Aber ja. Nur: Ein dickes, teures Fell stellt hohe Anforderungen an das Ego. Wer ein Star sein will, muß sich etwas trauen, empfiehlt Joachim Bessing
von Joachim Bessing
[E]in Pelz, der diesen traumgeladenen Namen noch verdient, ein dunkler Nerz oder ein Zobel, kostet ein Vermögen von 100 000 Euro oder mehr. Wer es sich leisten kann, so viel für Bekleidung auszugeben, der soll es ruhig tun. Es entspricht seinem Lebenswandel, der wohl noch andere Schwachheiten entdecken lassen wird als nur die Sehnsucht nach der edlen Hülle.
Leopold von Sacher-Masoch läßt seine Erzählung von der "Venus im Pelz" mit einem schönen Traum beginnen, in dem seinem Erzähler eine Frau erscheint, die ahnt, daß er sie sich als seine Herrscherin ersehnt. Auch weiß sie, daß er insgeheim, als Träumender in einem Traum, sie bloß mit einem Pelz verhüllt sich wünscht - "Insofern es keine herrlichere Folie für ihren weißen Leib geben könnte als diese dunklen Felle." Da niest seine Göttin, die in Wahrheit Wanda heißt, zweimal hintereinander und lacht. Und er wacht auf aus seinem Schlaf, in den er "bei einem Buche von Hegel" gesunken war.
Die Wirklichkeit dieses Mannes verwandelt sich nun aber in einen weiteren Traum. Er gerät in die Nähe von Wanda, seiner Göttin, die ihn, wie er es sich erträumt hatte, bloß in einen dunklen Pelz gehüllt, nur noch mit Grausamkeit behandelt. Der Name des Autors Masoch benennt fortan die Spielart des Masochismus in der sexuellen Welt. Seine Nachfolger haben sich jedoch im Laufe der Zeit bekanntlich weniger edlen Materialien zugewandt. Lack und Latex - das ist nun wirklich Alptraum, fernab unserer Wirklichkeit.
Pelz jedoch haben schon unsere Vorfahren getragen. In seiner primitiven Form ein steinzeitlicher Habitus aus kaum bearbeitetem Fell, sicherlich nicht gut riechend und recht unhandlich. Bis Ende des 19. Jahrhunderts war er deshalb eher auf der Innenseite der Kleidung zu finden, es sei denn als Mütze oder Muff.
Mit dem Fortschreiten der Technik begann man dann, das Fell in die Kleidung einzuarbeiten, in Form von wärmendem Futter, und zur Schau zu tragen als Pelzkragen und Besatz. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerzeit wurde er so zum Statussymbol. Nicht aber, wie man jetzt vielleicht annehmen mag, für die Frauen, sondern zuerst für die Männer. Sie waren es schließlich, die sich den neuen Wohlstand verdient hatten. Wer es sich leisten konnte, trug fortan im Winter einen Gehpelz, einen mit Pelz gefütterten und am Kragen versehenen Tuchmantel.
In unserer Zeit hat er nun in gewissen Kreisen eine Ächtung erfahren: Pelze tragen, das tut man nicht, das verträgt sich nicht mit dem neuentwickelten Gewissen den Tieren gegenüber. Schuhe aus dem Leder von Rindern und Pferden hingegen stellen für ein solches Gewissen kein Problem dar. Das Fleisch dieser Tiere wird schließlich auch gegessen. Wer aber ißt schon Zobelwurst oder Nerzkutteln? Ein eigentlich flinkes Nagetier nur wegen seines Fells auf Farmen zu züchten, um nach dem Häuten den ganzen Rest davon wegzuschmeißen - das verstößt dann irgendwie gegen herrschendes Gesetz.
Der Versuch einer Übertragung menschlicher Gefühle auf die Lebenswelt der Tiere stößt auf das immergleiche Problem: Das Vergasen von Nerzen, ihr Einfrieren oder das Töten mit der Drahtschlinge finden wir unmenschlich. Wo es doch "untierlich" heißen müßte. Bleiben wir deshalb lieber in der Geschlossenheit des von uns erfahrbaren Raumes. Dabei den Pelz als einen stilistischen Atavismus des Menschen ernstnehmend: Wie sieht ein Mensch im Pelz für uns heute aus? Welches Gefühl wird in uns wach bei seinem Anblick?
Das Heldenhafte, das eine Frau gewissen Alters, die uns mit ihrem Pelz begegnet, an sich bekommt, entsteht durch einen einfachen Mechanismus: Wir denken uns den Mantel als eine Entschädigung für die erduldete Schmach in ihrer Ehe - erst Rosenstrauß, dann ein Collier und schließlich Pelz.
Die Lässigkeit, mit der in den alten Wintersportgebieten immer schon ein Pelz getragen wurde - der staubfarbene Mantel, der innen ganz mit Zobel ausgeschlagen wurde, auch durchaus einmal die verbleichte Jeansjacke, deren Fütterung sie erst so wertvoll macht - wirkt nobel. Und dennoch bleibt vielleicht bei uns die Frage, warum es, trotzdem es mittlerweile Gore-Tex gibt, noch immer Pelz sein muß. Zwar begrüßen wir das Differenzieren in die tatsächliche und eine bloß gefühlte Außentemperatur. Doch glaubt, wer keinen Zobel besitzt, nicht, daß es das Warme gibt und ein anderes Warm?
Grund genug zur Ablehnung findet sich angesichts der Betrachtung von Männern und Pelz. Die Modeindustrie beginnt sich dieser Tage darüber zu freuen, daß aus Pelz oder mit Pelz besetzte Jacken, Mäntel, Mützen, Stiefel sich wieder, und endlich auch wieder wie früher an die Männer, gut verkaufen lassen. Es geht bei diesen Pelzmassen selbstredend nicht um Zobel, Nerz und Nebelpanther, sondern um Fuchs, Lamm, Waschbär und Kaninchen. Bei letzterem soll der Vorteil sein, daß sich Kaninchenfell bei dem aktuellen Stand der Verarbeitungstechnik nicht mehr von den wertvollen Pelzen unterscheiden läßt.
Pelz verkauft sich also gerade wieder gut an diejenigen, die mit seinem traumgeladenen Namen protzen wollen. Wer Pelz trägt, der ist reich und hat vielleicht sogar eine eigene Geschichte, einen Spleen - ungefähr derart soll sein Erscheinungsbild zur Wirkung sich entfalten.
Ein solcher Mann erinnert jedoch noch lange nicht an einen russischen Zaren. Allenfalls an dessen Nachäffer aus jüngster Geschichte, einen Luden, der auf St. Pauli oder am Mississippi-Delta seinen Geschäften nachgeht.
In dem Luden-Stil kommen noch andere Elemente vor. Die bei Nacht getragene Sonnenbrille, der Goldschmuck, das auffallende Fahrzeug - Accessoires, die inzwischen überall in unserem Alltag bei den verschiedensten Männern zu sehen sind. Gerade im Fernsehen, in den Musikvideos, bei Schauspiel-Stars und in der Werbung läßt sich Pelz entdecken. Ob der nun künstlich gemacht wurde oder wirklich ist, bleibt nach den heutigen Regeln der Stilkunde egal. Interessant dabei ist, daß in das Ludenimage, das ein Star verbreitet, sich von seinem Berufsbild her dasjenige einer Diva mischt.
Marlene Dietrich etwa war häufig im Nerz und mit langer Kette zu sehen. Der Gesichtsausdruck der deutschen Vorreiterin in plastischer Chirurgie (Entfernenlassen der Backenzähne zwecks einfallender Wangenpartie) wurde von den jungen Männern der Boygroups, von den Aspiranten der Casting-Branche inhaliert und imitiert. Diese Männer wiederum sind nun die Vorreitenden: Sie sind die ersten Männer in einem Frauenberuf.
Zu dem Stil der männlichen Diva, wie sie auch von einem Fußballspieler wie David Beckham verkörpert werden kann, gehört neben dem Brillantschmuck und seinem glattrasierten Körper selbstverständlich der Pelz. Das hybride einer solchen Verkörperung läßt diese Brüche unseres Stilverständnisses einschmelzen mit dem Bild von einem Star, der nicht zuletzt unseretwegen extravagant zu sein hat. Soll sein Lebenswandel uns doch ein beständiges Vergnügen bereiten. Dazu gehört auch das Vergnügen an den Mutmaßungen über seine Sexualität. Den Mann im Pelz stellen wir uns so vor: nackt, alabastern, bei dem strengen Erziehen seiner knabenhaften Frau voll in der Brunst. Und eben nicht homoerotisch!
Der Star-Stil soll in seiner Verspieltheit bloß eine minimale Variation des unsrigen Lebens bleiben. Und eben deshalb auch niemals Gasmaske, Lack oder Latex sein. Nur immer wieder und bloß ein Pelz.
Artikel erschienen am 16. Januar 2005
http://www.wams.de/data/2005/01/16/387723.html