Forenübersicht RSS

Pressespiegel:
Kein Katzenfell! Das vom Nerz tut's auch

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 2

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

Kein Katzenfell! Das vom Nerz tut's auch

Autor: martin.p | Datum:
In einem mehrseitigen Artikel wird sich über "Pelz" aufgeregt - allerdings nur über solchen, der von "Haus"tieren stammt. Denn schließlich will "niemand die Artgenossen seiner Haustiere am Leib tragen". Ein weiteres Beispiel für die Paradoxie des Speziesismus: die Menschen, die sowas verurteilen, sind für den täglichen Mord von Millionen Tieren verantwortlich, nur weil die nicht so "süß" sind.
Und nicht genug der Paradoxien: die "Pelz"branche, mit einem jährlichen Massenmord an 400 Millionen Tieren, will mit dem Verzicht auf "Haustierfellen" "Imageschäden" vermeiden.

Haustier auf dem Kleiderbügel

Autor: martin.p | Datum:
Von Sabrina Ebitsch

Flauschige Fellkrägen waren einer der Modetrends dieses Winters. Ahnungslose Käufer gehen davon aus, sich in Kunstpelz zu kuscheln - tatsächlich werden für das lukrative Geschäft mit Haustierfellen oft Hunde und Katzen geschlachtet.

Hamburg - "Gaewolf exklusive" steht in silbernfarbenen Buchstaben auf das Etikett gestickt. Die Anbieterin beim Internet-Auktionshaus eBay preist einen "exklusiven Damenpelzmantel" mit "wunderschöner Zeichnung" an. Was sie potenziellen Kunden da schmackhaft macht, das weiß sie allerdings nicht genau.
"Ich kann leider nicht sagen, was ein Gaewolf-Pelz ist, da er im Kaufhaus so angeboten wurde! Auf dem Etikett ist auch nichts zu finden", gibt sie auf Nachfrage zu. Die Antworten anderer eBay-Verkäufer mit ähnlichen Angeboten reichen vom "sibirischen oder russischen Wolf" über "eine südamerikanische Wolfsart" bis zum "Wolf aus Afrika".

Die Wahrheit dürfte ebenso überraschend wie unangenehm sein. Der so unverdächtig wirkende Pelz stammt aller Wahrscheinlichkeit nach von einem normalen Haushund. Zahllose Hunde und Katzen werden in asiatischen Schlachthäusern auf grausamste Weise getötet. Ihre Felle liefern den Rohstoff für viele der in Europa gerade in den letzten Monaten beliebten Pelzapplikationen.

"Davon ausgehen, dass es sich um Hundefell handelt"

Seit Jahren weisen Tierschutzorganisationen darauf hin, dass neben den Fellen klassischer Pelztiere auch die von Katzen und Hunden nach Europa importiert und zu Mänteln, Jacken und Krägen verarbeitet werden. Europaweite Stichprobenkäufe und DNS-Tests haben dafür Beweise geliefert. Da der Import, anders als etwa in Amerika, hier zu Lande nicht verboten ist, wandert ein Großteil der Haustier-Felle aus Asien auch über deutsche Ladentheken.

Weil niemand die Artgenossen seiner Haustiere am Leib tragen will, operieren Händler laut Tierschützern mit Tarnnamen. "'Gae' ist das koreanische Wort für Hund. Wenn Sie das auf einem Etikett finden, können Sie davon ausgehen, dass es sich um Hundefell handelt", erklärt Kristina Bergerhausen vom Deutschen Tierschutzbund. Oft wird auf den Etiketten auch ohne nähere Angabe nur "Echtpelz" oder "Orthopädisches Leder" vermerkt. Eine Deklarationspflicht über die genaue Herkunft und Art des Pelzes gibt es nicht.

Den Händlern kann das nur recht sein. Verständlicherweise bewahren die meisten Stillschweigen über das unpopuläre Geschäft. Nur eine Berliner Firma bekannte sich bis vor kurzem dazu, für die Fertigung ihrer Kleidungsstücke Katzenfelle zu verwenden. Dann wurden sie nach Auskunft einer Mitarbeiterin aus dem Sortiment genommen - wegen mangelnder Nachfrage.

Die wenigen Firmen, die ganz offiziell ihr Geld mit Haustierpelzen verdienen, handeln meist mit Decken und Gelenkwärmern. Der Volksglaube schreibt Katzenfell bei rheumatischen Beschwerden eine heilende Wirkung zu. Öffentlichkeitsscheu sind aber auch diese Händler - kaum einer ist zu einer Stellungnahme bereit.

Die eigentliche Modepelz-Industrie müht sich, Berichte über den Handel mit Haustierfell als Märchen darzustellen - Tierschützer hätten es in die Welt gesetzt, um den ohnehin anfälligen Ruf der Branche zu schädigen. "Diese Listen mit Tarnbezeichnungen sind hanebüchen. Man kann vieles behaupten, aber den Beweis sind uns die Tierschützer noch schuldig geblieben", sagt Susanne Kolb-Wachtel, Geschäftsführerin des Deutschen Pelz-Instituts. An Hunde- und Katzenfelle im Sortiment von deutschen Kaufhäusern glaubt sie nicht.

Als Beweis aber führt der Tierschutzbund die zahlreichen Zeitungs- und Fernsehberichte an, in denen das Geschäft mit Hunden- und Katzenfellen bereits nachrecherchiert und in erschreckender Deutlichkeit dargestellt wurde. Eine Welle der Empörung ging schon vor einigen Jahren durch die Bundesrepublik, als der Journalist und Gründer von Animalnetwork, Manfred Karremann, im "Stern" und bei "Stern TV" von Hunde- und Katzenschlachtereien in Asien berichtete.

Die Schlagader durchgetrennt

Vor allem im China, Thailand und auf den Philippinen werden die Tiere gezüchtet oder von der Straße weg gefangen, um in Schlachthäusern zu Tode gebracht zu werden. Katzen werden mit einer Drahtschlinge erhängt. Der fünf Minuten dauernde Todeskampf spielt sich vor Augen der übrigen Tiere ab. Hunde lässt man ausbluten, indem die Schlagader in der Leiste durchtrennt wird. "Es ist unstrittig, dass in weiten Teilen Asiens Katzen und Hunde auf solch grausame Art und Weise hingerichtet werden, damit ihre Pelze keinen Schaden nehmen", bestätigt Claudia Hämmerling, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Senat.

Viele der Felle werden dann über Zwischenfirmen nach Europa exportiert - oft ohne sie als das zu deklarieren, was sie sind. Für zwei, drei Euro ist ein Katzenfell auf dem Markt zu haben, damit lassen sich immerhin vier bis fünf Mantelkrägen anfertigen. Über welche Kanäle die Felle in europäische Kaufhäuser gelangen und als was sie dem Kunden dann verkauft werden, bleibt oft fraglich.

Eine Verkäuferin in der Damenmodeabteilung bei Peek & Cloppenburg - eine der wenigen großen Modehäuser, die noch Echtpelz anbieten - weist die Frage nach Katzen- und Hundefell im Sortiment zwar entschieden zurück: "So was gibt's bei uns nicht. Wir haben nur Qualitätsware. Aber bei irgendwelchen Billighändlern aus Osteuropa kann das schon vorkommen."

"Die verrücktesten Auskünfte"

Und es kommt vor: An der Universität von Amsterdam wurde Pelzware aus Stichprobenkäufen in europäischen Kaufhäusern untersucht. Bei über fünf Prozent der zufällig ausgewählten Kleidungsstücke konnte eindeutig die DNS von Hunden nachgewiesen werden. Solche Erbgut-Tests sind zwar teuer und umständlich - für einen eindeutigen Beweis, den auch die Pelzindustrie fordert, jedoch meistens notwendig.

Denn der Großteil des verarbeiteten Tierhaars wird bis zur Unkenntlichkeit gerupft, geschoren, gefärbt, mit Laser behandelt oder sonstwie den Kundenwünschen angepasst - und ist für den Laien kaum als Haustierhaar zu erkennen. "Die Pelze sind oft so stark bearbeitet, dass selbst ein Fachmann kaum noch bestimmen kann, um was es sich handelt", sagt Grünen-Sprecherin Hämmerling, "aber man bekommt von Verkäufern die verrücktesten Auskünfte".

Als Test für den Hausgebrauch empfiehlt Jürgen Faulmann, Kampagnenleiter Pelz und Leder bei der Tierschutzorganisation Peta, im Geschäft ein paar einzelne Haare aus dem Fell zu zupfen und sie dann vor der Türe übers Feuerzeug zu halten. Wenn es kokelt und riecht, hat der Käufer zumindest die Gewissheit, dass es sich um echtes Tierfell handelt - und nicht um Kunstpelz, wovon man bei aktueller Mode automatisch ausgeht. "Der Konsument wird konsequent getäuscht. Aber er will das vielleicht auch, die unangenehme Wahrheit wird da lieber verdrängt", so Faulmann.

Seriöse Kürschner hüten sich

Vielen Kunden ist die Wahrheit wohl auch gar nicht mehr so unangenehm. Pelz werde inzwischen anders wahrgenommen und sei, vielleicht als Ausdruck eines neuen Hedonismus, zu einem ganz normalen Kleidungsstück geworden, freut sich Kolb-Wachtel vom Pelz-Institut: "Die Verbraucher sind toleranter geworden. Sie lassen sich nicht mehr bevormunden." Weltweit werden jedes Jahr 400 Millionen Tiere wegen ihres Fells getötet , allein die Pelzindustrie in Deutschland setzt mit diesem Rohstoff jährlich fast eine Milliarde Euro um - mit seit Jahren steigender Tendenz, trotz aller Tierschützer-Kampagnen.

Allerdings ist die Branche bemüht, Image-Schäden zu vermeiden. Eine freiwillige Selbstbeschränkung verpflichtet seit Jahren die meisten Händler dazu, auf Haustierfell zu verzichten. Zusätzlich sollen ab Herbst dieses Jahres fest eingenähte Etiketten, die sowohl mit der Bezeichnung "echtes Fell" als auch mit dem zoologischen Namen des Tieres versehen sind, den Kunden vor der Fellfalle bewahren. Und ein seriöser Kürschner oder Pelzhändler wird schon im eigenen Interesse vermeiden, jemals in den Ruch zu kommen, anderes als die klassischen Pelze im Sortiment zu führen.

Dem Beispiel Amerikas folgen

Trotzdem fordern Tierschützer seit Jahren eine rechtlich bindende Kennzeichnung der Pelze. Oder besser noch ein Verbot des Imports und Handels mit Haustierfellen. Denn niemand macht sich strafbar, wenn er in Europa dem Kunden "Echtpelz" aus Katzenfell anbietet. Vorbild könnten die USA sein: Der amerikanische Kongress hat vor drei Jahren mit dem "Cat and Dog Protection Act" aus dem Haustierhandel ein verbotenes Geschäft gemacht. Damals hatte Amerikas größte Tierschutzorganisation, die Humane Society, mit mehreren Undercover-Recherchen die Geschäftemacherei auf dem Haustierpelzmarkt aufgedeckt.

Seitdem freilich hat sich der Schwerpunkt des Handels umso deutlicher nach Europa verlagert. Der EU-Parlamentsabgeordnete Struan Stevenson macht sich deshalb für einen ähnlichen Bann der Haustierfelle in der Europäischen Union stark. "Mit der mangelhaften Deklaration hier wird die Öffentlichkeit zum Narren gehalten", sagt der schottische Konservative. Er fordert, dem Beispiel Amerikas zu folgen: "Das könnte zahlreichen Hunden und Katzen in Korea, in China und auf den Philippinen das Leben retten."

© SPIEGEL ONLINE 2003, 03.04.2003