Forenübersicht RSS

Pressespiegel:
Hühnerleben und Hühnersterben

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 2

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

Hühnerleben und Hühnersterben

Autor: Achim Stößer | Datum:
Erstaunlich kritisch schildert die "Thüringer Allgemeine" die Zustände der in "Geflügelschlachthof" und -"Transporten". Die auf der Hand liegende Lösung - Veganismus - wird selbstverständlich unterschlagen.

Ein Broilerleben

Autor: Achim Stößer | Datum:
Wenn es um Tiertransporte geht, werden meist traurige, erschöpfte Rinder oder Pferde gezeigt. Dabei rollt Geflügel in ungleich größerer Zahl zum Schlachten. 21 Millionen Tiere werden jährlich allein in den größten Thüringer Geflügelschlachtbetrieb in Hainspitz bei Eisenberg transportiert.


Wer kann sich schon 21 Millionen nebeneinander liegende Broiler vorstellen? Die ergäben eine Strecke von 4200 Kilometern, also von Erfurt nach Madrid und zurück. So viele Hähnchen stellen die 300 Beschäftigten des größten Thüringer Geflügelschlachthofes Hainspitz im Saale-Holzland-Kreis jedes Jahr zum Verzehr bereit. Aber die Thüringer essen mehr - rund 25 Millionen Broiler.

Dafür rollen hier täglich acht bis zehn Tiertransporter an, voll gestellt mit 480 Käfigen, acht Etagen hoch. In jedem 16 bis 18 Tiere. Pro Lkw sind das 7500 bis 8000. Aber hier wird nicht mit Tieren, sondern gleich in Kilo Fleisch gerechnet. 28 bis 29 Kilo je Käfig.

Gerade rollt ein solcher langer Transporter zur Annahme. Zwei Reihen fest installierter Ventilatoren blasen Sauerstoff zwischen die lebende Ladung. Die war etwa 20 Minuten unterwegs, kommt direkt von der nahen, eigenen Mastanlage mit ihren 52 Hallen. Eine Million Hähnchen werden hier ständig gemästet. Das bringt etwa die Hälfte von diesen 21 Millionen Schlachttieren.

Sie sehen dort weder Gras noch Sonnenlicht. Das Broilerleben währt ohnehin nur 37 Tage. Aber Schlachthofchef Karl Steiner (57) meint, sie lebten doch "recht komfortabel". Zumindest wird ihnen die lange Anfahrt erspart. "Kurzer Transport ist der beste Tierschutz, den wir machen können", betont Stefan Suhrke, der Amtstierarzt des Kreises. Denn Geflügel wird unterwegs nicht getränkt oder gefüttert. Paradox, es darf aber bis zu 14 Stunden am Stück transportiert werden. Bei allen anderen Schlachttieren sind im einfachen Transporter nur acht Stunden erlaubt. So sagt es die Transportverordnung. "Aber so lange sind Hühnchen nie unterwegs", tröstet der Veterinär.

Von dem guten, weil kurzen Transport nimmt Entlader Ralf Küll, 46, gerade die Dokumente entgegen. Trotz der kurzen Wegstrecke sind die von Hand eingefangenen Tiere 4.30 Uhr morgens verladen worden. Kurz nach elf Uhr wurde erst gestartet. Ihr Anblick, wie sie über das Band in die Schlachtung rollen, lässt Zweifel am guten Tierschutz aufkommen. Erst recht ein Blick auf fünf Mann, die die Tiere blitzschnell aus den Käfigen ziehen, an den Füßen aufhängen in langer Reihe, auf dem Weg zwischen automatische Messer . . .

Zumindest laufen Versuche, die Tiere schon auf dem Band zu betäuben. Dass es bei der industriellen Schlachtung von Ge- flügel weniger Protest aus der Bevölkerung gibt, so Tierarzt Suhrke, rühre aus den vielen Fertigerzeugnissen. Die Leute laufen nicht Sturm, weil sie weit weg sind vom Tier. "Dem Produkt sieht keiner mehr an, wie es einmal getötet wurde."

Schlachthofchef Steiner berichtet von Bio-Broilern, die vor zwei Jahren auf der Wiese gehalten und mit doppelt so viel Platz transportiert wurden. "Mit dieser Luxussparte habe ich 350 000 Euro Verlust eingefahren, denn die etwas teureren Auslaufhähnchen hat dann kaum jemand abgenommen." Von wegen Geschrei um besseren Tierschutz. Nur preiswert einkaufen wollten der Handel, die meisten so tierlieben Verbraucher. Und Bundesministerin Künast sehe schon in jeden fünften Tier ein solches Bio-Hähnchen, fasst sich der Chef hier an den Kopf. Die Branche ist in Bewegung. "Wir haben uns Billigimporten vor allem aus Thailand und Brasilien zu erwehren." Dass jüngste EU-Agrarminister-Verhandlungen zu verschärften gemeinschaftlichen Transportbedingungen er- gebnislos abgebrochen wurden, ist kein gutes Signal. Die zehn Neuen in europäischer Randlage wollen keine Begrenzung auf 500 Kilometer. Auch nicht den Tieren zuliebe.

Zu allem Übel gibt es noch wirklich schwarze Tage für sie. "In den Außenkäfigen sehe ich schon eine Menge Tote." Der Fahrer des Transporters von Baasdorf in Sachsen-Anhalt hatte den Thüringer Schlachtbetrieb noch von unterwegs auf die Tragödie vorbereitet. "Das war im letzten heißen Sommer", sagt Karl Steiner. Der Thüringer schlägt in den Unterlagen nach. "Das war am 8. August. Schon das Verladen der Tiere hatte über fünf Stunden gedauert. Eine schlagkräftigere Mannschaft hätte da manches verhindert." Als der Transporter gegen 17 Uhr in Thüringen ankommt, wird das ganze Ausmaß sichtbar. 1124 verendete Tiere. 15 Prozent der Ladung.

"Immer wenn es so heiß wird, haben wir beim Verladen und Transport möglichst die kühlen Nachtzeiten durchzusetzen", sagt Amtstierarzt Stefan Suhrke. Dabei waren das nur etwa 150 Kilometer Strecke. Laut Tiertransportverordnung muss das im Interesse des Wohlbefindens der Tiere "möglichst rasch und schonend" passieren.

Traurig blickende Rinder oder Pferde sind ein schlimmer Anblick. Aber auch der von zusammengedrängtem Geflügel, das ja nicht schwitzen kann, sondern nur hecheln, kriegt niemand so schnell aus dem Kopf. Veterinär Suhrke denkt immer wieder an die Kontrolle eines holländischen Transporters. An der A 4 hatte ihn die Polizei in die Haltebucht Gernewitz gewunken. "Unzählige Hennen, verendet." Schlachten in der Nähe unmöglich. Jede weitere Verzögerung hätte noch mehr Tieren das Leben gekostet. "Fahrer und Unternehmen verdienten eine weit höhere Strafe als die sofort verhängten 35 Euro." Aber mit Holland gibt es kein Rechtsschutzabkommen wie mit Österreich, wo die Behörden das Bußgeldverfahren durchsetzen. "Fahren Sie, so schnell Sie nur dürfen", riet der Tierarzt noch. Nach jüngstem hiesigem Tierschutzbericht wurden Geflügeltransporte 895 Mal kontrolliert. Beanstandungen - drei.

14.05.2004 Von Jürgen REICHENBÄCHER

http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.thueringen.volltext.php?kennung=on1taTHUThuNational38120&zulieferer=ta&kategorie=THU&rubrik=Thueringen®ion=National&auftritt=TA&dbserver=1