Mehr Rechte für Affen (ob Menschenrechte für Affen, Tierversuchsverbot oder "Zoo"verbot), meist nur Menschenaffen, wurden schon immer explizit speziesistisch begründet: sie hätten sie verdient, weil sie dem Menschen ähnlicher wären als andere Tiere. Viele neue Tierschützer und einige wenige Tierrechtler waren der Meinung (wenn auch mit unterschiedlichen Zielen), es könnte eine Türöffnerfunktion für das Zugeständnis von Rechten an nichtmenschliche Tiere haben.
Die Urteilsbegründung des Schweizer Bundesgerichts gegen die Durchführung von Affenversuchen am Institut für Neuroinformatik an der Universität Zürich spricht die deutliche Sprache des Speziesismus.
Der hochgelobte "Paradigmenwechsel" (das Tierleid schwerer zu gewichten als den "Versuchsnutzen") bleibt damit genau an der Stelle stecken, die vermutet wurde: die Höhe des Tierleides wird an der Menschennähe definiert. Da es keine Tiere gibt, die näher am Menschen stehen als Affen, läßt sich dieser "Erfolg" nicht ohne weitere argumentative Verbiegungen auf andere Tiere anwenden.
Mehr Rechte für Affen oder andere höher entwickelte Säugetiere zu fordern, festigt den Speziesismus und beweist nur einmal mehr: Reformismus funktioniert nicht.
Joan Dunayer geht in ihrem Buch auch auf die speziesistische Begründung von Affenrechten ein.
Die Frage, die ich mir gerade stelle: Wenn man Affenrechte nicht speziesistisch begründet, also moralisch korrekt mit einer Argumentationsweise, die alle empfindungsfähigen Lebewesen einschliesst, jedoch aus strategischen Gründen einmal den Grundstein für Tierrechte legen möchte, indem man diese mal für Primaten fordert, worauf logischerweise anhand der gleichen Argumentation alle anderen Arten auch zu diesen Schutzrechten kommen, ist dies dann abolitionistisch?
Man wirft uns ja immer vor, wir hätten eine "alles oder nichts" Haltung. Nun bin ich mir nicht wirklich im klaren, wie eine Schritt für Schritt Vorgehensweise denn abolitionistisch aussehen könnte.
Wenn etwas in dieser Art schon besteht, bitte ich um eine Verlinkung darauf. Danke.
Oh, dann nochmal in einer hoffentlich verständlicheren Kurzform:
Ist es abolitionistisch, Tierrechte aus strategischen Gründen "Schritt für Schritt" zu verlangen? Zuerst Rechte für Affen, dann vielleicht Säugetiere, Vögel...
Natürlich mit einer nicht-speziesischten Argumentation, nicht so wie beim GAP.
Oder ist es nur abolitionistisch, wenn man solange den Veganismus verbreitet, dass man schliesslich durch einen Mehrheitsentscheid Rechte für alle empfindungsfähigen Lebewesen durchsetzen kann?
Ich glaube irgendwo in Franciones Buch "Rain without thunder" geht er auf ein stufenweises, abolitionistisches Vorgehen ein. Habs aber noch nicht gelesen.
Urs schrieb:
>
> Joan Dunayer geht in ihrem Buch auch auf die speziesistische
> Begründung von Affenrechten ein.
Sie richtet sich - zur Zusammenfassung für die, die es nicht gelesen haben - gegen das Great Ape Project (GAP), das wesentlich von Singer mitgeleitet wurde/wird, und bezeichnet es als Beispiel für Neuspeziesismus. Ihre Hauptkritik richtet sich dagegen, daß die Begründung, weshalb Menschenaffen Rechte bekommen sollen, auf ethisch irrelevanten Kriterien beruht (komplexe Emotionalität, komplexes Sozialverhalten, Selbsterkenntnisfähigkeit usw.). Daß ist neuspeziesistisch, weil zwar die Speziesgrenze überschritten wird (altspeziesistisch würde die alleinige Grenze zur Ablehnung genügen), aber die Begründung sich auf Kriterien bezieht, die bei Menschen ethisch irrelevant sind* und deshalb konsequent antispeziesistisch auch bei nichtmenschlichen Tieren irrelevant sein müssen.
*) Als Beispiel wird auch ein Gerichtsbeschluß herangezogen, der einem Behinderten mit dem IQ von 5 volle Menschenrechte zuspricht, der also über keine der genannten Eigenschaften verfügt.
> Ist es abolitionistisch, Tierrechte aus strategischen Gründen
> "Schritt für Schritt" zu verlangen? Zuerst Rechte für Affen,
> dann vielleicht Säugetiere, Vögel...
>
> Natürlich mit einer nicht-speziesischten Argumentation, nicht
> so wie beim GAP.
Das ist ja auch ihre Meinung. Also daß die Forderung nach Menschenrechten für Affen oder Delfine sinnvoll sein kann, wenn es mit nichtspeziesistischer Argumentation erfolgt. Sie nennt als Analogie, daß die Forderung nach Menschenrechte für Schwarze bei der Abschaffung der nordamerikanischen Sklaverei nicht bedeutet (hat), daß Andersfarbige keine bekommen sollten. Diese Analogie ist m.E. falsch, da es kein Nebeneinander von Schwarzen und Andersfarbigen gab, aber das zentrale Problem ist.
> Oder ist es nur abolitionistisch, wenn man solange den
> Veganismus verbreitet, dass man schliesslich durch einen
> Mehrheitsentscheid Rechte für alle empfindungsfähigen
> Lebewesen durchsetzen kann?
Es ist in erster Linie eine argumentative/strategische Frage. Wie soll man argumentativ umsetzen, daß zwar Affen/Delfine zuerst Rechte bekommen sollen, aber alle anderen Tiere mit Bewußtsein eigentlich auch (nur nicht gleichzeitig, aber eigentlich doch usw.)? Man kann es nicht begreiflich machen und die Folge ist, daß als Begründung immer mit Menschenähnlichkeit oder andere ethisch irrelevante Kriterien (Intelligenz) verstanden werden und das eben den Speziesismus verschlimmert.
Natürlich wäre an einem Gesetz, daß einer einzelnen Spezies Grundrechte aufgrund antispeziesistischer Argumentation zugesteht, nicht schlecht per se, aber ein solches ist eben z.Z. rein hypothetisch.
Was Francione mit "schrittweise" meint, sind eben abolitionistische Gesetze, die es geben kann, aber das eben genannte kann m.E. nicht so umgesetzt werden.
> Man wirft uns ja immer vor, wir hätten eine "alles oder
> nichts" Haltung. Nun bin ich mir nicht wirklich im klaren,
> wie eine Schritt für Schritt Vorgehensweise denn
> abolitionistisch aussehen könnte.
"Alles" fordern wir ohnehin nicht. Wir fordern lediglich elementare Grundrechte für Tiere mit Bewußtsein und Veganismus als grundlegende Umsetzung dieser Ethik. Das sind nur Minimalforderungen. Der zweite Teil dieses Vorwurfs ist genauso Unsinn, da es bedeuten würde, eher keine Ethik als diese zu fordern und das macht auch niemand.
Übrigens verbietet das Schweizer Gesetz doch keine Affenversuche, sondern nur in diesem einen Fall. Es ist also noch weniger, als es überhaupt wäre.
Danke Martin, für deine ausführliche Antwort. Ich sehe, dass Dunayer da vielleicht noch etwas ihren Standpunkt hätte präzisieren können, auch wenn an ihrem Buch sonst fast nichts auszusetzen ist. Ist auf jeden Fall das Werk, dass ich Einsteigern in die Tierrechtsszene zuerst empfehle.
Weitreichende Veganismusaufklärung muss demnach wirklich unser Hauptanliegen sein. Ein Anstoss mehr hoffentlich für diejenigen (die es in diesem Forum zum Glück nicht oft gibt), die sich von sogenannten, inexistenten "Vorstufen von Tierrechten", also Tierschutzreformen, verlocken lassen.
Urs schrieb:
>
> Danke Martin, für deine ausführliche Antwort. Ich sehe, dass
> Dunayer da vielleicht noch etwas ihren Standpunkt hätte
> präzisieren können, auch wenn an ihrem Buch sonst fast nichts
> auszusetzen ist. Ist auf jeden Fall das Werk, dass ich
> Einsteigern in die Tierrechtsszene zuerst empfehle.
Hm ich bin noch etwas skeptisch mit einer generellen Empfehlung. Ein Problem wurde ja eben angesprochen und auch die Kritik an Francione ist zumindest an der einen Stelle auf unrepräsentative und im Zusammenhang anders zu betrachtende Formulierungen bezogen zu sein (was nicht heißt, daß es an ihm gar nichts zu kritisieren sei).
Wenn du mit Lesen fertig bist, kannst du ja mal etwas dazu schreiben, wenn du willst.
Auch wenn diese Versuchs-Verbote auf tiefstem Speziesismus beruhen, so habe ich doch wenig Mitleid mit den armen Forschern, deren Tierquälerei dadurch beschränkt wurde. Sie finden das natürlich schrecklich.
Die Aussagen (unterstrichen) zeigen dabei einerseits, wie wenig dieses Urteil auch nur auf annährend in Richtung Tierrechte weist, und andererseits ihre absurden Rechtfertigungsversuche.
Ihre Rechtfertigungsversuche (Grundlagenforschung, Erkenntnisse immer anwendbar usw.) zeigt dabei die extreme Forschungsfeindlichkeit von Menschenrechtlern. Ja, denn die sind das wahre Problem. Irgendwelche eingebildeten Leute, die nicht einsehen wollen, daß Wohlstand nun einmal auf Ausbeutung beruht und sich zu fein sind, Produkte aus Kinderarbeitsfabriken zu kaufen. Sie sind radikal und meinen, über elementare Menschenrechte lasse sich nicht verhandeln, als ob uns zu interessieren hätte, wenn irgendwo jemand für unsere Bequemlichkeit verreckt. Genau diese Leute mit ihrer fanatischen Ideologie behaupten auch, man dürfte keine Menschen für Versuchsexperimente verwenden. Oder für Grundlagenforschung oder für die Lehre, dabei sind gerade für den Anatomieunterricht gute Kinderleichen Mangelwahre und auch die alten Menschen, die sich nach ihrem Tod zur Verfügung stellen, sind nicht sehr viele. Dabei wäre es doch nicht so schwer: es gibt Waisenhäuser voller guter Exemplare oder die ganzen behinderten Menschen, die sonst ja zu nichts gut sind.
Sie müßten es nicht einmal schlecht haben, es gibt ja auch Haltungsvorschriften und letztendlich ginge es ihnen viel besser als z.B. im Waisenhaus. Und sollte irgendein Labor wirklich einmal die Haltungsbedingungen mißachten, würde die Menschenschutzorganisation PeTO (People for the ethical treatment of orphans) sich aufregen und auf artgerechte [strike]Schlachtung[/strike] Tötung bestehen.
Gerade menschliche Krankheiten wie AIDS kann man eben nur gut an Menschen erforschen (Tierversuche sind eben nur ein schlechter Ersatz) und es ginge zehnmal schneller und könnte unglaublich vielen Infizierten helfen, wenn diese fanatischen Menschenrechtler nicht die notwendige Forschung behindern würden mit ihrer Behauptung, Menschenrechte könnten nicht einfach so abgewogen werden.
Außerdem haben das Menschen schon immer gemacht. Wo wären wir denn heute ohne all die Menschenversuche der Vergangenheit? Auch das spricht ja wohl eindeutig für Menschenversuche und die Behauptung, man dürfe ethische Maßstäbe nicht an der Vergangenheit messen, ist Unsinn.
Wenn die wüßten, wie sie die Forschung behindern wegen ein paar toten Menschen, dann würden sie sich aber was schämen.
Diesmal beteiligt sich Thilo Spahl darn, der ein einem Online-Artikel über die Proteste gegen und (Teil-)Verbote von Tierversuche (hier Affenversuche) in Berlin und Bremen bejammert.
Er beklagt, daß die Politik immer öfter bereit sei, "die Forschungsfreiheit einem übertriebenen Tierschutz" zu opfern, und weiß nicht, wie sehr er sich darüber freuen sollte. Noch ist es nur Tierschutz, d.h. es betrifft nur eine Handvoll Versuche an einer zahlenmäßig geringen, speziesistisch begünstigen Art. Wenn sich das jedoch erst einmal zu Tierrechten entwickelt, ist die Tierversuchs-Tierausbeutungsindustrie mit als erstes gefährdet.
Die wirklichen Opfer, so lernt man von Spahl, sind die armen Forscher, die in ihrer Freiheit alle Tiere für zweitklassige Ergebnisse auszunutzen und schließlich umzubringen, beschränkt werden. Von tätlichen Angriffen ganz zu schweigen.
Zum Glück gibt es zirkuläre Logik: Wenn man der "Quellenangabe" zu diesen Behauptungen folgt, kommt man zu einem FAZ-Artikel, wo wiederum nur Behauptungen stehen, die nicht einmal mit Beispielen belegt sind. Auch diese Aussagen bleiben damit reine Behauptungen. Die Folter an den Tieren ist hingegen unbestrittener Fakt. Dafür braucht es nicht einmal Fußnoten.
Auch hier ist man geneigt zu wiederholen: Es ist ein großes Glück der Tierausbeuter, daß es bisher nur Tierschutz ist. Er hat nämlich recht, wenn er suggeriert, daß es diesen Tierversuchstieren besser geht als anderen Tierversuchstieren und darüber hinaus besser als fast allen Tieren, die für die "Nahrungsmittel"produktion ausgebeutet werden. Falls die heutigen, tierschützerischen und unveganen Tierversuchsgegner das endlich begreifen und zu Tierrechtlern werden, wenn sie dann anfangen antispeziesistisch zu argumentieren und nicht mit "schlechten Haltungsbedingungen" oder unerfüllten Auflagen, sondern den den Tieren zustehenden Grundrechten, dann werden auf ihn und seine Kollegen düstere Zeiten zukommen.
Abgesehen davon, daß die Forscher die eigentlichen Opfer sind, sind sie noch eigentlicher vor allem gute Menschen.
Richtig, wer gegen Tierversuche ist, schadet Epileptikern. Ich formulierte es im letzten Beitrag bereits: Wer ihnen viel mehr schadet, sind die elenden Menschenrechtler, die Menschenversuche, die viel effektiver wären, um Heilungsmethoden zu finden, behindern. Wer nicht dagegen argumentiert, soll sich seine speziesistische Pseudoargumentation sparen.
Von der Lächerlichkeit, Überernährung mit Wasservorenthaltung und gewaltsamer Einschränkung zu vergleichen, abgesehen, ist auch diese Implikation im Grunde richtig: Jede Form von Tierausbeutung - ob die offensichtliche der Tierversuche oder die subtile der egozentrischen motivieren "Haustierhaltung" - ist falsch. Man müßte ihm für diese Ausweitung danken: Dem Tierrechtsverständnis sind sie förderlich.
Weiter ist der dann damit beschäftigt, Tierversuche mit Forschung gleichzusetzen. Wer gegen Tierversuche ist, ist gegen Forschung. Selbstverständlich. Daß es längst Alternativmethoden gibt, die diese Forschung ersetzen und verbessern, würdigt er keiner Erwähnung.
Der fulminante Höhepunkt ist schließlich:
"Die Grenze zwischen Mensch und Tier"? Angeblich hat er u.a. über Evolution geschrieben, aber dem Speziesismus sei dank entblöden sich nicht einmal "Wissenschaftler", Fakten auf dem Niveau von Lehrbüchern für die fünfte Klasse anzuerkennen - hier: daß Menschen Tiere sind und es daher zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren keine "Grenze" gibt, die verwischbar ist.
Nichtmenschlichen Tieren Rechte zuzusprechen, weil sie wie Menschen leidensfähig sind, nennt der dekadent. Vor zweihundert Jahren hätte es gehießen, Schwarzen Rechte zuzusprechen, nur weil sie wie Weiße leidensfähig sind, sei dekadent. Aber zum Glück gibt es geschichtlichen Fortschritt. Das wird auch Spahl noch einsehen müssen.
>
> "Die Grenze zwischen Mensch und Tier"? Angeblich hat er u.a.
> über Evolution geschrieben, aber dem Speziesismus sei dank
> entblöden sich nicht einmal "Wissenschaftler", Fakten auf dem
> Niveau von Lehrbüchern für die fünfte Klasse anzuerkennen -
> hier: daß Menschen Tiere sind und es daher zwischen
> menschlichen und nichtmenschlichen Tieren keine "Grenze"
> gibt, die verwischbar ist.
Naja, eine "'Grenze' zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren" gibt es, wie eine "'Grenze' zwischen bovinen und nichtbovinen Tieren", zwischen "Schweinen und Nichtschweinen" etc. schon: die "Artenschranke", sie können sich nicht untereinander fortpflanzen; so in etwa ist ja "Spezies" definiert.
Aber er spricht ja im Gegensatz dazu von einer "Grenze zwischen Mensch und Tier", was natürlich ebenso absurd ist wie eine "Grenze zwischen Banane und Obst".
> Nichtmenschlichen Tieren Rechte zuzusprechen, weil sie wie
> Menschen leidensfähig sind, nennt der dekadent. Vor
> zweihundert Jahren hätte es gehießen, Schwarzen Rechte
> zuzusprechen, nur weil sie wie Weiße leidensfähig sind, sei
> dekadent. Aber zum Glück gibt es geschichtlichen Fortschritt.
> Das wird auch Spahl noch einsehen müssen.
Nicht unbedingt, vielleicht nimmt er ja ein an nichtmenschlichen Tieren getestetes Medikament, das auf Menschen (wie so oft) andere, in dem Fall tödliche, Auswirkungen hat, und stirbt rechtzeitig, um nichts mehr einsehen zu müssen.
Speziesisten werfen Tierschützern zu Recht die Anwendung des Bambi-Schemas vor (Tierrechtler nehmen davon eher Abstand). Interessant jedoch, dass der Bremer Affen-Experimentator Kreiter genau das gleiche macht. So scheint er seine Tierversuche rechtfertigen zu wollen, da sie "kranken Kindern" helfen würden und wirft allen, die diese Versuche ablehnen vor, sie würden "kranken Kindern" nicht helfen wollen.