunayer geht in ihrem Buch auch auf die speziesistische Begründung von Affenrechten ein.

Die Frage, die ich mir gerade stelle: Wenn man Affenrechte nicht speziesistisch begründet, also moralisch korrekt mit einer Argumentationsweise, die alle empfindungsfähigen Lebewesen einschliesst, jedoch aus strategischen Gründen einmal den Grundstein für Tierrechte legen möchte, indem man diese mal für Primaten fordert, worauf logischerweise anhand der gleichen Argumentation alle anderen Arten auch zu diesen Schutzrechten kommen, ist dies dann abolitionistisch?

Man wirft uns ja immer vor, wir hätten eine "alles oder nichts" Haltung. Nun bin ich mir nicht wirklich im klaren, wie eine Schritt für Schritt Vorgehensweise denn abolitionistisch aussehen könnte.

Wenn etwas in dieser Art schon besteht, bitte ich um eine Verlinkung darauf. Danke.

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: Achim Stößer | Datum:
Ich verstehe Deine Frage nicht.

Achim

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: Urs | Datum:
Oh, dann nochmal in einer hoffentlich verständlicheren Kurzform:

Ist es abolitionistisch, Tierrechte aus strategischen Gründen "Schritt für Schritt" zu verlangen? Zuerst Rechte für Affen, dann vielleicht Säugetiere, Vögel...

Natürlich mit einer nicht-speziesischten Argumentation, nicht so wie beim GAP.

Oder ist es nur abolitionistisch, wenn man solange den Veganismus verbreitet, dass man schliesslich durch einen Mehrheitsentscheid Rechte für alle empfindungsfähigen Lebewesen durchsetzen kann?

Ich glaube irgendwo in Franciones Buch "Rain without thunder" geht er auf ein stufenweises, abolitionistisches Vorgehen ein. Habs aber noch nicht gelesen.

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: martin | Datum:
Urs schrieb:
>
> Joan Dunayer geht in ihrem Buch auch auf die speziesistische
> Begründung von Affenrechten ein.

Sie richtet sich - zur Zusammenfassung für die, die es nicht gelesen haben - gegen das Great Ape Project (GAP), das wesentlich von Singer mitgeleitet wurde/wird, und bezeichnet es als Beispiel für Neuspeziesismus. Ihre Hauptkritik richtet sich dagegen, daß die Begründung, weshalb Menschenaffen Rechte bekommen sollen, auf ethisch irrelevanten Kriterien beruht (komplexe Emotionalität, komplexes Sozialverhalten, Selbsterkenntnisfähigkeit usw.). Daß ist neuspeziesistisch, weil zwar die Speziesgrenze überschritten wird (altspeziesistisch würde die alleinige Grenze zur Ablehnung genügen), aber die Begründung sich auf Kriterien bezieht, die bei Menschen ethisch irrelevant sind* und deshalb konsequent antispeziesistisch auch bei nichtmenschlichen Tieren irrelevant sein müssen.

*) Als Beispiel wird auch ein Gerichtsbeschluß herangezogen, der einem Behinderten mit dem IQ von 5 volle Menschenrechte zuspricht, der also über keine der genannten Eigenschaften verfügt.

> Ist es abolitionistisch, Tierrechte aus strategischen Gründen
> "Schritt für Schritt" zu verlangen? Zuerst Rechte für Affen,
> dann vielleicht Säugetiere, Vögel...
>
> Natürlich mit einer nicht-speziesischten Argumentation, nicht
> so wie beim GAP.

Das ist ja auch ihre Meinung. Also daß die Forderung nach Menschenrechten für Affen oder Delfine sinnvoll sein kann, wenn es mit nichtspeziesistischer Argumentation erfolgt. Sie nennt als Analogie, daß die Forderung nach Menschenrechte für Schwarze bei der Abschaffung der nordamerikanischen Sklaverei nicht bedeutet (hat), daß Andersfarbige keine bekommen sollten. Diese Analogie ist m.E. falsch, da es kein Nebeneinander von Schwarzen und Andersfarbigen gab, aber das zentrale Problem ist.

> Oder ist es nur abolitionistisch, wenn man solange den
> Veganismus verbreitet, dass man schliesslich durch einen
> Mehrheitsentscheid Rechte für alle empfindungsfähigen
> Lebewesen durchsetzen kann?

Es ist in erster Linie eine argumentative/strategische Frage. Wie soll man argumentativ umsetzen, daß zwar Affen/Delfine zuerst Rechte bekommen sollen, aber alle anderen Tiere mit Bewußtsein eigentlich auch (nur nicht gleichzeitig, aber eigentlich doch usw.)? Man kann es nicht begreiflich machen und die Folge ist, daß als Begründung immer mit Menschenähnlichkeit oder andere ethisch irrelevante Kriterien (Intelligenz) verstanden werden und das eben den Speziesismus verschlimmert.
Natürlich wäre an einem Gesetz, daß einer einzelnen Spezies Grundrechte aufgrund antispeziesistischer Argumentation zugesteht, nicht schlecht per se, aber ein solches ist eben z.Z. rein hypothetisch.

Was Francione mit "schrittweise" meint, sind eben abolitionistische Gesetze, die es geben kann, aber das eben genannte kann m.E. nicht so umgesetzt werden.

> Man wirft uns ja immer vor, wir hätten eine "alles oder
> nichts" Haltung. Nun bin ich mir nicht wirklich im klaren,
> wie eine Schritt für Schritt Vorgehensweise denn
> abolitionistisch aussehen könnte.

"Alles" fordern wir ohnehin nicht. Wir fordern lediglich elementare Grundrechte für Tiere mit Bewußtsein und Veganismus als grundlegende Umsetzung dieser Ethik. Das sind nur Minimalforderungen. Der zweite Teil dieses Vorwurfs ist genauso Unsinn, da es bedeuten würde, eher keine Ethik als diese zu fordern und das macht auch niemand.


Übrigens verbietet das Schweizer Gesetz doch keine Affenversuche, sondern nur in diesem einen Fall. Es ist also noch weniger, als es überhaupt wäre.
Zitat: In der nun veröffentlichten Begründung halten die Lausanner Richter fest, das Verbot für die Versuche in den beiden konkreten Fällen statuiere kein absolutes Verbot für Versuche mit nicht-menschlichen Primaten beim Schweregrad zwei oder drei auf der dreistufigen Skala, mit der das Leiden der Tiere gemessen wird. Massgebend für die Zulässigkeit von Tierversuchen seien vielmehr die Gewichtung der einzelnen Interessen und die Interessenabwägung.
(SF Tagesschau, 04.11.09)

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: Urs | Datum:
Danke Martin, für deine ausführliche Antwort. Ich sehe, dass Dunayer da vielleicht noch etwas ihren Standpunkt hätte präzisieren können, auch wenn an ihrem Buch sonst fast nichts auszusetzen ist. Ist auf jeden Fall das Werk, dass ich Einsteigern in die Tierrechtsszene zuerst empfehle.

Weitreichende Veganismusaufklärung muss demnach wirklich unser Hauptanliegen sein. Ein Anstoss mehr hoffentlich für diejenigen (die es in diesem Forum zum Glück nicht oft gibt), die sich von sogenannten, inexistenten "Vorstufen von Tierrechten", also Tierschutzreformen, verlocken lassen.

Re: Affenrechte dank Speziesismus

Autor: martin | Datum:
Urs schrieb:
>
> Danke Martin, für deine ausführliche Antwort. Ich sehe, dass
> Dunayer da vielleicht noch etwas ihren Standpunkt hätte
> präzisieren können, auch wenn an ihrem Buch sonst fast nichts
> auszusetzen ist. Ist auf jeden Fall das Werk, dass ich
> Einsteigern in die Tierrechtsszene zuerst empfehle.

Hm ich bin noch etwas skeptisch mit einer generellen Empfehlung. Ein Problem wurde ja eben angesprochen und auch die Kritik an Francione ist zumindest an der einen Stelle auf unrepräsentative und im Zusammenhang anders zu betrachtende Formulierungen bezogen zu sein (was nicht heißt, daß es an ihm gar nichts zu kritisieren sei).

Wenn du mit Lesen fertig bist, kannst du ja mal etwas dazu schreiben, wenn du willst.

Tierausbeuter heulen sich aus

Autor: martin | Datum:
Auch wenn diese Versuchs-Verbote auf tiefstem Speziesismus beruhen, so habe ich doch wenig Mitleid mit den armen Forschern, deren Tierquälerei dadurch beschränkt wurde. Sie finden das natürlich schrecklich.

Die Aussagen (unterstrichen) zeigen dabei einerseits, wie wenig dieses Urteil auch nur auf annährend in Richtung Tierrechte weist, und andererseits ihre absurden Rechtfertigungsversuche.
Zitat: «Tierversuchskommission agierte willkürlich»

Die vom Verbot der Affenversuche betroffenen Forscher bangen um Zukunft der Primatenforschung in Zürich

Das Bundesgericht hat das Verbot von zwei Affenversuchen am Institut für Neuroinformatik von Universität und ETH als rechtens beurteilt. Die betroffenen Forscher Kevan Martin und Daniel Kiper nehmen zum ersten Mal Stellung zum Urteil.
Interview: Gordana Mijuk

Das Bundesgericht hat entschieden, dass Ihre beiden Versuche mit Affen verboten bleiben. Was sagen Sie zu diesem Urteil?

Daniel Kiper: Wichtig am Entscheid ist, dass Affenversuche in der Forschung weiterhin möglich bleiben. Natürlich bedauere ich, dass der wissenschaftliche Wert unserer Primatenversuche nicht genug erkannt wurde. Die Projekte wären wichtig gewesen, um die Funktionen des Hirns besser zu verstehen. Kevan Martin: Im Bundesgerichtsurteil ging es aber letztlich nicht um den wissenschaftlichen Wert unserer Versuche. Es ging darum festzustellen, ob das rechtliche Prozedere eingehalten wurde. Die Bundesrichter sagten in ihrem Urteil klar, dass die Tierversuchskommission das Expertengremium ist, um über die Tierversuche zu entscheiden und eine Güterabwägung vorzunehmen. Das Problem ist nur: Eine andere Tierversuchskommission hätte wahrscheinlich anders entschieden.

Ja, aber die Bundesrichter stützen die Entscheide der Vorinstanzen und damit auch die vollzogene Güterabwägung. So steht im Urteil, dass der Nutzen sowie die klinische Anwendbarkeit Ihrer Experimente nicht klar genug ersichtlich sind.

Martin: In der Wissenschaft ist es oft nicht möglich, vorauszusehen, welche praktischen Folgen gewisse Erkenntnisse haben. Aber unser Fortschritt basiert letztlich darauf, dass wir verstehen, wie gewisse Systeme funktionieren. Um ein derart komplexes System wie das menschliche Gehirn mit seinen Milliarden Nervenzellen zu verstehen, braucht es noch viel Grundlagenwissen. Klar ist aber: Gute Grundlagenforschung findet früher oder später immer eine Anwendung.

Gerade in der Grundlagenwissenschaft dürfte es schwierig sein, im Vornherein den zu erwartenden Nutzen zu kennen.

Martin: Die Vorstellung, dass das von uns erarbeitete Wissen nicht angewendet werden kann, ist Unsinn. Jede Erkenntnis, ob in Physik, Ingenieurwissenschaften oder Chemie, hat Wert. Als Faraday am Thema Magnetismus in seinem Labor arbeitete, dachte er auch nicht gleich an den Aufbau von Kraftwerken. Jeder wissenschaftliche Durchbruch wirft neue Fragen auf. Die Wissenschaft steht permanent an der Grenze zum Nichtwissen. Nehmen wir die Beispiele Stammzellen und Gentherapie. Hier wurden in den letzten Jahren sehr hohe Erwartungen geschürt. Doch der Durchbruch ist bisher ausgeblieben. Weshalb? Weil wir noch nicht genügend darüber wissen, wie Zellen funktionieren. Dasselbe gilt für Stammzellen. Neue Erkenntnisse brauchen Zeit, bis sie in die klinische Anwendung kommen. Sie lassen sich nicht in einen Dreijahresplan pressen.

Das Problem in Ihrer Argumentation ist jedoch, dass damit Forschern fast alles erlaubt wäre. Würde man Ihnen recht geben – das schreibt auch das Bundesgericht –, würde dem Forschungsinteresse per se ein höherer Rang zugewiesen als den Belastungen des Tieres.

Kiper: Nein, nein, nein. Wenn der Tierversuch kein neues Wissen über ein System hervorbringt, dann darf er nicht ausgeführt werden. Es ist völlig falsch zu glauben, dass jedes Tierexperiment erlaubt würde. [allerdings, von den Kommissionen werden schließlich läppische 97% erlaubt, Anm.] Die Tierversuche werden von verschiedensten Instanzen durchleuchtet und geprüft. Martin: Gerade bei Versuchen mit Primaten sind die Reglementierungen sehr strikt. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder. 345 Primatenversuchen stehen in der Schweiz jährlich Hunderttausende von Versuchen mit Mäusen gegenüber. Die Zahl der Affenversuche ist tief, weil es sehr wertvolle Tiere sind.

Hätten Sie die Versuche nicht umformulieren und etwa weniger Tiere oder geringere Belastungen einsetzen können?

Kiper: Die Zahl der Tiere, die wir benutzen, ist bereits auf ein Minimum reduziert. Die angewandten Verfahren sind übrigens zusammen mit der Tierversuchskommission über mehrere Jahre entwickelt worden. Jeder Aspekt wurde mit der Kommission diskutiert. Übrigens auch die Frage der Wasserzufuhr, die uns später zum Vorwurf gemacht wurde. Martin: Von den rund 345 Affen, die pro Jahr für Tierversuche verwendet werden, sind nur rund zwei, drei Dutzend für die Forschung an Universitäten bestimmt. Der Rest geht an die Industrie.

Was passiert jetzt mit Ihrem Institut?

Martin: Wir haben in den letzten zehn Jahren in Zürich ein weltweit anerkannte Kompetenz- und Wissenszentrum aufgebaut. Dieses Wissen kann nun nicht weitergegeben werden. Da unklar ist, ob in Zürich künftig noch Affenversuche möglich sind, hat unser Kollege Hansjörg Scherberger die Konsequenzen gezogen und ist nach Göttingen gegangen. Die Situation verunmöglicht es uns zudem, Assistenten oder Doktoranden anzustellen.

Wegen zweier verbotener Tierversuche?

Martin: Ja. Wer glaubt, dass die beiden Tierversuche Einzelfälle sind und keine generellen Konsequenzen auslösen, verkennt die Natur der Wissenschaft. Die Wissenschaft ist stark vernetzt. Was hier in Zürich entschieden wurde, wird in den Fachkreisen sehr wohl zur Kenntnis genommen. Unser Institut hat für junge Wissenschafter im Bereich der Primatenforschung durch die nun unsicheren Arbeitsbedingungen an Ausstrahlung verloren.

Werden Sie Zürich verlassen?

Martin: Das ist noch offen. Wir warten.

Haben Sie Angebote anderer Unis?

Martin: Ja.

Weshalb sind Sie noch hier?

Martin: Weil ich im Moment noch arbeiten kann mit Datenmaterial aus früheren Experimenten und andererseits noch experimentelle Arbeiten mit Katzen im Gange sind. Aber man muss sich schon bewusst sein, weder Mäuse noch Katzen haben mit dem Menschen vergleichbare Gehirne. Affen haben dies.

Werden Sie keine neuen Primatenprojekte mehr einreichen?

Kiper: Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Ich bin nun das zweite Mal blockiert worden. Die Arbeit wird dadurch ungemein erschwert. Martin: Solche Primatenprojekte können nicht einfach ein- und ausgeschaltet werden. Dahinter steckt jahrelange Aufbauarbeit. Was mich am meisten schmerzt, ist, dass die Tierversuchskommission im Rahmen des Bewilligungsverfahrens der beiden Versuche nie den Kontakt mit Daniel und mir gesucht hat.

War kein Mitglied der Tierversuchskommission bei Ihnen im Labor? Auch nicht die Wissenschaftsvertreter?

Martin: Nein. Das Veterinäramt, das die Projekte bewilligte, war hier, nicht jedoch die Tierversuchskommission, die nun als Expertengremium betitelt wird. Wir hatten keine Hinweise, dass die Tierversuchskommission etwas an unseren Versuchen auszusetzen hatte, und waren umso erstaunter, um nicht zu sagen schockiert, als wir per Brief über den Rekurs informiert wurden. Die Tierversuchskommission agierte willkürlich. Letztlich ging es einigen Kommissionsmitgliedern darum, die Primatenexperimente aus Prinzip zu stoppen.

Stellen Sie die Kompetenz des Gremiums in Frage?

Martin: Nein. Auch stellen wir die Notwendigkeit einer Güterabwägung zwischen dem Tierwohl und dem wissenschaftlichen Wert eines Forschungsprojekts nicht in Frage. [Tierschutz statt Tierrechte eben, Anm.] Als Forschende nehmen wir auch das Tierwohl sehr ernst. Aber es stört uns, dass der wissenschaftliche Wert unserer Arbeit an einem diffusen Forschungsnutzen gemessen wird. Die Wissenschaft hat ein etabliertes Verfahren der Qualitätskontrolle durch andere Wissenschafter: die Peer Review. Dies scheint für die Kommission keine Bedeutung zu haben.

Was müsste Ihrer Ansicht nach ändern in der Tierversuchskommission?

Martin: Heute ist es schlicht nicht transparent, wie das Gremium zu seinen Entscheiden kommt, trotz den – wie unser Beispiel zeigt – weitreichenden Folgen seiner Entscheide. Aber ich hoffe sehr, dass künftig das Gespräch mit der Kommission wieder möglich sein wird, wie dies bis im Jahr 2006 der Fall war. Wir haben ja alle dasselbe Ziel: eine hochstehende Forschung, die mit möglichst wenig Tieren auskommt und diese möglichst wenig belastet. [Tierschutz statt Tierrechte ad infinitum, Anm.]

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/tierversuchskommission_agierte_willkuerlich_1.4087068.html

Ihre Rechtfertigungsversuche (Grundlagenforschung, Erkenntnisse immer anwendbar usw.) zeigt dabei die extreme Forschungsfeindlichkeit von Menschenrechtlern. Ja, denn die sind das wahre Problem. Irgendwelche eingebildeten Leute, die nicht einsehen wollen, daß Wohlstand nun einmal auf Ausbeutung beruht und sich zu fein sind, Produkte aus Kinderarbeitsfabriken zu kaufen. Sie sind radikal und meinen, über elementare Menschenrechte lasse sich nicht verhandeln, als ob uns zu interessieren hätte, wenn irgendwo jemand für unsere Bequemlichkeit verreckt. Genau diese Leute mit ihrer fanatischen Ideologie behaupten auch, man dürfte keine Menschen für Versuchsexperimente verwenden. Oder für Grundlagenforschung oder für die Lehre, dabei sind gerade für den Anatomieunterricht gute Kinderleichen Mangelwahre und auch die alten Menschen, die sich nach ihrem Tod zur Verfügung stellen, sind nicht sehr viele. Dabei wäre es doch nicht so schwer: es gibt Waisenhäuser voller guter Exemplare oder die ganzen behinderten Menschen, die sonst ja zu nichts gut sind.
Sie müßten es nicht einmal schlecht haben, es gibt ja auch Haltungsvorschriften und letztendlich ginge es ihnen viel besser als z.B. im Waisenhaus. Und sollte irgendein Labor wirklich einmal die Haltungsbedingungen mißachten, würde die Menschenschutzorganisation PeTO (People for the ethical treatment of orphans) sich aufregen und auf artgerechte [strike]Schlachtung[/strike] Tötung bestehen.
Gerade menschliche Krankheiten wie AIDS kann man eben nur gut an Menschen erforschen (Tierversuche sind eben nur ein schlechter Ersatz) und es ginge zehnmal schneller und könnte unglaublich vielen Infizierten helfen, wenn diese fanatischen Menschenrechtler nicht die notwendige Forschung behindern würden mit ihrer Behauptung, Menschenrechte könnten nicht einfach so abgewogen werden.
Außerdem haben das Menschen schon immer gemacht. Wo wären wir denn heute ohne all die Menschenversuche der Vergangenheit? Auch das spricht ja wohl eindeutig für Menschenversuche und die Behauptung, man dürfe ethische Maßstäbe nicht an der Vergangenheit messen, ist Unsinn.
Wenn die wüßten, wie sie die Forschung behindern wegen ein paar toten Menschen, dann würden sie sich aber was schämen.

Tierausbeuter heulen sich aus, Teil 2

Autor: martin | Datum:
Diesmal beteiligt sich Thilo Spahl darn, der ein einem Online-Artikel über die Proteste gegen und (Teil-)Verbote von Tierversuche (hier Affenversuche) in Berlin und Bremen bejammert.

Er beklagt, daß die Politik immer öfter bereit sei, "die Forschungsfreiheit einem übertriebenen Tierschutz" zu opfern, und weiß nicht, wie sehr er sich darüber freuen sollte. Noch ist es nur Tierschutz, d.h. es betrifft nur eine Handvoll Versuche an einer zahlenmäßig geringen, speziesistisch begünstigen Art. Wenn sich das jedoch erst einmal zu Tierrechten entwickelt, ist die Tierversuchs-Tierausbeutungsindustrie mit als erstes gefährdet.

Die wirklichen Opfer, so lernt man von Spahl, sind die armen Forscher, die in ihrer Freiheit alle Tiere für zweitklassige Ergebnisse auszunutzen und schließlich umzubringen, beschränkt werden. Von tätlichen Angriffen ganz zu schweigen.
Zitat:
Drunter stand die Privatadresse von Professor Kreiter einschließlich seiner Telefonnummer. In der Folge hatte Kreiter zu erleiden, was leider für viele Forscher zum Normalfall geworden ist: Telefonterror, Morddrohungen, Beschimpfungen, Farbanschläge, „Einsatzkommandos“ in seinem Labor, Leben unter Polizeischutz. (2)

Zum Glück gibt es zirkuläre Logik: Wenn man der "Quellenangabe" zu diesen Behauptungen folgt, kommt man zu einem FAZ-Artikel, wo wiederum nur Behauptungen stehen, die nicht einmal mit Beispielen belegt sind. Auch diese Aussagen bleiben damit reine Behauptungen. Die Folter an den Tieren ist hingegen unbestrittener Fakt. Dafür braucht es nicht einmal Fußnoten.
Zitat: Selbstverständlich sind weder Thiele noch Kreiter Tierquäler. Auf Fotos sehen die kleinen Äffchen, denen am Schädel ein Bolzen eingesetzt wird, über den mit einer haarfeinen Elektrode die elektrische Aktivität im Gehirn gemessen werden kann, mitleiderregend aus. Aber solche Bilder wecken einzig Emotionen und animieren dazu, Appelle zu unterschreiben. Sie sagen nichts darüber aus, wie schlecht oder gut es den Tieren wirklich geht.

Auch hier ist man geneigt zu wiederholen: Es ist ein großes Glück der Tierausbeuter, daß es bisher nur Tierschutz ist. Er hat nämlich recht, wenn er suggeriert, daß es diesen Tierversuchstieren besser geht als anderen Tierversuchstieren und darüber hinaus besser als fast allen Tieren, die für die "Nahrungsmittel"produktion ausgebeutet werden. Falls die heutigen, tierschützerischen und unveganen Tierversuchsgegner das endlich begreifen und zu Tierrechtlern werden, wenn sie dann anfangen antispeziesistisch zu argumentieren und nicht mit "schlechten Haltungsbedingungen" oder unerfüllten Auflagen, sondern den den Tieren zustehenden Grundrechten, dann werden auf ihn und seine Kollegen düstere Zeiten zukommen.

Abgesehen davon, daß die Forscher die eigentlichen Opfer sind, sind sie noch eigentlicher vor allem gute Menschen.
Zitat: Dabei ist anzumerken, dass Kreiters Forschungen durchaus anwendungsorientiert sind und nach Ansicht von Fachwissenschaftlern wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Therapien bei Krankheiten wie Epilepsie oder Parkinson liefern. Aber Epileptiker sind zugegebenermaßen nicht „die Allgemeinheit“.

Richtig, wer gegen Tierversuche ist, schadet Epileptikern. Ich formulierte es im letzten Beitrag bereits: Wer ihnen viel mehr schadet, sind die elenden Menschenrechtler, die Menschenversuche, die viel effektiver wären, um Heilungsmethoden zu finden, behindern. Wer nicht dagegen argumentiert, soll sich seine speziesistische Pseudoargumentation sparen.
Zitat: Kreiter verweist darauf, dass die Makaken ein gewisses Maß an Durst gut verkraften, da sie in der freien Natur oft tagelang ohne Wasser auskommen müssen, und dass sie auch in freier Wildbahn stundenlang monotone Tätigkeiten wie das Zupfen von Grassamen verrichten und daher sogar eine Vorliebe für repetitive Tätigkeiten haben wie die, die ihnen beim Problemlösen am Computer abverlangt werden. Zudem begeben sie sich freiwillig auf den Versuchsstuhl. Genau das will die Behörde bestreiten. Da die Affen Durst hätten, würden sie in Wirklichkeit nicht freiwillig mitmachen, sondern eben mithilfe des Durstes gezwungen. Letztlich lautet das Argument: Es ist uns egal, ob die Tiere vergleichbaren Belastungen wie in der freien Wildbahn ausgesetzt sind. Schließlich könnten sie es ja noch besser haben als in der Natur. Mit solch einer Sichtweise könnte man auch jeden verantwortungsvollen Hundehalter, der seinen Hund eben nicht, wie es dem vielleicht gefiele, den lieben langen Tag mit Leckereien versorgt, der Tierquälerei bezichtigen.

Von der Lächerlichkeit, Überernährung mit Wasservorenthaltung und gewaltsamer Einschränkung zu vergleichen, abgesehen, ist auch diese Implikation im Grunde richtig: Jede Form von Tierausbeutung - ob die offensichtliche der Tierversuche oder die subtile der egozentrischen motivieren "Haustierhaltung" - ist falsch. Man müßte ihm für diese Ausweitung danken: Dem Tierrechtsverständnis sind sie förderlich.

Weiter ist der dann damit beschäftigt, Tierversuche mit Forschung gleichzusetzen. Wer gegen Tierversuche ist, ist gegen Forschung. Selbstverständlich. Daß es längst Alternativmethoden gibt, die diese Forschung ersetzen und verbessern, würdigt er keiner Erwähnung.

Der fulminante Höhepunkt ist schließlich:
Zitat: Die Grenze zwischen Mensch und Tier zu verwischen, indem man auf den kleinen gemeinsamen Nenner der wie auch immer gearteten Leidensfähigkeit rekurriert, ist nicht fortschrittlich, sondern dekadent.

"Die Grenze zwischen Mensch und Tier"? Angeblich hat er u.a. über Evolution geschrieben, aber dem Speziesismus sei dank entblöden sich nicht einmal "Wissenschaftler", Fakten auf dem Niveau von Lehrbüchern für die fünfte Klasse anzuerkennen - hier: daß Menschen Tiere sind und es daher zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren keine "Grenze" gibt, die verwischbar ist.
Nichtmenschlichen Tieren Rechte zuzusprechen, weil sie wie Menschen leidensfähig sind, nennt der dekadent. Vor zweihundert Jahren hätte es gehießen, Schwarzen Rechte zuzusprechen, nur weil sie wie Weiße leidensfähig sind, sei dekadent. Aber zum Glück gibt es geschichtlichen Fortschritt. Das wird auch Spahl noch einsehen müssen.

Re: Tierausbeuter heulen sich aus, Teil 2

Autor: Achim Stößer | Datum:

>
Zitat: Die Grenze zwischen Mensch und Tier zu verwischen,
> indem man auf den kleinen gemeinsamen Nenner der wie auch
> immer gearteten Leidensfähigkeit rekurriert, ist nicht
> fortschrittlich, sondern dekadent.

> "Die Grenze zwischen Mensch und Tier"? Angeblich hat er u.a.
> über Evolution geschrieben, aber dem Speziesismus sei dank
> entblöden sich nicht einmal "Wissenschaftler", Fakten auf dem
> Niveau von Lehrbüchern für die fünfte Klasse anzuerkennen -
> hier: daß Menschen Tiere sind und es daher zwischen
> menschlichen und nichtmenschlichen Tieren keine "Grenze"
> gibt, die verwischbar ist.

Naja, eine "'Grenze' zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren" gibt es, wie eine "'Grenze' zwischen bovinen und nichtbovinen Tieren", zwischen "Schweinen und Nichtschweinen" etc. schon: die "Artenschranke", sie können sich nicht untereinander fortpflanzen; so in etwa ist ja "Spezies" definiert.

Aber er spricht ja im Gegensatz dazu von einer "Grenze zwischen Mensch und Tier", was natürlich ebenso absurd ist wie eine "Grenze zwischen Banane und Obst".

> Nichtmenschlichen Tieren Rechte zuzusprechen, weil sie wie
> Menschen leidensfähig sind, nennt der dekadent. Vor
> zweihundert Jahren hätte es gehießen, Schwarzen Rechte
> zuzusprechen, nur weil sie wie Weiße leidensfähig sind, sei
> dekadent. Aber zum Glück gibt es geschichtlichen Fortschritt.
> Das wird auch Spahl noch einsehen müssen.

Nicht unbedingt, vielleicht nimmt er ja ein an nichtmenschlichen Tieren getestetes Medikament, das auf Menschen (wie so oft) andere, in dem Fall tödliche, Auswirkungen hat, und stirbt rechtzeitig, um nichts mehr einsehen zu müssen.

Achim

das Bambi-Schema der Speziesisten

Autor: martin | Datum:
Speziesisten werfen Tierschützern zu Recht die Anwendung des Bambi-Schemas vor (Tierrechtler nehmen davon eher Abstand). Interessant jedoch, dass der Bremer Affen-Experimentator Kreiter genau das gleiche macht. So scheint er seine Tierversuche rechtfertigen zu wollen, da sie "kranken Kindern" helfen würden und wirft allen, die diese Versuche ablehnen vor, sie würden "kranken Kindern" nicht helfen wollen.
Zitat: Der Bremer Biologieprofessor Andreas Kreiter hat am 30. April eine Unterlassungserklärung unterzeichnet. Kreiter hatte im Magazin Die Zeit geschrieben, die Grünen-Abgeordnete Silvia Schön habe "vor laufendem Mikrophon" gesagt, "sie sei auch dann nicht bereit, Affenversuche zu erlauben, wenn deren Ergebnisse einmal einem kranken Kind zugute kommen würden".

Dies habe sie nie gesagt, erklärte Schön. Sie habe auch bis zur Lektüre des Zeit-Gastbeitrages von Kreiter, der am 8.April erschienen war, nicht gewusst, dass irgend jemand die Grundlagen-Experimente des Biologen mit der Heilung kranker Kinder in Verbindung bringen würde.

(taz, 05.05.2010)