Stuttgart/Bonn/Halle (dpa) - Die Deutschen, Weltmeister im Honigessen mit 1,3 Kilo pro Kopf und Jahr, müssen sich auf noch mehr Importe umstellen. Die Varroamilbe hat unter einheimischen Bienenvölkern ein bisher kaum bekanntes Massensterben ausgelöst. Der Parasit drang in viele Brutzellen ein und vernichtete die Larven. Experten schätzen, dass die Milbe schon 40 Prozent von rund einer Million Bienenvölker in Deutschland vernichtet hat.
Der hohe Anteil des Honigs aus amerikanischen Staaten und China wird weiter steigen. Fachleute nennen eine Ursachenkette, die für das große Bienensterben von den Alpenländern bis nach Skandinavien verantwortlich sein dürfte.
Erster Auslöser soll schon der milde Winter 2001/2002 gewesen sein, in dem sich die Varroamilbe massiv entwickelt habe. Der Leiter des Fachzentrums Bienen an der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim bei Würzburg, Dietrich Mautz, verweist zudem darauf, dass die Bienen dann sehr früh mit der Brut begonnen hätten, was den Parasiten zu Gute gekommen sei. Folgende ungünstige Witterungsbedingungen hätten die Bienenvölker ebenfalls geschwächt, sagt Mautz. «Häufige und heftige Regenfälle im Spätsommer haben den Sammeleifer der Bienen gebremst; das Nahrungsangebot war nicht ausreichend.» Damit sanken nach Ansicht von Mautz die Widerstandskraft und die Anzahl der Immen.
Neben den Regenfluten im August sieht Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Stuttgart-Hohenheim, noch einen zweiten Grund für das Massensterben. Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft deutscher Bieneninstitute hat er sich im März besonders eifrig umgehört. Rosenkranz befürchtet, dass eine nicht immer optimale Stockpflege das Vordringen der Milbe erleichtert habe.
Die gefährliche Varroamilbe soll bereits Ende der 70er Jahre durch Bieneneinfuhr aus Asien eingeschleppt worden sein. Üblicherweise vernichtet sie kaum 10 Prozent der Brut. 1996/97 gab es den bisher stärksten Milbenbefall, der aber überwunden wurde. Der Parasit bevorzugt nach Angaben des Vorsitzenden des Landesverbandes Württembergischer Imker, Anton Reck, die Drohnenbrut. Befällt die Milbe ein Volk, wird es oft total vernichtet. Ein Beleg für die Ursachenthese vom verregneten Spätsommer ist die Häufung der Verluste von 60 bis 70 Prozent in Südbayern, wo besonders viele Gewitter niedergingen. Bayern beherbergt übrigens etwa ein Drittel der deutschen Bienenstöcke.
Nach Angaben des halleschen Wissenschaftlers Robbin Moritz könnte auch der Preis vom deutschen Honig steigen. «Möglicherweise wird der deutsche Honig jetzt noch teurer», sagte Moritz. «Das eigentliche Problem für den Rückgang der Hausbienenvölker ist aber nicht die Varroa-Milbe, sondern die sinkende Zahl der Imker,» erklärte der Universitätsprofessor und Bienenexperte der dpa. Der Varroa-Befall verleide vielen Imkern ihr Hobby und sie scheuten den großen Pflegeaufwand. Laut Moritz halbiert sich pro Jahr die Zahl der Imker in Deutschland.
Der Imkerverband Rheinland verweist nach einem Bericht der «Welt am Sonntag» darauf, dass einige hauptberufliche Imker bereits um ihre Existenz bangen. Nach Schätzungen der Organisation dürfte die Honigproduktion in Deutschland im laufenden Jahr von rund 25 000 auf etwa 15 000 Tonnen sinken. Schwierig werde die Lage auch für die Obst- und Gemüsebauern, weil sie deutlich weniger Bienenvölker zur Bestäubung der Blüten bekommen.
© dpa - Meldung vom 30.03.2003 15:30 Uhr