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Die Pflicht zur Verantwortung

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Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: Cotopaxi | Datum:
Hallo ihr Lieben,

Ich lese schon lange hier, aber irgendwie bin ich nie die große Forenschreiberin geworden. Trotzdem möchte ich hier einmal um eure Hilfe bitten.

Ich schreibe gerade meine Abschlussarbeit in der politischen Philosophie zum Thema Verantwortung (insbesondere bei kollektiv zu behebenden Übeln). Es ist keine Arbeit über Veganismus (Obgleich Nichteinhaltung von Tierrechten genau so ein kollektiv zu behenbendes Übel ist), denn mich interessierte eher der vorgelagerte Schritt der Verantwortungsübernahme, also Kann/Soll/Muss einer Verantwortung übernehmen für strukturelle Ungerechtigkeit und warum?

Ich hadere gerade mit einem Kapitel von der Pflicht zur Verantwortung. Wieso können wir Verantwortungsübernahme auch von anderen fordern, obgleich hier die Rechts- und Sanktionsmittel fehlen, weil sich das Objekt nicht länger in unserem Rechtsraum bewegt?

Meine bisherige Literatur(Heidbrink, Young, Jonas) bietet mir darauf bisher keine befriedigenden Ansätze und vielleicht kann mir einer von euch Essays o.ä. empfehlen, die diese Frage aufgreifen (kann natürlich auch wieder auf die Tierrechte bezogen sein, solang man die Ansätze auch ins allgemeine übertragen kann).

Danke für die Hilfe und (ganz anderes Thema) danke Maqi, dank Vegetarier sind Mörder, bin ich vor Jahren Veganer geworden und ohne das hätt ich mich auch wohl nie so intensiv mit dem Verantwortungsbegriff befasst, was super ist :)

Cotopaxi

Re: Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: martin | Datum:
Ich habe zu deiner Frage auch andere Meinungen eingeholt und zusammen mit meinen Ergänzungen lautet das Ergebnis:

1) Damit deine Frage von anderen richtig verstanden wird bzw. damit du sie auch selbst beantworten kannst, müsstest du zuerst die Begrifflichkeiten klären. Je nachdem, welches Hilfsverb man bei "kann/soll/muss einer Verantwortung übernehmen" einsetzt, kann die Antwort sehr unterschiedlich ausfallen. Das heißt nicht nur, sich für eines zu entscheiden, sondern es auch hinreichend zu definieren, denn die umgangssprachliche Verwendung ist deutlich zu vage für die Klärung philosophischer Fragen.
Und die Antwort auf "Wieso können wir Verantwortungsübernahme auch von anderen fordern" wäre wohl, dass man das kann, weil es nicht schwer ist, Forderungen zu stellen. Die Frage ist, ob du nicht eher "dürfen" meinst.

2) Die Antwort hängt auch ein wenig von der Ethiktheorie ab. Die Antwort fällt anders aus, wenn dahinter ein z.B. utilitaristischer oder wenn z.B. ein kontraktualistischer Ansatz steht. Das gelte es ebenfalls zu klären.

3) Zur Literatur sieht es m.W. so aus, dass sehr wenige Tierrechtsbücher auf solche eher vorgelagerten Fragen eingehen. Die meisten setzen beim Gleichheitsprinzip an und erklären, dass es inkonsistent/inkohärent ist, nichtmenschlichen Tieren Rechte zu verweigern, die man Menschen mit gleichen oder ähnlichen Eigenschaften nicht verweigert; setzen also bereits voraus, dass die meisten Menschen Verantwortungsübernahme zumindest bei einigen anderen Menschen als selbstverständlich betrachten. Vielleicht ginge aber eine Antwort auf deine Frage in die Richtung, dass Verantwortungsübernahme gleicher Fälle notwendig ist, wenn man sich für die Übernahme in einem bestimmten Fall entschieden hat, da man dann die ähnlichen Fälle nicht auslassen darf, ohne ethisch inkohärent zu handeln. Und zur Notwendigkeit, ethisch kohärent zu handeln, wäre empfehlenswert "Taking Animals Seriously" von David DeGrazia.

Re: Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: Cotopaxi | Datum:
Vielen Dank für die Antwort!

Vielleicht habe ich mich etwas unklar ausgedrückt, von den drei Hilfsverben habe ich für meine Zwecke "kann" und "soll" schon hinreichend erarbeitet. Die Frage nach dem "muss" oder "Wieso können wir Verantwortungsübernahme auch von anderen [ auch vom Egoisten ] fordern" stellt mich noch vor Rätsel.

Es ist nicht so, dass ich eine die eine befriedigende Antwort erwarte (wie auch?), ich bin eher auf der Suche nach Ansätzen, die unterschiedliche Autoren zu diesem Thema bieten.

Ich suche derzeit mein Heil in der Diskursethik und hoffe, dass Apel mich mit seinen klugen Gedanken erhellen wird.

Re: Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: martin | Datum:

> schon hinreichend erarbeitet. Die Frage nach dem "muss" oder
> "Wieso können wir Verantwortungsübernahme auch von anderen [
> auch vom Egoisten ] fordern" stellt mich noch vor
> Rätsel.

Inwiefern unterscheidet sich das von der Frage, wieso man überhaupt ethisch handeln sollte (abgesehen von Sanktionen)? Denn die ist ja umfassend diskutiert.

Re: Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: Urs | Datum:
Das geht meines Erachtens schon sehr in die Richtung "Globale Gerechtigkeit". Wieso sollte man auch Menschen ausserhalb seines Nationalstaats moralisch berücksichtigen? Ist hier ja die zentrale Frage. In einem Seminar haben wir verschiedene Texte dazu gelesen.

Da wäre zum einen Singer, der auf unsere Hilfspflichten hinweist. Er macht darauf aufmerksam, dass wir uns ja verpflichtet fühlen, einem Kind, das am ertrinken ist, zur Hilfe zu kommen. Und dieses Kind unterscheidet laut Singer nichts von einem Kind, das in einem Land unter Hunger leidet (ausser der räumlichen Distanz). Deshalb haben wir die gleichen Pflichten allen Menschen gegenüber, egal wo sie sich auf der Welt befinden. Den Text gibt es sogar online:

http://www.utilitarian.net/singer/by/1972----.htm

Hätte da auch noch ein paar andere Texte von anderen Autoren.

Und wenn es wirklich um das "warum überhaupt moralisch handeln?" geht, dann könnte ich dir einen Text von Ursula Wolf zukommen lassen, worin sie die Erklärungsversuche für die Herkunft des moralischen Sollens untersucht.

Re: Die Pflicht zur Verantwortung

Autor: Cotopaxi | Datum:
Zitat: Inwiefern unterscheidet sich das von der Frage, wieso man überhaupt ethisch handeln sollte (abgesehen von Sanktionen)? Denn die ist ja umfassend diskutiert.


Im Grunde hast du da recht, ich habe, als ich das schrieb, an solche Modelle wie den Schleier der Unwissenheit gedacht, aber ich hab den Ansatz auch schon wieder etwas verworfen.

Zitat:
Das geht meines Erachtens schon sehr in die Richtung "Globale Gerechtigkeit". Wieso sollte man auch Menschen ausserhalb seines Nationalstaats moralisch berücksichtigen? Ist hier ja die zentrale Frage. In einem Seminar haben wir verschiedene Texte dazu gelesen.


Ja, auf jeden Fall, ich werde in der Arbeit einen Fokus auf Konsumentenverantwortung legen, was ja sehr eng verbunden ist mit dem Thema der globalen Gerechtigkeit.

Den Text von Ursula Wolf würde ich sehr gerne lesen, es wär schön, wenn du mir den schicken würdest.