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Tierrechtsforum:
Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

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Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: michael j | Datum:
Eigentlich ging es um eine unhaltbare Anschuldigung Bischhof Müllers aufgrund MSSs Ferkelbuches. Insofern lohnt es sich auch den ganzen Artikel zu lesen, insb. da er sehr gut geschrieben ist.

Hier nun der Tierrechtsrelevante Abschnitt:
Zitat: Reale Interessen statt theologischer Willkür

Wer in ethischer Hinsicht vernünftig argumentieren möchte, der muss sich anschauen, welche realen Interessen in einem Konflikt beteiligt sind. Dass wir beispielsweise menschlichen Interessen in der Regel höheres Gewicht einräumen als den Interessen nichtmenschlicher Tiere lässt sich rational nur damit begründen, dass wir Menschen im Unterschied zu den meisten anderen Tieren über „personale Eigenschaften“ verfügen.

Das heißt: Wir besitzen ein Bewusstsein unserer selbst, können uns in die Lage anderer hineinversetzen und die Zukunft antizipieren. Deshalb spürt ein Mensch, der an Krebs erkrankt ist, neben den physischen auch psychische Qualen, die eine krebserkrankte Maus nicht kennt. In der Philosophie spricht man daher in Bezug auf den Menschen von einem „echten, persönlichen Überlebensinteresse“, das ethisch höher gewichtet wird als der „bloße Überlebensinstinkt“ einer Maus (was freilich nicht heißt, dass es legitim wäre, Mäuse zu quälen).

…mag sein, dass dies den Bischof überfordert

Nun muss man allerdings zugeben, dass menschliche Säuglinge noch nicht über die oben angedeuteten, personalen Eigenschaften verfügen (einige nichtmenschliche Tiere, etwa die großen Menschenaffen, aber sehr wohl!). Was bedeutet dies für die ethische Debatte? Ist die Tatsache, dass Säuglinge noch keine Personen sind, ein guter Grund, ihnen das Lebensrecht abzustreiten? Keineswegs! Pragmatisch ist es sinnvoll, Säuglinge als Personen zu behandeln, obwohl sie im eigentlichen Sinne noch nicht über personale Eigenschaften verfügen (diese entwickeln sie erst im Laufe des ersten Lebensjahres).

Allerdings: Wenn wir menschlichen Säuglingen solche Rechte einräumen, wie können wir dann anderen Lebewesen derartige Rechte abstreiten, obwohl wir genau wissen, dass sie alle basalen Eigenschaften aufweisen, die Personen auszeichnen? Angesichts solcher Überlegungen plädieren mehr und mehr Philosophen dafür, gewisse Grundrechte auch für Menschenaffen einfordern. Nach der Überwindung von Rassismus, Sexismus und Nationalismus wäre die Überwindung des Speziesismus (Diskriminierung von Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit) ein wichtiger Schritt hin zu einer zeitgemäßen, fairen Ethik, zu der wir allerdings nur durch klare, rationale Argumentationen kommen werden – nicht durch obskure Einflüsterungen eingebildeter Götter.

Es mag sein, dass derartige philosophische Differenzierungen das intellektuelle Vermögen des Regensburger Bischofs überfordern. Das ist zwar bedauerlich, aber nicht justiziabel. Als Humanist hoffe ich jedoch immer noch, dass Bischof Müller irgendwann einmal die Zeit finden wird, etwas gründlicher über die Dinge nachzudenken, die er gemeinhin so forsch verkündet. Denn: Wer leichter glaubt, wird schwerer klug.

http://www.regensburg-digital.de/vom-intelektuellen-vermogen-des-bischofs/03052011/


Wie ich gerade sehe hat MSS sich im Kommentarbereich auch nochmal dazu geäußert.

Fragt sich nur ob MSS Veganer ist und wenn nicht, warum nicht?

Re: Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: martin | Datum:
> Fragt sich nur ob MSS Veganer ist und wenn nicht, warum nicht?

Das ist eher unwahrscheinlich. Er meint lediglich, dass vielleicht Menschenaffen ähnliche Grundrechte haben sollten. Für andere Tiere gilt das nicht. Das beruht auf der anthropozentrischen Sichtweise, dass der Mensch der Maßstab ist: Wer Selbstbewusstsein oder Zukunftsbewusstsein wie Menschen aufweist, hat auch Grundrechte. Diese Anthropozentrik schließt praktisch alle Tiere, die nicht zu den Primaten gehören, aus.

Unter der neueren Tierrechtsphilosophie ist es dagegen weitgehender Konsens, dass dieser Anthropozentrismus das Problem ist und Tiere nach ihrer Menschenähnlichkeit bewertet werden sollen, sondern nach der grundlegenden ethisch relevanten Eigenschaft der Empfindungsfähigkeit. Denn es ist nicht klar, wieso Selbst- oder Zukunftsbewusstsein überhaupt ethisch relevant sein sollen. Aus der obigen Feststellung, dass Säuglinge kein Zukunfts- oder Selbstbewusstsein haben, müsste folgen, dass dieses Kriterium (für Grundrechte) nicht relevant ist. Genau diesen Punkt überspringt er in diesem Text.

Das auch bekannte Argument, dass Menschen mehr leiden würden als andere Tiere, ist überhaupt fraglich. "Deshalb spürt ein Mensch, der an Krebs erkrankt ist, neben den physischen auch psychische Qualen, die eine krebserkrankte Maus nicht kennt." (Dieses Beispiel stammt übrigens von Peter Singer.) Es ist fraglich, weil es nicht auf alle Fälle zutrifft (falls es in diesem überhaupt stimmt). Gerade weil viele nichtmenschliche Tiere nicht Trost aus dem Wissen schöpfen können, dass ein aktueller Schmerz nur vorübergehend ist, leiden sie ggf. stärker als Menschen, die wissen, dass der Schmerz vorübergeht. (Beispielsweise bei einem medizinischen Eingriff.)

Ausführlicher hat MSS sich im "Manifest des evolutionären Humanismus" (2006) geäußert. Im Kapitel "'Macht euch die Erde untertan'? Warum wir uns vom Speziesismus verabschieden sollten" sagt er zwar, dass die Interessen von Tieren berücksichtigt werden müssen, zitiert aber Singer mit obigen Maus-Beispiel, das zur Feststellung dient, dass diese Interessenabwägung "sorgfältig" geschehen muss. Bei Hühner ist das ein "Recht auf Freilandhaltung", was ignoriert, dass sie ein Interesse daran haben, grundsätzlich nicht ausgebeutet und getötet zu werden. Diese Ungleichbehandlung der Interessen rechtfertigt er wie gesagt mit dem Personenstatus der Menschen.

Weiter argumentiert er, es sei nicht speziesistisch, die Sonderstellung des Menschen an seinen Personeigenschaften festzumachen. Das ist kaum überzeugend und hieße analog, es wäre nicht rassistsich, wenn man jemanden nicht aufgrund seiner Ethnie (analog Spezies), sondern nur aufgrund seiner Hautfarbe (analog 'Personeneigenschaften') diskriminiere. In diesem wie in jenem Fall ist die Eigenschaft an die Spezies bzw. an die Ethnie gebunden. Tiere bestimmter Spezies haben nie Personeneigenschaften wie Menschen bestimmter Ethnien (fast) immer bestimmte Hautfarben haben. Das wäre also nur Speziesismus/Rassismus durch die Hintertür.

Aber immerhin ist die säkulare Szene progressiver in Sachen Tierrechte - notwendigerweise, denn die beruhen größtenteils bekanntlich auf der Evolutionsbiologie -, wenn sie auch oftmals nicht über Flexitarismus und Tierschutz hinauskommt.

Re: Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: Urs | Datum:
Ich denke, es liegt zum grossen Teil auch daran, dass MSS die falsche Literatur zur Berücksichtigung nichtmenschlicher Interessen liest. Auch in seinen Buchempfehlungen auf der HP seines neuen Buches "Leibniz war kein Butterkeks" finden sich in Bezug auf Tierethik nur die Sachen von Singer und auch (noch wesentlich schlimmer) Hoerster. Es wäre an der Zeit, dass man ihm etwas von einem Vertreter von TierRECHTEN nahelegt. Francione, Rowlands oder das Buch, der Rezension Martins folgend, von Johann S. Ach zum Beispiel.

Re: Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: Krümel | Datum:
Urs schrieb:
>
> Ich denke, es liegt zum grossen Teil auch daran, dass MSS die
> falsche Literatur zur Berücksichtigung nichtmenschlicher
> Interessen liest. Auch in seinen Buchempfehlungen auf der HP
> seines neuen Buches "Leibniz war kein Butterkeks" finden sich
> in Bezug auf Tierethik nur die Sachen von Singer und auch
> (noch wesentlich schlimmer) Hoerster. Es wäre an der Zeit,
> dass man ihm etwas von einem Vertreter von TierRECHTEN
> nahelegt. Francione, Rowlands oder das Buch, der Rezension
> Martins folgend, von Johann S. Ach zum Beispiel.

Zumindest von Francione scheint er Informationen bezogen zu haben...

Zitat:
Michael Schmidt-Salomon Peter Singer ist persönlich nicht nur Vegetarier, sondern Veganer. Aber es stimmt, dass er (bei einigen Tieren) nicht im Töten das ethische Übel sieht, sondern in den Haltungsbedingungen. Auch nimmt er in Bezug auf die Forschung ethische Güterabwägungen vor (die andere gerne übergehen - obwohl sie die Früchte dieser Forschung in Form von Medikamenten sehr wohl in Anspruch nehmen!) Ich persönlich halte Singers Position insgesamt für besser begründet und auch für differenzierter als die Position von Francione (kann aber hier nicht auf Einzelheiten eingehen). Natürlich kann man in diesem Punkt anderer Meinung sein. Aber: Peter Singer deshalb gleich abzusprechen, Tierrechtler zu sein (von ihm hat ja auch Francione - bei aller Differenz - Wesentliches übernommen!), geht echt zu weit! (Wo wäre die Tierrechtsbewegung denn ohne Singers "Animal Liberation"?)
vor 15 Minuten


Zitat:
Michael Schmidt-Salomon Hallo Detlev: Ist es Mord, wenn du deinen Hund von Würmern befreist? Das wirst du hoffentlich nicht so sehen, was zeigt, dass auch du Differenzierungen zwischen verschiedenen Lebensformen vornimmst. In diesem Sinne würde ich Jane Goodall, die in vielen Punkten ganz andere Positionen vertritt als Singer oder wir, auch verstehen: Das Töten von Menschenaffen ist ein noch größeres ethisches Übel als das Töten von Ziegen. Schmerzen empfinden natürlich beide, aber: Menschenaffen haben im Unterschied zu Ziegen ein Bewusstsein ihrer selbst, können die Zukunft antizipieren, weshalb für sie lebensbedrohliche Situationen eine zusätzliche emotionale Dimension besitzen, die Ziegen nicht kennen. Ich weiß: Francione differenziert so nicht - aber gerade darin liegt m.E. sein größter theoretischer Fehler...
vor 9 Minuten


Von seiner Facebookpinnwand.

Re: Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: martin | Datum:
Sehr überzeugend finde ich seine Argumentation immer noch nicht.

> Michael Schmidt-Salomon Peter Singer ist persönlich nicht nur
> Vegetarier, sondern Veganer.

Nein, Singer ist Vegetarier, was sich auch völlig logisch aus seiner tierethischen Position ableitet.

> auf die Forschung ethische Güterabwägungen vor (die andere
> gerne übergehen - obwohl sie die Früchte dieser Forschung in
> Form von Medikamenten sehr wohl in Anspruch nehmen!)

Hatten wir hier im Forum ja schon einige Male: Was nicht vermeidbar ist (da alle Medikamente getestet werden, ist es nicht vermeidbar, tierversuchsgetestete Medikamente zu konsumieren), kann man anderen nicht ohne weiteres vorwerfen. So ziemlich die gesamte Menschheit baut in irgendeiner Form auf materiellen und geistigen Gütern auf, die direkt oder indirekt auf Sklaverei zurückgehen. Trotzdem heißt das nicht, dass z.B. Menschen im Süden der USA, wo viele Straßen ursprünglich von Sklaven gebaut wurden, keine Sklavereigegner sein können oder dürfen, nur weil sie diese Straßen nutzen.

> Aber: Peter Singer deshalb gleich abzusprechen, Tierrechtler
> zu sein (von ihm hat ja auch Francione - bei aller Differenz
> - Wesentliches übernommen!), geht echt zu weit! (Wo wäre die
> Tierrechtsbewegung denn ohne Singers "Animal Liberation"?)

Fragt sich: welche Tierrechtsbewegung? Aber auch sonst ist es ein eher schwaches Argument, da Singer Tierrechte in "Animal Liberation" ablehnt und man eine positive Wirkung (falls vorhanden) durch diese Fehlinterpretation wohl kaum ihm zuschreiben kann.

> Ist es Mord, wenn du
> deinen Hund von Würmern befreist?

Das ist das denkbar schlechteste Beispiel. Hätte er lieber das genommen, dass man beim Laufen auch Insekten tötet. Da müsste man noch differenzierter argumentieren, aber Parasiten zu töten ist schlicht und eindeutig Notwehr.

> Das wirst du hoffentlich
> nicht so sehen, was zeigt, dass auch du Differenzierungen
> zwischen verschiedenen Lebensformen vornimmst.

Auch Tierrechtsphilosophen wie Francione nehmen Differenzierungen vor. Der Unterschied zu Singer und Salomon ist nur, dass sie es nicht auf anthropozentrischer Grundlage tun. Letztere differenzieren danach, wie ähnlich ein Tier dem Menschen ist; in diesem Fall, ob es ein Zukunftsbewusstsein hat:

> Das Töten von Menschenaffen ist ein noch größeres
> ethisches Übel als das Töten von Ziegen. Schmerzen empfinden
> natürlich beide, aber: Menschenaffen haben im Unterschied zu
> Ziegen ein Bewusstsein ihrer selbst, können die Zukunft
> antizipieren, weshalb für sie lebensbedrohliche Situationen
> eine zusätzliche emotionale Dimension besitzen, die Ziegen
> nicht kennen.

Weder Singer noch Salomon würden Menschen, die kein Zukunftsbewusstsein haben, ein elementares Lebensrecht absprechen. Was übrig bleibt, ist die Empfindungsfähigkeit und die ist bei Menschen, Affen und Ziegen im Grundlegenden gleich. Alle drei wollen nicht getötet werden, alle drei sollten nicht dürfen werden (wenn es keine Notwehr oder berechtigte Euthanasie ist).

Re: Michael Schmidt-Salomons Ansichten über TR

Autor: Dahumm | Datum:
> Weder Singer noch Salomon würden Menschen, die kein Zukunftsbewusstsein haben, ein elementares Lebensrecht absprechen.

Aber ist der Grund dafür nicht ein indirekter? Z. B. das Verbot, einen schlafenden Menschen zu töten, ergibt sich daraus, dass andernfalls jeder Mensch im Prinzip ständig damit rechnen müsste, im Schlaf getötet zu werden - was ihn ja auch im Wachzustand belasten würde. Daneben können natürlich auch die Angehörigen ein Interesse daran haben, dass die Menschen nicht getötet werden.

Insgesamt sehe ich, was dieses Problem angeht, einfach keinen Anthropozentrismus. Es wird versucht, die Rechte auf tatsächlich vorhandene Vermögen zurückzuführen. Und während es für das Verbot, einem Lebewesen Schmerzen zuzufügen, ausreicht, dass das Lebewesen Schmerzen empfinden kann, braucht man für das Tötungsverbot eben mehr. Z. B. das "Zukunftsbewusstsein". Daneben kann man gegen die Tötung von bestimmten Tieren aber auch einwänden, dass deren Angehörige durch den Verlust belastet werden. Man müsste das eben für jeden Einzelfall abwägen.

Zukunftsbewusstsein, Interessen

Autor: martin | Datum:

> > Weder Singer noch Salomon würden Menschen, die kein
> Zukunftsbewusstsein haben, ein elementares Lebensrecht
> absprechen.
>
> Aber ist der Grund dafür nicht ein indirekter? Z. B. das
> Verbot, einen schlafenden Menschen zu töten, ergibt sich
> daraus, dass andernfalls jeder Mensch im Prinzip ständig
> damit rechnen müsste, im Schlaf getötet zu werden - was ihn
> ja auch im Wachzustand belasten würde. Daneben können
> natürlich auch die Angehörigen ein Interesse daran haben,
> dass die Menschen nicht getötet werden.

Das erste würden sie, soweit ich weiß, nicht anführen, da beide sagen, 'normale' Menschen hätten ein Zukunftsbewusstsein; der Grund ist also, dass man ihre zukünftigen Wünsche und Pläne auch durch das unbewusste Töten (wie im Schlaf) frustieren würde.

Das zweite benutzt zumindest Singer, aber eher, um das Töten von Tieren zu rechtfertigen, als um gegen das von Menschen zu argumentieren. Er sagt, dass es Tieren egal wäre, wenn ein Mitglied ihrer Gruppe stirbt. Dem widersprechen jedoch inzwischen viele ethologische Beobachtungen. Auf der anderen Seite gibt es auch einige Menschen, auf die es nicht zu trifft. Deshalb ist das kein überzeugendes Argument.

> Insgesamt sehe ich, was dieses Problem angeht, einfach keinen
> Anthropozentrismus. Es wird versucht, die Rechte auf
> tatsächlich vorhandene Vermögen zurückzuführen.

Ja natürlich, aber der Maßstab dieser Vermögen, der zur Überprüfung angesetzt wird, ist der menschliche. Deshalb ist es anthropozentrisch.

In einem ähnlichen Zusammenhang gibt es eine Analogie (von wem, weiß ich nicht mehr, habe ich irgendwo bei Gary Steiner gelesen): Wenn z.B. ein Engländer untersuchen wollte, ob ein anderer Mensch - z.B. ein Chinese - Sprache beherrscht, und er ihn etwas reden lässt, kein Wort versteht (weil der Chinese nicht Englisch, sondern Mandarin spricht) und zur Schlussfolgerung kommt, dieser Mensch wäre nicht sprachfähig (da er kein Wort verstanden), wäre das absurd. Der Maßstab, um Fähigkeiten oder Eigenschaften zu messen oder zu bewerten, muss dem Individuum angemessen sein und nicht jemand anders.
Ethische Maßstäbe sollten das gleiche Kriterium erfüllen.

> Und während
> es für das Verbot, einem Lebewesen Schmerzen zuzufügen,
> ausreicht, dass das Lebewesen Schmerzen empfinden kann,
> braucht man für das Tötungsverbot eben mehr. Z. B. das
> "Zukunftsbewusstsein".

Das war an dieser Stelle etwas kurz formuliert. Etwas ausführlicher: Die Empfindungsfähigkeit ist ein hinreichendes (aber nicht notwendiges) Kriterium, um auf den Besitz eines Bewusstseins zu schließen (egal, wie rudimentär es ist). Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, haben Interessen. Mit Bezug auf die Empfindungsfähigkeit u.a. das Interesse am Weiterleben, denn wenn sie empfindungsfähig sind, versuchen sie alles zu vermeiden, was ihnen schaden bzw. sie (potenziell) töten könnte. Man schadet ihnen deshalb, wenn man sie tötet, da man damit ihr Interesse verletzten würde. (Dieses Interesse ist nicht aktiv reflektiert, aber es ist durch die Eigenschaft des Überlebenswillens, der sich aus der Empfindungsfähigkeit ergibt, passiv vorhanden.)

Deshalb erfasst das Kriterium der Empfindungsfähigkeit auch menschliche Grenzfälle wie Säuglinge, geistig behinderte Menschen, Demente usw., mit denen alle anderen, tierrechtsgegnerischen philosophischen Ansätze Probleme haben (aber es erfasst nicht z.B. wenige Tage alte Embryonen).

> Daneben kann man gegen die Tötung von
> bestimmten Tieren aber auch einwänden, dass deren Angehörige
> durch den Verlust belastet werden. Man müsste das eben für
> jeden Einzelfall abwägen.

Halte ich wie gesagt für kein gutes Kriterium. Ein Säugling, der einfach irgendwo ausgesetzt wird (nicht etwa in einer Babyklappe abgegeben wird o.ä.), hat keinerlei Angehörigen, die von seinem Tod betroffen wären. Trotzdem hat er ein Interesse am Weiterleben.