Rheine. Ein Elternpaar aus Rheine quälte sein sechs Monate altes Baby fast zu Tode. Es soll dem Kind die Nahrung verweigert haben. Das stellte ein medizinischer Sachverständiger am Dienstag bei der Hauptverhandlung am Amtsgericht Rheine fest.
Das Schöffengericht verurteilte das Ehepaar wegen „gemeinschaftlicher Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorgepflicht“ zu zwei Jahren auf Bewährung.
Als Bewährungsauflage müssen beide Elternteile jeweils 500 Euro an ein Kinderhospiz zahlen. Das Sorgerecht für das Baby wurde ihnen entzogen.
Nur durch das Einschreiten eines Nachbarn ist das Leben des Kindes gerettet worden, sagte Richter Peter Büssemaker. Der Nachbar hatte am 2. Dezember 2009 die Polizei gerufen, weil das Baby dauernd schrie.
Die Beamten fuhren in die Wohnung und sahen zwei Kinder vor dem Fernseher sitzen. Die Wohnung machte einen verwahrlosten Eindruck. Die Beamten verständigten das Jugendamt.
Am 17. Dezember 2009 ging ein Sozialarbeiter nach vorheriger Absprache in das Schlafzimmer des Kindes.
„Das Kind lag auf dem Rücken und schaukelte mit dem Kopf stark hin und her. Ich dachte sofort: Da stimmt was nicht“, sagte er vor Gericht. Als er die Bettdecke zurückschlug, sah er, „dass das Kind in einem fast lebensbedrohlichen Allgemeinzustand war.“ Der Sozialarbeiter rief sofort einen Krankenwagen.
Bei der Aufnahme in das Mathias-Spital wog das sechs Monate alte Kind 4550 Gramm bei einer Größe von 62 Zentimetern. Sechs Wochen nach der Geburt hatte es schon 5130 Gramm gewogen.
Der Rechtsmediziner der Universität Münster beschrieb eine deutliche Faltenbildung an Armen und Beinen sowie einen geblähten Bauch „als typisches Zeichen einer Mangelernährung, wie man es in Afrika sieht“.
Die Leberwerte waren erhöht. Zu trinken hatten die 25 und 26 Jahre alten Eltern dem Kind offensichtlich gegeben, aber wohl keine Nahrung. „Jeder kleinste Infekt hätte seinen Tod bedeuten können“, so der Mediziner.
Die Staatsanwältin sagte in ihrem Plädoyer: „Ich habe die Bilder gesehen. So sehen unterernährte Kinder in Afrika aus, aber nicht in Rheine im Jahr 2009“.
Das Kind lebt jetzt in einer Pflegefamilie und entwickelt sich gut. Ob die Eltern es langfristig zurückbekommen, ist fraglich.
Die beiden älteren Kinder wohnen bei dem Vater und dessen Mutter. Das Paar lebt getrennt.
Beide bedauern ihre Gleichgültigkeit zutiefst. Angeblich sei ihnen der Zustand nicht aufgefallen, da sie in einer persönlichen Krise lebten und die Mutter sich mit drei Kindern überfordert fühlte. „Ich hatte Angst, wenn ich das sage, bricht alles zusammen,“ sagte die Mutter vor Gericht.
VON MONIKA KOCH
http://www.mv-online.de/lokales/kreis_steinfurt/rheine/1446865_Elternpaar_quaelte_Baby_fast_zu_Tode.html