Neben Kinderbüchern sind veganismusgerechte Jugendbücher auch eine Mangelware auf dem Buchmarkt. Ich habe mir das genannte angesehen, in der Hoffnung hier eine Ausnahme zu finden. Das wurde sehr enttäuscht, denn das Buch hält, was der geistlose Titel verspricht.
Die Protagonistin ist in der zwölften (und letzten) Klasse einer amerikanischen Highschool mit dem Ziel Jahrgangsbeste zu werden und in Yale zu studieren. Sie wird dementsprechend als streberhaft klassifiziert, ist außerdem Ordnungsfanatikerin und Organisatorin von "Spaß-ohne-Drogen"-Abenden. Das Gegenstück ist ihre gleichaltrige Nichte (Kind ihrer zwanzig Jahre älteren Schwester). Sie ist Raucherin (nicht nur von Tabak), Unveganerin und recht ungezwungen in der Auswahl ihrer Sexualpartner.
Und genau das ist auch schon das Hauptthema: Beziehungen, Nicht-Beziehungen, Fast-Beziehungen, Ex-Beziehungen und alles was irgendwie mit Sexualität zu tun hat. Ich will nicht behaupten, daß das kein jugendrelevantes Thema sei (denn als Jugendbuch ist es wohl gedacht), aber diese Intensität ist nur noch einfallslos und langweilig. Bei diesem Thema setzt auch ihr "Beweggrund" an, weshalb sie vor sieben Monaten vegan geworden ist: "Nachdem Travis Hart mit mir Schluss gemacht hatte, konnte ich einfach nicht aufhören an ihn zu denken, und daran, wie er mich einfach so abgefertigt hatte. Es war wochenlang die reinste Hölle, bis ich endlich beschloss, meine Gedanken um etwas anderes kreisen zu lassen. Etwas Großes, Bedeutendes. Und dafür ist Veganismus bestens geeignet. Man denkt praktisch an nichts anderes mehr. Man muss bei jedem Nahrungsmittel die Zutaten auf der Packung nachlesen, auf Reisen immer Erdnussbutter dabeihaben und kann nur noch in bestimmte Restaurants gehen. Manchmal nervt es total, aber als Ablenkung funktioniert es hervorragend." Ja, eine (eigentlich) ethische Ernährungsweise als nervende Ablenkung zu gebrauchen ist wirklich es etwas "Großes" und "Bedeutendes". Diesen Grund verschweigt sie allerdings und der offizielle, den sie angibt, wenn sie gefragt wird, ist "Ekel" vor Tierprodukten.
Der Inhalt läßt sich das ganze leicht zusammenfassen: Sie bekommt von ihrer Nichte gesagt, wie "verklemmt" sie sei, und diese kann sie anfangs auch überhaupt nicht leiden. Da sie aber natürlich wirklich verklemmt und viel zu streberhaft ist, kommt sie schließlich über ihren Exfreund hinweg und findet einen neuen, der ganz, ganz toll ist. Ihre Streberhaftigkeit überwindet sie, sodaß sie am Ende kaum noch für die Prüfungen lernt und dann doch nicht auf die Uni geht. Ihre vermeintlich böse Nichte, ist natürlich in Wirklichkeit ganz anders, als sie scheint, nämlich unglaublich talentiert im Singen und hat viel Familiensinn. Gefüllt werden diese 230 Seiten mit ellenlangen, stumpfsinnigen Dialoge darüber, wer mit wem wieso rumgemacht hat oder nicht. Das Buch bedient nicht nur sämtliche Vorurteile über amerikanische Highschools, sondern ist auch ein Krampf zu lesen.
Mit dem Veganismus hat sie es von Anfang an schwer gehabt, denn sie träumt ständig von einem "Käsesandwich [...] mit reichlich Butter und Cheddarkäse", sowie von "Mozzarella-Sticks" und "Käsetortillas, begraben unter Bergen von Guacamole". Das sind wahrscheinlich die natürlichen Bedürfnisse, die dieser furchtbare Veganismus unterdrückt. "Sojakäse" ist selbstredend "ein trauriger Ersatz", denn daran, daß Kuhmilchkäse "ersetzt" werden müsse, läßt die Autorin keinen Zweifel. Nicht zu vergessen, daß sie betont als dünn (abgemagert?) klassifiziert wird. Nachdem das Buch gut 150 Seiten lang mit "Käse"-Träumen und den Ausführungen, auf die ich gleich eingehe, durchsetzt ist, erklärt ihr ihre Mutter in Bezug auf den Veganismus schließlich, daß sie auch damit aufhören könne, denn "[m]anchmal treffen wir im Leben Entscheidungen, die uns zu dem Zeitpunkt richtig vorkommen. Nein, die zu dem Zeitpunkt richtig sind. Aber das müssen sie nicht in alle Ewigkeit bleiben. Und weißt du, was mir mit dem Älterwerden aufgegangen ist? Dass es ohnehin kein Richtig oder Falsch gibt. Manchmal tun wir Dinge, die falsch zu sein scheinen, aber wir tun sie aus gutem Grund, und damit sind sie letztlich dann doch nicht falsch." Die letzte Bemerkung bezog sich natürlich auf das Nicht-Aufhören. Da die Protagonistin eh keine großen Ambitionen dem Veganismus gegenüber hatte, endet es darin, daß sie sich "ein überbackenes Käsesandwich" bestellt und anschließend mit ihrer Nichte Witze über unveganes Essen macht (was definitiv kein "lustiges" Thema ist). Nachdem all die gewaltsam unterdrückten Bedürfnisse wieder freigesetzt wurden, macht sie auch gleich weiter: "Seit dem überbackenen Käsesandwich bei Friedly's aß ich wieder Milchprodukte, wozu natürlich auch Schokolade gehörte. Ich gestand mir sogar "verstecke Eier" in Cookies und Muffins zu." Interessanterweise fällt ihr bei dem Thema schulische Werte auf, "was das alles für eine Heuchelei ist". Bei ihrem eigenen Konsumverhalten stellt sich das jedoch nicht ein.
Die sonstige Behandlung des Veganismus (der bei ihr natürlich nichts als Pseudoveganismus ist) ist ein Konglomerat aus Klischees und blankem Unsinn. In dem Café, wo sie arbeitet, müssen vegane Apfel-Nuss-Plätzchen bestellt werden, "damit es endlich mal was gibt, was [sie] auch essen kann". Da sie offensichtlich so viel Ahnung hat, klärt sie gnädigerweise auch die unwissenden Leser über einzelne Aspekte, z.B. "Honig"konsum auf: "Manche Veganer sind der Ansicht, es sei Ausbeutung, etwas zu essen, was Bienen in harter Arbeit produziert haben. Ich gehöre nicht zu dieser Veganerfraktion." Sie glänzt auch ansonsten mit speziesistischer Sprache (nicht nur in Wörtern, sondern auch herablassenden Vergleichen mit angeschossenen Tieren), mit dem Ausblenden von Unveganismus in ihrer direkten Umgebung (ihr neuer Freund hat sowohl einen "Wollmantel" als auch einen "Wollpullover", was aber nicht kommentierungswürdig ist) und nicht zu vergessen mit biologische Stilblüten, wie der Aussage, daß Hühner Vaginas hätten. Insgesamt gibt es in diesem gesamten Buch eine einzige Stelle, wo nebenbei darauf hingewiesen wird, daß Unveganismus etwas mit toten Tieren zu tun hat.
Damit fallen um so mehr die katastrophalen Versäumnisse ins Auge: Es wurde nicht darauf hingewiesen, daß sie als (angebliche) Veganerin unter permanentem Vitamin-B12-Mangel leidet, daß sie nur gute kognitive Leistungen erzielt, weil ihr ihre Mutter heimlich "Fleisch"brühe unter das Essen mischt, daß sie den ganzen Tag Vitamintabletten schlucken muß, daß sie eigentlich kurz vorm Verhungern ist, daß ihre Haare und Fingernägel brüchig sind, sowie daß sie bleich und antriebslos ist. Wollen wir hoffen, daß bei folgenden objektiven Auseinandersetzungen mit Veganismus diese wichtigen Aspekte nicht derart unverzeihlich unterschlagen werden.
Den Stil des Buches kann man sich genauso schenken, die literarischen Motive sind beispielsweise nach Schema F abgearbeitet: ihr Handy wird ausgiebig als Kontrollmittel ihrer Eltern vorgeführt und am Ende, wenn sie ihre "Wandlung" vollzogen hat, wirft sie es in einen See und fertig. Die anderen Figuren kommen in ähnlicher Weise aus dem Baukasten: ihre Nichte, die die gleiche "Wandlung" (nur andersrum) vollzieht, und die restlichen Figuren, die damit bedient sind, Klischeerollen zu erfüllen (der Kiffer, der Exfreund, der neue tolle Freund, die Klatschtante, der ungerechte Lehrer, der spießige Schuldirektor usw. usf.).
Alles in allem ist aus dem Buch eine Menge zu lernen: Veganer essen "Honig" und sind nicht weiter ernst zu nehmen, denn so eine "Phase" geht auch wieder vorbei, außerdem ist es sehr, sehr schlecht, außerhalb der gesellschaftlichen Norm zu stehen. Fazit: Mülleimer oder erst gar nicht kaufen.