Leserakademie
Foodwatch-Gründer Thilo Bode über Lebensmittel-Lügen, Irreführungen der Kunden und falsche Versprechen
Von Anne Klesse
Nur Veganer können sich leisten, Porsche zu fahren. Zu dieser kühnen These kam Thilo Bode, "Foodwatch"-Chef und ehemaliger Greenpeace International-Geschäftsführer, während seines Vortrags an der Leserakademie der Berliner Morgenpost. Denn, so seine Begründung, ganz gleich ob das Steak nun von einer Kuh aus konventioneller Landwirtschaft oder von einem Bio-Vieh stamme, "beide stoßen Methan aus - und das ist nicht gerade ökologisch vorteilhaft." Veganer könnten beim Autofahren also richtig Gas geben, da ihre Mahlzeiten sehr viel klimaschonender seien als die der Fleischesser.
"Wie viel Bio steckt in Bio?" war Thema der zehnten Veranstaltung der Leserakademie, an der 250 geladene Morgenpost-Abonnenten teilnahmen. Schnell stand die Frage im Raum: Ist Bio die Lösung aller Probleme? "Ich glaube, Bio ist ein wichtiger Ansatz, um die Produktion von Lebensmitteln zu verbessern", so Thilo Bode. Aber: "Bio ist keine Lösung, um den Lebensmittelmarkt so zu verbessern, dass der Kunde wirklich König ist."
Wo Bio drauf steht ist auch Bio drin
Vor rund fünfeinhalb Jahren, zu einer Zeit, in der BSE die Schlagzeilen beherrschte, gründete Thilo Bode in Berlin seine Verbraucherschutzorganisation "Foodwatch". "In Großbritannien starben damals 150 Leute an den Folgen von BSE, zur Verantwortung gezogen wurde dafür jedoch niemand", so Bode. Auf der Suche nach einer Interessenvertretung für Verbraucher habe er schließlich selbst eine gegründet. Die meisten Anfragen kämen zum Thema Bio.
"Wo Bio drauf steht, ist auch Bio drin", machte Thilo Bode gleich zu Beginn seines Vortrags klar. Dazu hielt er ein Papier mit dem EU-Biosiegel hoch. Ebendieses sei das einzige Lebensmittelprüfzeichen in Deutschland, das "sozusagen staatlich garantiert" sei. "Darauf können Sie schon vertrauen", so Bode. Produktions- und Herstellungsbedingungen seien festgelegt, die Betriebe zertifiziert und die Kontrollen sicher. "Die Frage ist nur, ist es das Bio, das Sie erwarten?"
Das Prädikat "Bio" als Illusion
Bei dieser Frage ging ein kurzes Raunen durch den Raum im 19. Stockwerk des Verlagshauses. "Bio bezieht sich allein auf die Produktion der Rohstoffe", so Thilo Bode weiter. Im Anbau dürfe kein Pflanzenschutzmittel, kein Mineraldünger verwendet werden, die Tierhaltung sei "artgerechter als in der konventionellen Landwirtschaft." Aber: Bio-Pizza, Bio-Kuchen, Bio-Gummibärchen - laut Thilo Bode oftmals Mogelpackungen.
Bei der Kennzeichnung "Bio" vermuteten viele, ein Produkt sei gesund, in "Bio" werde allgemein viel hinein interpretiert - "eine Illusion", so Bode. Auf Bio-Wochenmärkten etwa. Kürzlich habe er dort ein Glas Hagebuttenmarmelade erworben. Ein gutes, gesundes, regionales Produkt aus Biolandbau - dachte er, wie wohl viele gedacht hätten. Doch falsch: Die eingekochten Früchte waren weder Bio, noch aus Brandenburg - sondern stammten aus konventionellem Anbau in Argentinien. Der Händler hatte sich unter die Bio-Stände gemischt, der Wochenmarkt heiße zwar Bio, sei aber offen für jedermann, habe es auf Nachfrage geheißen. Bio - eine Sache des Vertrauens. Und der richtigen Kennzeichnung. "Informieren Sie sich, woher was kommt, was drin ist, fragen Sie nach", riet Thilo Bode deshalb. Negativ-Beispiele hatte er genug parat. Die "Original Münchner Weißwurst" etwa, bei der das Fleisch aus Ungarn und Polen stammt, der Darm aus China. "Es darf trotzdem "Original Münchner' heißen, weil es genügt, wenn eine Produktionsstufe vor Ort stattfindet", klärte Bode die Zuhörer auf. Oder der Erdbeerjoghurt "mit natürlichen Aromen": "Dass das Aroma aus Holzpilzen, nicht aus Erdbeeren gemacht ist, erfährt niemand", so Bode. Das sei beim normalen wie beim Bio-Erdbeerjoghurt gleich. "Foodwatch" prangert das fehlende Informationsrecht der Verbraucher an, fehlende Infos über die Herstellung von Lebensmitteln. "Das sind Dinge, die wir uns nicht gefallen lassen müssen", sagte Bode auch in der Leserakademie.
Dass Deutschland von einem "Bio-Boom" erfasst sei, wies er zurück und rechnete vor: "Der Markt für biologische Lebensmittel hat ein Volumen von rund fünf Milliarden Euro, der für Lebensmittel insgesamt 140 bis 150 Milliarden Euro." Trotz größerer Wachstumsraten im Bio-Lebensmittelmarkt bilde dieser nur einen vergleichsweise geringen Anteil. Bode: "Es ist nicht so, dass Bio auf dem Vormarsch ist und das andere immer mehr zurückgedrängt wird. Das scheint nur so."
Essen, was schmeckt
Trotzdem: Bio ist besser. Für die Umwelt, das Klima, vielleicht für die Gesundheit, auf jeden Fall für das Gewissen. Denn umweltfreundlicher sei die biologische Rohstoffproduktion allemal. Auch da gebe es Ausnahmen - "die Biotomate, die aus Spanien mit dem Lastwagen transportiert wird, ist natürlich kein ökologisches Musterbeispiel." Auch der Genuss des Bio-Steaks sei eben auch nicht frei von Umwelt- und Klimaschädigenden Faktoren.
"Bio hat Zukunft, aber nicht in der jetzigen Form", so Bode. Es fehle eine transparente Kennzeichnung. Die Forderung nach einem ganz und gar biologischen Lebensmittelmarkt sei eine Illusion. "Das würde schon deshalb nicht funktionieren, weil sich viele Leute Bio nicht leisten können." Zum Ende verriet Bode noch etwas über sein persönliches Ernährungsverhalten. Und beruhigte die Zuhörer: Trotz allem esse auch er vor allem das, was ihm schmeckt.
Aus der Berliner Morgenpost vom 19. März 2008
http://www.morgenpost.de/content/2008/03/19/berlin/952847.html