Sheila Kitzinger: Frauen als Mütter - Geburt und Mutterschaft in verschiedenen Kulturen
Ich hätte noch mehr zitieren können, da ging es dann um die "biologische Falle" des Mutterseins, die laut feministischen Denken immer noch herangezogen werde, um die Frau ans Haus zu binden etc...
Dieses Posting war mir seit der Diskussion über das Dasein als Mutter und die Beziehung zum eigenen Kind ein dringendes Bedürfnis. Das genannte Buch wurde zwar schon in den 70ern geschrieben, aber es scheint sich nicht viel geändert zu haben im Denken vieler Feministen. Doch stellt sich hier die Frage: muß eine Frau ein Kind bekommen, nur weil sie die dafür erforderlichen Fähigkeiten/Anlagen besitzt? Und muß sie nach der Geburt des Kindes tatsächlich (auf ewig) "Hausfrau" sein? Ist es nicht viel eher so, daß es mittlerweile immer mehr verpönt ist, wenn eine Frau längere Zeit ausschließlich für ihre Kinder da ist?
Das zeigen auch die aktuellen Entwicklungen Kinderbetreuung und das Erziehungsgeld betreffend. Da werden immer mehr Krippenplätze und Tagesmütter gefordert, damit Mütter alsbald "wieder in den Beruf zurückkehren" können; das Erziehungsgeld wird für alle Kinder, die ab 2007 geboren werden, nur noch ein Jahr gezahlt (bzw. 14 Monate, wenn der Vater noch 2 Monate Erziezungsurlaub nimmt). Frauen, die ein Kinder/Kinder wollen, haben also immer weniger die Wahl, es wird davon ausgegangen und die Gesellschaft vermittelt das auch oft nur allzugut, daß "Muttersein allein ja nichts richtiges ist" und Mütter deswegen alle ganz scharf darauf sind, ihr Kind bald in die Obhut Dritter zu geben um "frei und selbständig" zu sein. Ich will damit nicht verleugnen, daß es solche Frauen gibt und will ihre Wünsche auch nicht verurteilen, schließlich hat jede eine andere Lebensgeschichte und demzufolge auch andere Vorstellungen vom Leben.
Wer aber bei all diesen gesellschaftlichen Neuerungen auf der Strecke bleibt, sind all die Mütter, die das eben nicht wollen/brauchen - und, nicht zuletzt, deren Kinder. Denn für die scheint sich, wenn sie denn endlich da sind und somit ein wenig Hoffnung mitbringen, daß es auch in 3-4 Jahrzenten noch eine staatliche Rente geben wird und junge Arbeitskräfte nicht ausgehen, niemand so richtig zu interessieren. Wären nur genügend Tagesmütter oder Krippenplätze vorhanden, wären sie gut "untergebracht" und ihre Mütter könnten zufrieden arbeiten gehen. Oder etwa nicht...?
Dabei endet die Abhängigkeit des Kindes von der Mutter mit Sicherheit nicht am Tag der Geburt. Die Mutter ist es, bei der das Kind nicht nur die für es am geeigneteste Milch bekommt sondern auch Nähe und Sicherheit. Ihre Stimme kennt es, seitdem sich sein Gehörsinn entwickelt hat, ihre Bewegungen, ihre Art zu gehen schon viel länger. Mütter sind nicht beliebig austausch- oder ersetzbar. Das mag einigen Lesern nun nicht gefallen, drängt sich doch hier wieder das unheilvolle Bild von der "Mutterfalle" auf. Doch ich behaupte, daß es den meisten Mütter zumindest in den ersten Lebensmonaten wenn nicht sogar -jahren ihres Kindes ziemlich leicht fällt, vornehmlich "allein Mutter zu sein". Hierbei hilft natürlich wieder die "biologische Falle": die Hormone, die auch bei anderen Säugetieren dafür verantwortlich sind, daß sich Mütter fast unablässig um ihre Kinder kümmern und für die deren Schutz und Wohlergehen an vorderster Stelle stehen.
Und um nun endlich zum Punkt zu kommen ;-): sicher würden trotzdem sehr viele Mütter auch etwas anderes tun, sich mit mehr Menschen umgeben als "nur" ihren Kindern, den Eltern in der Krabbelgruppe, den Müttern in der Stillgruppe oder dergleichen. Aber eine Frau, die das will, hat eigentlich keine Wahl: wer als Mutter arbeiten geht, muß sein Kind meist irgendwo zurücklassen. In "primitiveren" Kulturen dagegen ist das absolut kein Thema: dort arbeiten Mütter nach der Geburt ihrer Kinder sobald wie möglich wieder, sie übernehmen wieder die Aufgaben, die sie haben um etwas zum Überleben beizutragen. Ganz selbstverständlich sind ihre Kinder dabei, sie lernen, daß ihre Mütter wichtiges zu tun haben und haben gleichzeitig die Sicherheit, nicht ohne sie sein zu müssen.
Eine Mutter in unserer Gesellschaft dagegen kann wahrscheinlich niemals eine absolut befriedigende Entscheidung treffen, denn es ist sicher für fast keine Mutter zufriedenstellend, von ihrem (kleinen) Kind täglich viele Stunden getrennt zu sein. Dadurch werden Mütter also nicht freier, die Zwänge haben sich nur verschoben bzw. sie können sich aussuchen, welchen Zwängen sie sich unterwerfen (oder auch nicht). So kann eine Frau, die sich einige Jahre allein um die Kinderbetreuung und den Haushalt kümmert, sich wahrscheinlich freier fühlen als eine Frau, die einen schnellen Wiedereinstieg in den Beruf gewählt hat.
Nötig wäre also, endlich Mutterinstinkte nicht mehr zu verleugnen bzw. diese mit der "freiwilligen Unterwerfung der Frau" zu begründen sondern Möglichkeiten zu schaffen, wo Mütter sich als solche ins gesellschaftliche Leben einbringen und berufstätig sein können. "Als solche" heißt in diesem Fall: Arbeitsplätze schaffen, wo sich Frauen gemeinsam mit ihren Kindern aufhalten können bis es für beide Seiten kein Zwang mehr ist, sich regelmäßig voneinander zu trennen. Das wäre wohl wahre Emanzipation und würde nicht zuletzt dazu beitragen, daß auch Kinder in unserer Gesellschaft nicht nur als potentielle Rentenzahler wieder mehr wertgeschätzt würden.
Tanja
PS: Eine kleine persönliche Anmerkung: bei uns im Kaff gibt es einen Gemüseladen, wo eine junge Frau arbeitet, die täglich ihr Kind mit ins Geschäft bringt. Sicher ist der Verkauf von Obst und Gemüse für viele keine besonders anspruchsvolle Tätigkeit, aber in meinen Augen hat diese Frau den absoluten Traumjob. Ich würde auch gern arbeiten gehen - aber unter den gegebenen Umständen bin ich dazu nicht bereit (und emanzipiert genug, mir das nicht als "Unterwerfung" vorhalten zu lassen)...