Gedüngte Felder und rülpsende Kühe sind in Deutschland für elf Prozent des Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich, rechnet der WWF vor. Die Umweltschutz-Organisation schlägt deshalb Emissionssteuern für die Landwirtschaft vor, auch wenn das die Lebensmittel verteuert.
Betreiber von Kohlekraftwerken und Fahrer von sprithungrigen Autos gelten schon länger als Klimasünder. Doch auch Bauern tragen beträchtlich zum Ausstoß von Klimagasen bei. Die Landwirtschaft sei in Deutschland mit bis zu elf Prozent an den Treibhausgas-Emissionen beteiligt, heißt es in einer am heutigen Montag vom WWF Deutschland veröffentlichten Studie.
METHAN UND LACHGAS: DIE KLIMAKILLER DER LANDWIRTSCHAFT
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Die Umweltschützer fordern von den Bauern nun mehr Engagement. "Die Landwirtschaft darf nicht ausgenommen werden", sagte Harald von Witzke, einer der Autoren der Studie. Die Abgase einer einzigen Milchkuh seien in etwa so klimaschädlich wie die eines Kleinwagens, der 18.000 Kilometer im Jahr gefahren werde. Der WWF fordert deshalb eine Emissionssteuer für die Landwirtschaft, die allerdings Lebensmittel teurer machen würde.
In der Landwirtschaft sei nicht Kohlendioxid das Hauptproblem, sagte Witzke. Der CO2-Ausstoß, der etwa beim Einsatz von Traktoren oder bei der Herstellung von Dünger entsteht, wird durch die CO2-Aufnahme der Nutzpflanzen wettgemacht. Dennoch verursacht die deutsche Landwirtschaft der Studie zufolge unter dem Strich den Gegenwert von 65 Millionen Tonnen Kohlendioxid, vor allem in Form Lachgas und Methan. Letzteres entströmt unter anderem dem Innern von Rindern.
Zwar sind die absoluten Mengen der Treibhausgase in der Landwirtschaft vergleichsweise gering. Doch ist der Beitrag zum Klimawandel besonders groß: Methan wirkt 21-mal so stark auf die Atmosphäre wie Kohlendioxid, Lachgas sogar 310-mal so stark.
Wirkung um Faktor 21 oder 310 größer
Das Lachgas entsteht nach WWF-Angaben weltweit in großen Mengen beim Reisanbau und in Deutschland unter anderem bei der Nutzung von Kunstdünger. Der wird laut Witzke nur zur Hälfte von Pflanzen aufgenommen, der Rest entweicht als Lachgas oder wird ausgeschwemmt. So steige aus einem Hektar gedüngter landwirtschaftlicher Nutzfläche pro Jahr der Gegenwert von 1,3 Tonnen Kohlendioxid in die Luft - in etwa so viel wie aus einem Auto mit 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer bei 10.000 Kilometern Laufleistung im Jahr.
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WWF-Expertin Tanja Dräger de Teran betonte, dass ökologische Landwirtschaft wegen des geringeren Energieaufwands auch weniger Treibhausgase verursache. Öko-Landbau solle deshalb besonders gefördert werden.
Das Umweltbundesamt (UBA) hat die Angaben des WWF prinzipiell bestätigt. Weltweit gingen rund 14 Prozent der Klimagas-Emissionen auf das Konto der Landwirtschaft, sagte UBA-Mitarbeiter Dietrich Schulz im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die vom WWF für Deutschland angegebenen elf Prozent Anteil hält der Leiter der UBA-Abteilung Landwirtschaft allerdings für zu hoch: "Wir gehen in Deutschland von sieben Prozent aus."
Die Emissionen aus der Landwirtschaft könnten allerdings zu geringen Kosten deutlich verringert werden, sagte Witzke, der an der Berliner Humboldt-Universität forscht. Das allgemeine Ziel, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent CO2-Äquivalent zu senken, müsse auch in der Agrarwirtschaft erreicht werden. Schon jetzt gebe es zum Beispiel Techniken, Gülle oder auch Kunstdünger so auf die Felder auszubringen, dass weniger Klimagase entweichen.
Von den Italienern lernen
Allerdings seien die Methoden meist teurer als die bisher genutzten. Deshalb müsse ein finanzieller Anreiz für die Bauern geschaffen werden, meint Witzke. Das ginge über die Emissionssteuer oder auch über die Einbeziehung der Landwirtschaft in den Emissionshandel. Beides würde bewirken, dass der Ausstoß von Klimagasen teurer und sich die Vermeidung lohnen würde.
Den Vorschlag, die Landwirtschaft in den Emissionshandel einzubeziehen, hält man im Umweltbundesamt aber für schwer umsetzbar: "Ein Emissionshandel mit rund 200.000 landwirtschaftlichen Betrieben - das wäre administrativ kaum zu bewältigen", sagte Schulz.
"Die rechnerisch einfachste Lösung wäre, wenn alle Menschen sich ab sofort vegan ernähren würden", erklärte der UBA-Experte. Das werde jedoch kaum passieren. Schulz verweist auch darauf, dass ein Verzicht auf Viehhaltung die Landwirtschaft existentiell bedrohen würde.
Als guten Kompromiss empfiehlt Schulz die mediterrane Ernährung. Ein Italiener beziehe nur etwa 25 Prozent seiner täglichen Kalorienaufnahme aus tierischen Quellen, die Deutschen dagegen bei 39 Prozent. "Lebensfreude und weniger Fleisch sind also durchaus vereinbar", meint Schulz.
hda/AP
5. November 2007
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,515494,00.html