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Ich wünscht ich wär ein Legebatteriehuhn

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Ich wünscht ich wär ein Legebatteriehuhn

Autor: Achim Stößer | Datum:
So singen wohl gewisse Journalisten, wenn sie fabulieren:
Zitat: Durch die größere Bewegungsfreiheit können manche Hennen einen Drang ausleben, für den in den engen Käfigen kein Platz war: Sie rupfen anderen die Federn aus, picken sie wund bis aufs Blut und fallen schlimmstenfalls wie Kannibalen über ihre Artgenossen her.
Offenbar kennen sie Hennen in "den engen Käfigen" ausschließlich von den Fotos, die ihnen die Tierausbeutungsindustrie zur Verfügung stellt. Wer uneingeladen in solche Anlagen geht, sieht dagegen die Leichen, die Verstümmelten, die Kannibalismusopfer und die Federlosen. Überall - in jeder Form der Gefangenhaltung. Dabei würde ein Blick auf eine seriöse Seite, die den Alltag der Unveganeropfer dokumentiert, genügen, einen wenig Realität zu schnuppern. Aber das ist wohl zu viel verlangt.

Da wundert es nicht, daß die Ermordung der Hühner in den Käfigen und die darauffolgende Gefangenhaltung anderer in größeren Käfigen allen ernstes als "Befreiung" bezeichnet und der Artikel mit einem Bild von einem Hahnenkampf "illustriert" wird.

Geflügelhaltung: Blutdürstige Hühner

Autor: Achim Stößer | Datum:
Geflügelhaltung: Blutdürstige Hühner
von Walter Schmidt


Hahnenkampf (Bild: rtr)

Lange haben Tierschützer und Verhaltensforscher dafür gekämpft; nun ist es soweit: Wer Legehennen bisher in Käfigen, so genannten Legebatterien, gehalten hat, muss die Vögel daraus befreien und von diesem Jahr an alternativ halten - bestenfalls im Freiland, zumindest aber auf dem Boden oder in Volieren, in denen die Hennen ihrer Natur entsprechend scharren, auf Sitzstangen übernachten und ihre Eier in Nestern ablegen können.

Doch was das kurze Leben der Tiere etwas erträglicher macht, hat einen gewaltigen Haken. Durch die größere Bewegungsfreiheit können manche Hennen einen Drang ausleben, für den in den engen Käfigen kein Platz war: Sie rupfen anderen die Federn aus, picken sie wund bis aufs Blut und fallen schlimmstenfalls wie Kannibalen über ihre Artgenossen her. "Die Picker greifen auch die Kloaken (gemeinsamer Darm- und Harnausgang, die Red.) anderer Hennen an, wenn diese etwas geschwollen sind", sagt Ruedi Fries, Professor für Tierzucht an der Technischen Universität München (TUM). "Die Opfer können am Ende regelrecht ausgeweidet werden, selbst wenn sie noch leben. Das ist grausam."

Warum das so genannte Federpicken bei manchen Hennen - allerdings längst nicht bei allen - auftritt, darüber konnten Wissenschaftler bisher jedoch nur spekulieren.



Käfighaltung
Noch 2007 waren laut Statistischem Bundesamt rund 68 Prozent der 40 Millionen Haltungsplätze für Legehennen in Käfigen. Zehn Jahre zuvor lag der Anteil der herkömmlichen Käfighaltung an allen Haltungsformen noch bei 89,7 Prozent.

17 Prozent der Plätze war 2007 für die Bodenhaltung vorgesehen. In Freilandhaltung sowie in der ökologischen Erzeugung lebten etwa 15 Prozent der Hennen. Zehn Jahre zuvor lagen deren Anteile bei rund sieben Prozent beziehungsweise bei etwa vier Prozent.

Seit Anfang Januar ist die Haltung von Hennen in konventionellen Legebatterien nicht mehr gestattet. Ein solcher Käfig lässt einem Huhn nur eine Fläche, die kleiner ist als ein DIN-A4- Blatt.

In die Kritik geraten ist die kostengünstige Käfige unter anderem deshalb, weil die Hennen ihr arteigenes Verhalten - wie Flügelschlagen und Sandbaden - nicht ausleben können. Wegen des Bewegungsmangels sind ihre Knochen nicht so fest und brechen leichter.

Tiere mit zu lang gewordenen Krallen können in den Käfigen hängen bleiben. Auch im Käfig kommt es durch die Enge zu großem Stress, Verletzungen und Schmerzen für die Tiere.

Auch Seuchen wie die Vogelgrippe breiten sich wegen der großen Anzahl der Tiere und der Haltungsdichte schneller aus.
Kein Wunder, dass die Halter von Legehennen dringend nach Abhilfe suchen. Eine Lösung für das Problem hat Fries nun allem Anschein nach selbst gefunden. Als sein Team und er das Verhalten frisch geschlüpfter Küken untersuchten, fanden sie heraus, dass es aufgrund genetischer Besonderheiten so etwas wie verschiedene Hühner-Persönlichkeiten gibt.

Die Küken einer Zuchtlinie, die weiße Eier legt, erkundeten im Experiment ihre Umgebung neugierig. Als Legehennen pickten diese Weißleger einander nur selten und wenn, dann nur ganz zart. Anders die Küken einer Vergleichslinie, die braune Eier legt: Sie blieben zu Anfang viel enger und wohl auch ängstlicher zusammengekuschelt als die jungen Weißleger und zeigten als ausgewachsene Tiere ausgeprägtes Federpicken.

Bei der Suche nach der Ursache dafür kam Fries der Zufall zu Hilfe: Der Tierzucht-Experte hatte einen Zeitungsartikel über auffällige Verhaltensunterschiede von Blau- und Kohlmeisen gelesen. Bei den Meisen ist eine spezielle Gen-Variante namens DRD4 verantwortlich dafür, wie emsig sie ihre Umwelt erkunden. Diese Variante enthält die Bauanleitung für einen Rezeptor, an den der wichtige Nervenbotenstoff Dopamin im Gehirn quasi andocken kann. Vögel mit DRD4 erkunden ihre Umwelt deutlich neugieriger als solche, die nicht über diese Gen-Variante verfügen.

Könnte es sein, so fragte sich der Münchner Tierzucht-Experte, dass DRD4 auch das Verhalten von Legehennen mitsteuert und diese - falls es im Erbgut fehlt - zu verhaltensauffälligen Federpickern mit vergleichsweise geringer Erkundungsfreude werden lässt?

Um das zu untersuchen, wählten die ZUM-Wissenschaftler insgesamt fünf Hühnerlinien aus: je zwei Zuchtlinien aus der kommerziellen Hühnerzucht und aus einem Zuchtexperiment, bei dem Hennen auf starkes und seltenes Federpicken hin selektiert wurden, und fünftens eine unselektierte Kontrollgruppe. Insgesamt prüften die Forscher 141 Erbgut-Proben der verschiedenen Zuchtlinien auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten - und wurden gleich doppelt fündig.

Denn nicht nur bestätigte sich der Verdacht, dass ein Fehlen der Gen-Variante DRD4 den Hang zum neurotischen Federpicken verstärkt. Auch eine weitere, charakterbestimmende Gen-Variante ließ sich klar häufiger bei den Federpickern nachweisen als in der Kontrollgruppe. Beim Menschen begünstige diese zweite Gen-Spielart das Auftreten von Depressionen und die Neigung zum Freitod unter seelischer Belastung, berichtet Fries.

Hennen, die zum Federpicken neigen, "können Stress nicht so gut ertragen", zieht der Forscher als vorläufiges Fazit. Sie hacken auf Artgenossen ein, weil sie sich anders offenbar nicht zu helfen wissen. Anders gehen verhaltensnormale Artgenossen mit Stress um - "zum Beispiel indem sie sich bewegen und den Auslauf, den Kaltscharrraum draußen, aufsuchen", sagt Fries.

Weitere Studien sollen die Befunde noch bestätigen. "Wir wollen neurobiologisch klären, was in den Hirnen der verhaltensauffälligen Hennen passiert", sagt Fries. "Denn es geht hier um eine Verhaltensanomalie, die bei Wildhühnern nicht vorkommt."

Industriepartner des TUM-Projekts ist die Lohmann Tierzucht in Cuxhaven. Laut Eigenwerbung verfügt sie über die "klare Marktführerschaft in Deutschland und ist weltweit eines der bedeutendsten Unternehmen für die Basiszucht von Legehennen". Das Unternehmen hat die Ergebnisse bereits zum Patent angemeldet und möchte mit dem Wissen gezielt Zuchtlinien entwickeln, die nicht zum Federpicken neigen und sich deshalb besonders gut für eine tiergerechtere Haltung eignen: Weniger zu Tode gepickte oder verletzte Hennen erhöhen auch den Profit der Hühnerhalter.

Für Ruedi Fries sind die bisherigen Forschungsresultate aber noch aus einem zweiten Grund sehr interessant. "Die genetische Verhaltens-Forschung bei Vögeln kann auch die Erforschung psychischer Erkrankungen befruchten", sagt der aus dem Schweizer Kanton Luzern stammende Wissenschaftler. Womöglich könnten Hühner so dabei helfen, in einigen Jahren etwa Depressionen beim Menschen besser zu verstehen und in der Folge effektiver zu behandeln.

Während in Deutschland mit seinen 45 Millionen Legehennen (Stand 2007) die Käfighaltung schon seit dem 1. Januar 2009 verboten ist, ziehen andere EU-Staaten erst 2012 nach. "Sehr wahrscheinlich werden künftig mehr Käfig-Eier aus Frankreich und Italien nach Deutschland importiert werden", sagt Fries. "Die spannende Frage wird sein, wie sich Handelsketten wie Aldi oder Lidl verhalten werden." Denn der zusätzliche Aufwand beim Halten von Hennen könnte die Eier verteuern.