11.06.2008
Die rasant steigenden Ölpreise wirken sich bis in die hintersten Winkel dieser Welt aus: In Zentralanatolien stieg die Nachfrage nach Eseln in ungeahnte Höhen - gegen den daraus resultierenden Preisanstieg fallen die Kursgewinne für das berühmte Fass Brent Oil gering aus.
Istanbul - Wenn einer Grund zur Klage hätte, dann wären es die anatolischen Bauern. Oder umgekehrt: Wenn einer Grund zur Freude hätte, dann wären es die anatolischen Eselzüchter. Binnen eines Jahres stieg der Preis für die genügsamen, aber manchmal recht eigensinnigen Tiere in ländlichen Gebieten Zentralanatoliens von umgerechnet rund 26 Euro auf bis zu 180 Euro, wie die Zeitung "Zaman" am Mittwoch berichtete.
DPA
Im Dorf Lök in der Provinz Yozgat beispielsweise seien die meisten Bauern inzwischen von ihren Traktoren auf Esel umgestiegen. Die Zahl der Lastentiere im Dorf habe sich auf 100 verdoppelt.
Den Esel-Trend gibt es "Zaman" zufolge nicht nur in einigen wenigen Dörfern. Unter Berufung auf das Landwirtschaftsamt in Yozgat berichtete die Zeitung, in der Provinz seien im vergangenen Jahr mit 4400 Eseln fast doppelt so viele Tiere verkauft worden wie ein Jahr zuvor.
Viele Bauern ließen ihren Traktor stehen, weil sie sich den Dieselkraftstoff nicht mehr leisten könnten. Der Preis für einen Liter Diesel sei von gut einem Euro im vergangenen Jahr auf 1,55 Euro in diesem Jahr gestiegen.
Würde die Preisentwicklung aber ähnlich stürmisch verlaufen, wie bei den Langohren, dann stünde die Weltwirtschaft womöglich schon vor dem Kollaps. Zwar stieg der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent binnen Jahresfrist um immerhin knapp 85,7 Prozent, doch der für Esel legte im gleichen Zeitraum um spektakuläre 553,8 Prozent zu.
Nun lassen sich die Preisentwicklungen natürlich nicht direkt miteinander vergleichen - eher schon müsste man schon dem Eselpreis den für Traktoren gegenüberstellen, oder dem Ölpreis den für Heu.
Gleichwohl ziehen die Börsenprofis wichtige Lehren daraus: Oft lässt sich mit Gütern abseits der großen Strömung erheblich mehr Geld verdienen. Hobby-Anlegern, die sich durch Spekulationen auf den Ölpreis einen Teil des Preisanstiegs zurückholen wollen, raten sie denn auch ab. "Das ist eine riskante Sache", warnt Lothar Gries, Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Nur wer hochspekulativ orientiert und geübt sei, solle sich derzeit in den Markt hinein wagen. Für "normal begabte Anleger" heiße der Ratschlag eher: "Finger weg vom Öl".
Der Grund: Über die nahe Zukunft der Ölpreisentwicklung ist sich die Fachwelt völlig uneins. Während die einen Rohstoffexperten für die kommenden zwei Jahren unbeirrt neue Rekordhöhen von bis zu 200 Dollar pro Barrel (159 Liter) prognostizieren, befürchten andere eine spekulative Blase, schwankende Notierungen und bald eine scharfe Korrektur nach unten. Grundsätzlich haben Anleger natürlich die Möglichkeit, auf steigende wie fallende Kurse zu setzen. Riskant ist beides aber allemal.
Eine Garantie, dass die boomende Nachfrage nach Eseln anhält, gibt es natürlich auch nicht. Hinzu kommt, dass auf diesem Gebiet noch andere Marktgesetze gelten: Eselchen werden vor Ort gehandelt, von Händler zu Käufer und per Handschlag. Die Trader hinter ihren Bildschirmen in New York, London oder Frankfurt haben hier noch wenig Einfluss.
mik/AFP http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,559041,00.html