Ich möchte auf einen lesenswerten Aufsatz zum Thema Veganismus aufmerksam machen (im "Tierrechtsforum" steht dieser Beitrag übrigens, weil es sich um Veganismus als Teil der Tierrechtsgedanken handelt, nicht um seine Praxis). Gemeint ist: It's a (Two-)Culture Thing: And how veganism has been sold short von Barry Kew, veröffentlicht in: Critical Society 7, Summer/Autumn 2011, 20–35 (erstmals in einer anderen Zeitschrift bereits im Jahr 2000 erschienen). Der Link zum Aufsatz: http://www.criticalsocietyjournal.org.uk/Archives_files/It%27s%20a%20%28Two-%29Culture%20Thing.pdf.
Vornweg zwei Kritikpunkte.
1) Er nutzt eine Theorie, die zwischen „blutiger“ und „unblutiger Kultur“ unterscheidet, ohne dass (zumindest mir) klar geworden wäre, wozu das nötig ist. Er benutzt sie, um Vegetarismus (neben anderen Formen von Nicht-Veganismus) vom Veganismus abzugrenzen und als ethisch unzureichend zu charakterisieren. Nur braucht es dafür keine solche Theorie. Was er tut, sieht letztlich sehr nach poststrukturalistischem / postmodernistischem Gebaren aus: Metaphernreiches Theorisieren ohne Erkenntnisgewinn. (Aufschlussreich in einem anderen Fall dazu ist Gary Steiner: Tierrecht und die Grenzen des Postmodernismus: Der Fall Derrida, in: ALTEXethik 27 (2010), 3–10 oder hier.) Damit in Verbindung steht, dass der Judaismus als Ausgangspunkt für die „unblutige Kultur“ nennt im Gegensatz zum Hellenismus. Ohne das weiter auszuführen ist das sehr fragwürdig.
2) Dass er den Eindruck erweckt, Carol Adams ginge so viel besser mit dem Veganismus um als die anderen Autoren, die er kritisiert, nur weil die zweite Auflage ihres Buches in dieser Hinsicht etwas besser sei als die erste. Auch das kann ich nicht nachvollziehen. Das Buch ist trotzdem weiterhin vor allem auf „Fleisch“-Kritik ausgerichtet und auf Vegetarismus als „Lösung“, womit es sich nahtlos in die Reihe der anderen Autoren einreiht.
Nun zum Positiven: Kew beschreibt hier, wie Veganismus als ethisches Grundlinie von all den Philosophen vernachlässigt wurde (und wird), die als Tierrechtsphilosophen bezeichnet werden oder sich selbst bezeichnen. Dagegen stellt er Lewis Gompertz. Er hat sich bereits 1824 in einem Buch (neben der Ablehnung von „Fleisch“) auch aus ethischen Gründen gegen Tiermilchkonsum und gegen die Benutzung von Pferden ausgesprochen. Damit war er sehr nah am Veganismus, ist heute aber fast unbekannt. Dagegen gilt Henry Salt als einer der Begründer der Tierrechte, obwohl er lediglich Vegetarismus forderte (andere Tierprodukte und den Einsatz von Pferden hingegen kaum kritisierte) und ebenso wie später Peter Singer deutlich hinter Gompertz zurückblieb. Singer und andere, die ihre Theorien Jahrzehnte nach der Gründung der Veganen Gesellschaft England entwickelten, sahen trotzdem keine Notwendigkeit, Veganismus als ethische Grundlinie zu setzen, sondern reden tlw. bis heute nur von Vegetarismus. Und das gilt nicht nur für die 1970er oder 1980er Jahre, sondern selbst in Bücher des letzten Jahrzehnts (von Waldau, DeGrazia, Rowlands, Garner, Bekoff u.a.) spielt Veganismus immer noch nur die Nebenrolle, falls er überhaupt erwähnt wird. (Inzwischen treten lediglich wenige Ausnahmen wie Francione oder Steiner eindeutig für Veganismus ein.)
Interessant ist auch die Parallele zum Abolitionismus. Die, die für konsequenten Veganismus eingetreten sind, forderten ebenfalls die Abschaffung statt der Regulierung der Tierindustrie. So heißt es im Magazin der Veganen Gesellschaft England von 1951 (ganzes Zitat und Quelle im o.g. Aufsatz):
Dagegen sind die Vegetarismus-befürwortenden Philosophen ebenfalls Befürworter des Reformismus; mal mehr (Singer, Garner), mal weniger (Regan).
Bleibt festzuhalten: Wenn man Veganismus will, muss man Veganismus fordern und fördern. Wenn man das Ende der Tierausbeutung will, muss man Abolitionismus fordern und fördern. Alles andere ist theoretisch wie auch praktisch schlicht und ergreifend Unsinn.
Vornweg zwei Kritikpunkte.
1) Er nutzt eine Theorie, die zwischen „blutiger“ und „unblutiger Kultur“ unterscheidet, ohne dass (zumindest mir) klar geworden wäre, wozu das nötig ist. Er benutzt sie, um Vegetarismus (neben anderen Formen von Nicht-Veganismus) vom Veganismus abzugrenzen und als ethisch unzureichend zu charakterisieren. Nur braucht es dafür keine solche Theorie. Was er tut, sieht letztlich sehr nach poststrukturalistischem / postmodernistischem Gebaren aus: Metaphernreiches Theorisieren ohne Erkenntnisgewinn. (Aufschlussreich in einem anderen Fall dazu ist Gary Steiner: Tierrecht und die Grenzen des Postmodernismus: Der Fall Derrida, in: ALTEXethik 27 (2010), 3–10 oder hier.) Damit in Verbindung steht, dass der Judaismus als Ausgangspunkt für die „unblutige Kultur“ nennt im Gegensatz zum Hellenismus. Ohne das weiter auszuführen ist das sehr fragwürdig.
2) Dass er den Eindruck erweckt, Carol Adams ginge so viel besser mit dem Veganismus um als die anderen Autoren, die er kritisiert, nur weil die zweite Auflage ihres Buches in dieser Hinsicht etwas besser sei als die erste. Auch das kann ich nicht nachvollziehen. Das Buch ist trotzdem weiterhin vor allem auf „Fleisch“-Kritik ausgerichtet und auf Vegetarismus als „Lösung“, womit es sich nahtlos in die Reihe der anderen Autoren einreiht.
Nun zum Positiven: Kew beschreibt hier, wie Veganismus als ethisches Grundlinie von all den Philosophen vernachlässigt wurde (und wird), die als Tierrechtsphilosophen bezeichnet werden oder sich selbst bezeichnen. Dagegen stellt er Lewis Gompertz. Er hat sich bereits 1824 in einem Buch (neben der Ablehnung von „Fleisch“) auch aus ethischen Gründen gegen Tiermilchkonsum und gegen die Benutzung von Pferden ausgesprochen. Damit war er sehr nah am Veganismus, ist heute aber fast unbekannt. Dagegen gilt Henry Salt als einer der Begründer der Tierrechte, obwohl er lediglich Vegetarismus forderte (andere Tierprodukte und den Einsatz von Pferden hingegen kaum kritisierte) und ebenso wie später Peter Singer deutlich hinter Gompertz zurückblieb. Singer und andere, die ihre Theorien Jahrzehnte nach der Gründung der Veganen Gesellschaft England entwickelten, sahen trotzdem keine Notwendigkeit, Veganismus als ethische Grundlinie zu setzen, sondern reden tlw. bis heute nur von Vegetarismus. Und das gilt nicht nur für die 1970er oder 1980er Jahre, sondern selbst in Bücher des letzten Jahrzehnts (von Waldau, DeGrazia, Rowlands, Garner, Bekoff u.a.) spielt Veganismus immer noch nur die Nebenrolle, falls er überhaupt erwähnt wird. (Inzwischen treten lediglich wenige Ausnahmen wie Francione oder Steiner eindeutig für Veganismus ein.)
Interessant ist auch die Parallele zum Abolitionismus. Die, die für konsequenten Veganismus eingetreten sind, forderten ebenfalls die Abschaffung statt der Regulierung der Tierindustrie. So heißt es im Magazin der Veganen Gesellschaft England von 1951 (ganzes Zitat und Quelle im o.g. Aufsatz):
Dagegen sind die Vegetarismus-befürwortenden Philosophen ebenfalls Befürworter des Reformismus; mal mehr (Singer, Garner), mal weniger (Regan).
Bleibt festzuhalten: Wenn man Veganismus will, muss man Veganismus fordern und fördern. Wenn man das Ende der Tierausbeutung will, muss man Abolitionismus fordern und fördern. Alles andere ist theoretisch wie auch praktisch schlicht und ergreifend Unsinn.