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Pressespiegel:
Selig die arm im Geiste - und in der Ethik

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Selig die arm im Geiste - und in der Ethik

Autor: Achim Stößer | Datum:
Wo finden sich wohl größere Heuchler zusammen als in Kirchen? Der Zeit-Bericht über einen Tiersegnungsgottesdienst spricht Bände - Fakten über das christliche Verhältnis zu anderen Tieren unter "Wie Bibeln und Christen zu Nichtmenschen stehen".

New York: Vier Pfoten für ein Halleluja

Autor: Achim Stößer | Datum:
Einmal im Jahr geht es in der New Yorker Kirche Saint John the Divine tierisch zu. Beim »Blessing of the Animals« bekommen Hund, Katze, Maus den Segen

Von Marc-Stefan Andres


Das Kamel gehört zu den Vorzeigetieren. Bei der Prozession marschiert es vorn
Foto [M]: Thorsten Arendt


Wir tragen Verantwortung für die Tiere«, sagt Christopher Wilson, und er wiederholt es wie ein Mantra, »Verantwortung, Verantwortung…« Wie verantwortlich sich der 15-Jährige fühlt, zeigt er schnell, blitzschnell sogar. Er zieht ein tragbares Hundeklo aus der Tasche, »für Valentine«. Der Junge aus Queens und sein Cockerspaniel besuchen schon zum dritten Mal das blessing of the animals, eine Messe, die die Cathedral Church of Saint John the Divine seit 1985 zu Ehren des heiligen Franziskus abhält. Wie in Dutzenden Kirchen in Amerika und anderswo segnet man auch in der Upper West Side von Manhattan jeweils am ersten Sonntag im Oktober zu Ehren seines Namenstages die Tiere und feiert »die Liebe des Menschen zur Natur«, wie es der Dean der Kathedrale, James A. Kowalski, erklärt. So viele Geschöpfe, wie sich hier bemühen, »harmonisch unter dem Himmelsdach zu leben«, empfängt allerdings keine andere Kirche. Tausend Säugetiere, Fische, Vögel sollen es sein, die mit ihren Frauchen und Herrchen zu Gast sind.

Zu Beginn der Messe ist es ungewöhnlich leise in der größten neogotischen Kathedrale der Welt. »Gott segne das Universum und alle Geschöpfe darin, groß und klein«, ruft der Dean. Plötzlich hört man Wale singen – von Band natürlich –, Wölfe heulen, Zaunkönige pfeifen, ein riesiger menschlicher Chor jubiliert dazu. Die Musik schwillt an, die Earth Mass/Missa Gaia, die der Komponist Paul Winter mit seinem Ensemble bei jeder Tiersegnung aufführt, vereint liturgische Klänge, Naturgeräusche und Instrumentaleinlagen. Tänzerinnen und Tänzer der Omega Dance Company schweben dazu durch den Gang, werfen Tücher in die Luft, anschließend tanzen die Forces of Nature zu einer Mischung aus afrikanischen und karibischen Rhythmen. Toleranz und Glaube, Liebe, politische Korrektheit und ein bisschen Esoterik sprudeln aus allen Ecken der Kathedrale. »Gott hilft allen, egal, welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe, welcher sexuellen Orientierung«, heißt es in der Predigt.

Der Höhepunkt der Veranstaltung aber ist die Prozession. Handverlesene Vorzeigetiere laufen durch das Kirchenschiff, die Tierführer tragen weiße Roben, das Kamel marschiert vor einem Windhund her, es folgen ein Pfau, Pinguine, ein Esel und eine Hundestaffel von der Feuerwehr, die nach den Terroranschlägen vom 11. September nach Vermissten suchte. Ein Mann trägt eine Boa auf der Schulter, ein anderer ein kleines Terrarium, aus dem ein Stinktier lugt. Die Menschen in der Kirche lachen, klatschen, jubeln. Mehrere Pfarrer segnen die Tiere anschließend einzeln, mit heiligem Wasser, wie es sich gehört. Während ein Geistlicher einen kleinen Terrier besprenkelt, sagt er, »Sam, sei gesegnet im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, dann kommen die Katze Rainbow und das Meerschweinchen Taffy dran. Manche der Tiere legen die Ohren an oder bewegen den Kopf ein wenig zur Seite. Die meisten aber blicken würdevoll auf den Pfarrer, ruhig und bedächtig.

Ob die Tiere sich nach der fast vierstündigen Messe gesegnet und erhaben fühlen, bleibt ungewiss. Die Besitzer jedenfalls schauen glücklich, wenn sie nachher den Zuschauern und Journalisten vor dem Hauptportal vom gemeinsamen Leben mit dem treuen Freund erzählen. Lee Sohl aus Kent/Connecticut etwa schwärmt von den Schweinen, Ziegen, Schafen, die sie auf ihrer Farm für Werbespots und Vorführungen trainiert. »Wir sind glücklich, seit sieben Jahren dabei zu sein«, sagt sie – heute allerdings nur in der Gesellschaft einiger übel gelaunt blickender Lamas.

Konsequent nutzt auch Paul S. Mankiewicz vom Gaia-Institut, das sich mit Umweltschutz und Abfallverwertung beschäftigt, die Medienpräsenz vor der Kirche: Er trägt ein Terrarium, in dem ein unscheinbarer Stein liegt: »Das ist das älteste Fossil Australiens.« Viele hören ihm allerdings nicht mehr zu, die meisten Besucher setzen sich in den kleinen Park rund um die Kirche ab, wo gerade das Volksfest in Schwung kommt. Es gibt Theateraufführungen, einen Streichelzoo, T-Shirts mit Jesusdrucken und reichlich zu essen – natürlich vegetarisch.


Information:
Das diesjährige Feast of St. Francis beginnt am Sonntag, 3. Oktober, um 11 Uhr. Cathedral Church of St. John the Divine, 1047 Amsterdam Avenue, New York, NY 10025, Tel. 001-212/3167540, www.stjohndivine.org

(c) DIE ZEIT 23.09.2004 Nr.40

Briten beten für Seele von Kuh und Schwein

Autor: Achim Stößer | Datum:
London - Britische Kirchgänger beten an diesem Wochenende für die Seele ihres Sonntagsbratens.
Wie die «Times» berichtete, wollen tausende anglikanischer Priester eine Liturgie von der Kanzel verlesen, die das Bewusstsein der Gläubigen für Tiere schärfen soll. Die Gebete gelten nach den Angaben «Tieren, die zum Zweck der Nahrung geschlachtet werden» ebenso wie solchen, die bei der Jagd sowie in Labors getötet oder zur Unterhaltung ausgestellt werden.

Der Autor des Gebetes ist der Geistliche Andrew Linzey, der einen Lehrstuhl für Theologie und das Wohlbefinden von Tieren in Oxford inne hat. Der Vegetarier wolle damit die Gläubigen dafür sensibilisieren, dass Gottes Gnade alle lebenden Kreaturen umfasse, hieß es. «Tiere haben ihr eigenes Gott gegebenes Leben und ihren eigenen Wert», zitierte die Zeitung den Theologen. Eine Sprecherin der Aktion wies darauf hin, dass 98 Prozent der Bevölkerung Fleischesser sind.



© dpa - Meldung vom 02.10.2004 12:47 Uhr