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Hexenkult mit Tieropfern bis Mitte des 20. Jahrhunderts

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Hexenkult mit Tieropfern bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Autor: Achim Stößer | Datum:
Archäologen fanden überraschend neue Leichen in Kultgruben in Cornwell. Immerhin ist "Hexerei" seit 1736 in England "legal". Das jüngste Opfer, ein Hund, wurde dabei frühestens in den 1950ern getötet.

Hexenkult bis in die fünfziger Jahre

Autor: Achim Stößer | Datum:

12.08.2008
CORNWALL

Von Angelika Franz

Waren in Cornwall bis vor kurzem Hexen aktiv? Archäologen haben in Opfergruben am Rande einer alten keltischen Heilquelle Tierkadaver und angebrütete Eier entdeckt, die dort vor Hunderten Jahren vergraben wurden. Laboranalysen ergaben jetzt: Das bizarre Treiben endete erst in den fünfziger Jahren.

Britische Häuser kommen oft mit ihrer eigenen Gruselgeschichte daher. Da heult eine einsame Seele auf dem Dachboden, hier poltert ein unruhiger Geist über den Flur. So manches Gespenst macht eine Immobilie gar erst attraktiv.

Als Jacqui Wood 1983 in Saveock Mill einzog, ahnte sie noch nicht, welch mysteriöses Treiben sich einst in ihrem Garten abspielte.

Saveock Mill ist eine alte Mühle aus dem 17. Jahrhundert. Zu dem Haus gehört ein riesiges Grundstück, inklusive eines kleinen Bächleins namens Tinny Brook. Jacqui Wood ist von Beruf Archäologin. Und so war sie hocherfreut, als sie eines Tages am Ende ihres Gartens, unten am Ufer des Tinny Brook, neolithische Pfostenlöcher entdeckte. Der Fund ist an sich für Cornwall nicht ungewöhnlich. Schließlich ist die attraktive Landzunge in den Armen des Golfstroms schon seit der Altsteinzeit mehr oder weniger dicht besiedelt. Wood machte die Fundstelle zu einer Lehrgrabung, und wühlt sich seitdem gemeinsam mit Schülern und Studenten Meter um Meter durch ihr Grundstück.

Eier mit Küken, Katzen und Hunde

Dort kamen spektakuläre Dinge zutage: ein bronzezeitlicher Kupfer-Brennofen, eine heilige Quelle, Fingernägel, Kleidungsreste – und Gruben, die auf einen alten Hexenkult hinwiesen (mehr... http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,541881,00.html). Mehr als 35 Löcher fand Wood am Ufer des Tinny Brook, alle etwa 40 mal 35 Zentimeter groß und 17 Zentimeter tief, ausgelegt mit der Haut eines Schwans, die Federn nach innen gedreht, darin Elstern und Eier mit Küken, die kurz vor dem Schlüpfen standen.

Hundekadaver stammt aus den fünfziger Jahren

Die jüngsten Grabung brachte einige Überraschungen zu Tage: In einer Grube fand Wood eine schwarze Katze. Kurze Zeit später einen Hund: Sorgfältig gehäutet, die Grube mit dem schwarzen Fell ausgelegt, darauf zusammengerollt der nackte Kadaver.

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Wood reiste von Konferenz zu Konferenz und berichtete von den Funden aus ihrem Garten. Doch kein Kollege hatte je ähnliche Dinge auf seinen Ausgrabungen gesehen: Weder Schwanenkult noch Eierkult noch Haustierkult war ihnen je untergekommen. Auch die Volkskundler konnten nicht weiterhelfen. "Wahrscheinlich ist der Kult so geheim, dass er immer noch in meinem Garten praktiziert wird, und ich bekomme es nur nicht mit", pflegte die Archäologin zu witzeln.

Doch als sie jetzt die Kohlenstoff-14-Datierungen für die toten Vögel, die Katze und den Hund aus dem Labor zugeschickt bekam, stockte ihr das Lachen.

Die Vögel starben um das Jahr 1640. Die Katze wurde um 1740 in die Grube gelegt, sechs Jahre nachdem in England der "Witchcraft Act" die Hexerei quasi legalisiert hatte. Doch als Wood die Daten des Hundes las, musste sie sich erst einmal setzen: Die Knochen waren frühestens in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in die Grube gelegt worden - vielleicht auch später.

Eher unwahrscheinlich ist, dass ein Haushund zufällig zwischen den Hexen-Hinterlassenschaften landete. Und der Besitzer hätte ihm wohl auch kaum das Fell abgezogen, um damit die Grube auszulegen – auf die gleiche Art, wie es den Schwänen 300 Jahre zuvor widerfahren war.

Hexengeschichten aus dem Pub

Seit 30 Jahren wohnt Wood in der Saveock Mill - aber von Hexenzauber auf ihrem Grundstück hat sie niemals erfahren. Darauf kam das Gespräch erst, als einer ihrer Studenten am Abend im Red Lion Pub im Nachbarort von den neuen Datierungen erzählte. "Hinter den Bahngleisen lebten die Hexen", berichteten die alten Männer am Tresen. Eine Brücke über die Gleise hatte das Hexen-Grundstück bis in die sechziger Jahre mit dem Garten von Saveock Mill verbunden.

Zu den angeblichen Hexern zählen die Pubbesucher auch Harold Burnett, der kinderlos im Jahr 1945 starb. Seine Hütte vererbte er seinen beiden Nichten, den Burnett Sisters. Den Nachbarn erschienen die beiden Frauen verdächtig, die unter einfachsten Bedingungen lebten. Im Dorf hieß es, die Schwestern tranken nie etwas anderes als Regenwasser vom Dach ihrer Hütte. Geheiratet haben sie nie. Als die letzte der beiden starb, ging das Haus an ihren Neffen.

"Wahrscheinlich waren es die Burnett Sisters, die irgendwann nach 1950 den Hund in die Grube legten", spekuliert Wood im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. "Da die Eisenbahnbrücke schon nicht mehr stand, als ich hier einzog, habe ich nie Kontakt zu diesen Nachbarn auf der anderen Seite der Gleise gehabt." Jetzt sei sie gespannt, "was ich noch so alles in den Gruben finde".

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,569996,00.html

Die Hexengruben von Cornwall

Autor: Achim Stößer | Datum:
17.03.2008

VOGELKULT IN SÜDENGLAND

Von Angelika Franz

Auf Schwanenhaut gebettete Eier und tote Elstern in kleinen Erdlöchern: In Südengland hat eine Archäologin Spuren eines mysteriösen Rituals entdeckt. Was steckt hinter dem bizarren Vogelzauber, der im 17. Jahrhundert mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft wurde?

Seit 1482 gehören alle Höckerschwäne, die in England auf öffentlichen Gewässern schwimmen, dem Königshaus. Und wenn es um das Wohl der äußerst schmackhaften weißen Vögel geht, versteht die Krone keinen Spaß. Noch 2005 musste sich der Komponist Sir Peter Maxwell Davies dafür verantworten, als die Polizei in seinem Haus Reste eines gerupften Schwanes fand, der nach einer Kollision mit einer Hochspannungsleitung tot vom Himmel gefallen sein soll.

Was heute nur noch als Kavaliersdelikt geahndet wird, konnte Engländer Mitte des 17. Jahrhunderts das Leben kosten. Vor allem, wenn der Schwan gar nicht in einem Akt des Mundraubes getötet wurde, sondern für ein weitaus schwerwiegenderes Verbrechen: Hexerei. Wer bei solcher erwischt wurde, landete direkt auf dem Scheiterhaufen.

Das hielt die Bewohner des kleinen Weihers Saveock Water nahe der südenglischen Stadt Truro nicht davon ab, gelegentlich den einen oder anderen Schwan zu entwenden. Die eindeutigen Indizien für das Vergehen im County Cornwall hat jetzt rund 350 Jahre später die Archäologin Jacqui Wood gefunden.

Zunächst konnte die Ausgräberin wenig mit dem merkwürdigen Arrangement anfangen, das sie im nassen Ton einer natürlichen Quelle entdeckte: Nahe beieinander lagen mindestens 35 Gruben, alle etwa 40 mal 35 Zentimeter groß und 17 Zentimeter tief. Einige davon waren mit der Haut eines Schwans ausgelegt, die weißen Federn nach innen, wie ein weiches Bett. An den Seiten lagen die Körper von zwei Elstern. Und in der Grube, sorgfältig aufgehäuft, Eier. In allen Größen, von Zwerghuhn bis Ente. Bis zu 55 Stück pro Grube.

Vorratslager oder Brutstation?

Die Schalen hatten die Jahrhunderte nicht überlebt, wohl aber die schützende Membran, die den Blick auf den Inhalt der Eier freigab: fertige Küken, kurz vor dem Schlüpfen. Dazwischen lagen Kieselsteine und Vogelkrallen, sorgfältig in Blätter zu kleinen Päckchen gewickelt. Andere Gruben waren leer. Doch vereinzelte Federn und Steinchen auf ihrem Grund verrieten der Ausgräberin, dass auch sie einst als Lager für diese seltsamen Sammelsurien gedient hatten.

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Wood überlegte lange, ob es für diese Gruben eine rationale Erklärung geben könnte. Eine Brutstation für Vögel? Doch warum dann die Haut der verbotenen Schwäne und die toten Elstern? "Mir fällt einfach keine andere Erklärung für diese Anordnung ein als ein heidnisches Ritual", erklärt Wood mit einer gewissen Resignation. Denn ihr ging es in ihrer Karriere als experimentelle Archäologin eigentlich immer darum, scheinbar rituelle Handlungen oder Gegenstände zu entmystifizieren. "Wenn Archäologen etwas nicht gleich verstehen, dann nennen sie es gewöhnlich 'magisch' oder 'rituell'", wettert sie gegen die gängige Praxis. "Und jetzt finde ironischerweise ausgerechnet ich etwas, das nun wirklich kaum anders zu interpretieren ist."

Was sollte der Vogelzauber bewirken? Es musste etwas sehr Wichtiges sein, wenn die Leute in Saveock Water dafür ihr Leben riskierten. Ein erster Anhaltspunkt sind die Schwäne. Sie galten als Tiere der christlichen Heiligen Brigida von Kildare, Schutzpatronin der Schmiede, Milchmädchen und Poeten – aber auch der Hebammen und der Neugeborenen. Die Kieselsteine stehen auch mit den großen Wasservögeln im Zusammenhang. Sie stammen aus einem etwa 25 Kilometer entfernten See, der von den Einheimischen "Swan Pool" genannt wird.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,541881,00.html

2. Teil: Warum fand der Kult ein plötzliches Ende?

Autor: Achim Stößer | Datum:
Elstern, die sich ebenfalls in den Löchern fanden, werden noch heute in Cornwall abergläubisch beäugt. "Eine für Sorgen, zwei für Freud", sagen die Leute, wenn sie einen der schwarzweißen Vögel sehen. Und Eier sind weltweit das Symbol für Fruchtbarkeit schlechthin. "Meine Theorie ist, dass junge Frauen, die im ersten Jahr der Ehe nicht schwanger wurden, mit diesen Opfergruben die höheren Mächte um Hilfe baten", spekuliert Wood. Wirkte der Zauber, kamen sie zurück, verbrannten den Inhalt der Gruben und ließen so die Seelen der toten Vögel frei. "Von diesen glücklichen Fällen erzählen dann jene Gruben, die wir leer gefunden haben." Die Frauen hingegen, die die heute noch gefüllten Gruben anlegten, blieben kinderlos – oder aber starben auf dem Scheiterhaufen, bevor sie zu ihrer Grube zurückkehren konnten.

"Das ist aber alles nur Theorie", sagt Wood. "Ich habe viele Experten und Kollegen auf der ganzen Welt gefragt, aber niemand kennt vergleichbare Funde oder Parallelen aus der Volkskunde." Deshalb bittet Jacqui Wood auch die Leser von SPIEGEL ONLINE um Mithilfe: Wer schon einmal von einem ähnlichen Brauch oder Fruchtbarkeitsritual gehört hat, möge sich bei Wood melden (Kontaktdaten siehe Kasten).

Zitat: Wer Ideen und Anregungen zur Interpretation der Rituale hat, kann Jacqui Wood kontaktieren unter jacqui@archaeologyonline.org Telefon: +44 1872 560351.

Die Grabung von Saveock Water ist zugleich eine Lehrgrabung. Von April bis August bietet Jacqui Wood allen archäologisch Interessierten die Möglichkeit, an ihrer Arbeit teilzuhaben. Der Preis beträgt 170 britische Pfund pro Woche (Mindestalter 14 Jahre). Mehr Informationen unter archaeologyonline.org.


In Saveock Water wurde in jenen Tage noch mehr gehext. Gleich neben den Schwanengruben fand die Archäologin ein Quellbecken, dessen Füllung voller Stoffstreifen war. 125 verschiedene Textilien hat sie gefunden, darunter auch drei feine Wolle-Seide-Mischungen. "So etwas trugen nur sehr reiche Leute", sagt Wood. "Die Bewohner von Saveock Water arbeiteten in der nahen Mühle, sie besaßen so kostbare Kleider mit Sicherheit nicht." Auch viele Teile von Schuhen lagen im Wasser, Schnallen und jede Menge Nadeln, viele aus Messing.

Das plötzliche Ende des mysteriösen Treibens

An ihnen konnte Wood den Inhalt des Quellbeckens datieren. Sie alle stammen aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, aus derselben Zeit also, in der die Schwanengruben angelegt wurden. Dazu kamen Zweige von Heidekraut und zahllose Kirschkerne, aber auch menschliche Haare und abgeschnittene Fingernägel. Als ob diese Mischung nicht schon genug Beleg für Hexenzauber sei, fand Wood zu allem Überfluss auch noch die Reste eines soliden, alten Kessels. "Die haben ihren Hexenkessel gleich mit versenkt", sagt die Ausgräberin und lacht.

Die Stoffstreifen sind Zeugnis eines Rituals, das heute noch in Cornwall und anderen keltisch beeinflussten Regionen Englands Tradition hat. An sogenannten "clootie wells" tauchen Kranke ein Stück Stoff ihrer Kleidung in das Wasser und binden es dann an die darüber hängenden Zweige eines Baumes. Wenn der Stoff langsam verrottet, verschwindet auch die Krankheit - sagt der Volksglauben. "Viele kommen auch zu einer dieser Quellen, um einfach nur zu beten", sagt Wood. "Sie gelten als heilige Orte. Der Stoffstreifen soll das Gebet noch intensiver machen, als ob man einen Teil von sich selbst dort zurücklässt."

Das Ende der Zauberei kam jedenfalls ganz plötzlich um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Das Quellbecken wurde hastig verfüllt und keine neuen Schwanengruben wurden mehr angelegt. "Zu der Zeit zogen die Häscher Oliver Cromwells durchs Land", erklärt Jacqui Wood. In den unruhigen Jahren der Kirchenkonflikte und des Bürgerkriegs wollte der Puritaner Cromwell alles Heidnische ausmerzen. Wer den Lehm in die "clootie well" schüttete, ist heute nicht mehr zu klären. Vielleicht waren es Cromwells Leute. Vielleicht aber waren auch die Hexen von Saveock schneller, und konnten noch rechtzeitig alle Spuren ihres Tuns verwischen.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,541881-2,00.html