VON WOLFGANG GREBER (Die Presse) 09.04.2004
Rund 1,8 Milliarden Eier werden in Österreich jährlich aufgeschlagen. Wo kommen die eigentlich her? "Die Presse" war zu Besuch bei 3000 Bio-Legehennen.
ASPANG. Prrrrruutputputputput! Hühner sind gar nicht so feig, wie man glaubt. Sie können extrem neugierig sein - vor allem, wenn sie was Glänzendes sehen, wie schwarzpolierte Schuhe, auf denen Lichtflecken tanzen. Plötzlich ist man umlagert von einem Dutzend Hennen, mitten in diesem riesigen Stall mit dem gedämpften roten Licht. Es riecht stechend nach Ammoniak. Schnäbel picken auf die Schuhe ein, zerren an den Bändern. Die Tiere sind so fasziniert, dass man sie streicheln kann, diese braunen Federkissen. Schon ist ein Schuhband offen. Was wird aus ihnen, wenn sie keine Eier mehr legen? "Suppenwürfel", sagt der Bauer trocken.
Skepsis oder Neugier? Die 3000 Legehennen haben auf dem Hof von Karl Petz viel Platz zum Herumflattern | © Die Presse (Fabry)
Bis dahin werden die 3000 Legehennen des Karl Petz noch viel zu gackern haben. Vor eineinhalb Monaten, mit 17 Wochen, hat sie der steirische Landwirt - sein Hof ist nahe Aspang an der Südautobahn, hart an der Grenze zu Niederösterreich - eingestellt. Zuerst waren sie nervös, sagt Petz, da klappte es noch nicht so mit den Eiern. Nun seien sie fleißig: "Am 4. Mai waren's 1700 Stück", sagt der graumelierte 40-Jährige. In Spitzenzeiten sollen sie täglich mehr als 2700 Eier legen, fast 93 Prozent Legeleistung haben, wie der Landwirt sagt.
900 Millionen Eier werden in Österreich jährlich verkauft, 116 Stück pro Kopf. Die Hälfte kommt, so die Agrarmarketing Austria (AMA), aus Bio- und Freilandhaltung wie der von Herrn Petz, wo die Hennen, streng überprüft von Amtsärzten und anderen Kontrolloren, ein artgerechtes Leben mit viel Raum, Luft, Ruhe und gutem Futter führen. Industrie und Gewerbe brauchen nochmal 900 Millionen; das sind indes meist Billigeier aus Käfigfarmen, wo die Tiere wie Spargel in der Dose vegetieren.
Herr Petz gehört zu den "Guten": Im klimatisierten Stall, wo noch vor zwei Jahren Milchvieh stand - doch das sei unrentabel geworden, laufen Hennen gackernd herum, fünf pro Quadratmeter (in Käfigen sind's mehr als doppelt soviel, es wurden auch schon 22 Tiere pro m2 gezählt). Auf einer Rampe sind mit Streu und Stroh ausgekleidete, nischenartige Nester, in denen sie in Ruhe legen können. Auf dem Weg dorthin laufen sie über engmaschige Gitter, der Dreck fällt von den Beinen und auf eine Ebene, die regelmäßig geputzt wird. "Sonst haben sie nach einem Jahr den Kot so hoch stehen", sagt Petz und winkelt einen Arm über der Hüfte ab.
Das Eldorado für die 3000 Hühner der Rasse "Lohmann braun" ist aber vor dem Stall: Erst der überdachte "Außenklimabereich", in dem sie bei Tageslicht im Sägemehl scharren. Dann die Wiesen: Drei Hektar vor dem Hintergrund der baumbestandenen Hügel der Buckligen Welt - eine große Bühne auch für die vier Hähne zum Herumstolzieren. Es gibt Bäume und Hecken: "Dort gibt's Schatten, und wenn der Habicht kommt, flüchten sie dort drunter", sagt Petz. Manchmal sei der Habicht schneller.
Weil's dem Federvieh gut geht, dürfen Karl Petz und seine Frau Anna an die Firma Hubmann in Knittelfeld liefern, die eine bekannte Marke Bio-Eier vertreibt. Jede Woche kommt ein Lkw und holt die Eier, die ein Laufband aus den Nestern zur Sortiermaschine bringt. In die Kartons kommen Zettel mit der Adresse des Bauern. Etwa 14 Cent kriege er pro Bio-Ei, sagt Petz; für 3000 Hennen zahle er freilich 16.000 Euro, und 130 Tonnen Biofutter pro Legeperiode (gut 14 Monate) kosten auch.
Käfighaltung wäre doch einfacher? "Da könnt ich 15.000 Tiere haben, aber nur 70 Groschen pro Ei", sagt Petz, während Hennen auf den Schuhen herumpicken. Im übrigen sieht er das Verbot der Käfighaltung ab 2008 zwiespältig: "Wer zahlt den Bauern die Umbauten? Wenn sie vor fünf Jahren in Käfige investiert haben, stehn sie blöd da." Und: "Die Leut wollen immer auch billige Eier, beim ,Hofer' kauft man zu 70 Prozent Käfigeier." Ab 2008 sei halt russische Billigware im Regal.
Wenn die Hennen auf dem Petzhof etwa 17 Monate alt sind, ist ihre Zeit vorüber - sie legen immer weniger Eier, die Schalen sind immer dünner. Der Lkw holt sie ab. Der Stall wird desinfiziert. Dann kommen die Neuen.
http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=415425