Forenübersicht RSS

Atheismusforum:
Minarett-Verbot und Schächt-Verbot: Parallelen

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 6

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

Minarett-Verbot und Schächt-Verbot: Parallelen

Autor: Achim Stößer | Datum:
Die aktuelle Diskussion um die [strike]völkische[/strike] Volksabstimmung in der Schweiz zeigt wiedereinmal ein bemerkenswertes Phänomen:

Minarette sind religiös bedingt.
Schächten ist religiös bedingt.

Nazis lehnen Minarette ab, nicht jedoch christliche Kirchen.
Nazis lehnen Schächten ab, nicht jedoch christliches Schlachten.

Wer lediglich Minarette kritisiert, greift zu kurz.
Wer lediglich Schächten kritisiert, greift zu kurz.

Kritik an Minaretten hat häufig einen ausländerfeindlichen Hintergrund, Lärmschutz ist dabei nur vorgeschoben.
Kritik am Schächten hat häufig einen ausländerfeindlichen Hintergrund, Tierschutz ist dabei nur vorgeschoben.

Menschenrechtlern geht es natürlich nicht um Lärmschutz, sondern um Menschenrechte/Antitheismus.
Tierrechtlern geht es natürlich nicht um Tierschutz, sondern um Tierrechte/Antispeziesismus.

Ethisch nicht Minderbemittelte lehnen jede Form von Religion ab.
Ethisch nicht Minderbemittelte lehnen jede Form von Tierausbeutung ab.

Und sind damit auch, aber nicht nur, für die Abschaffung von Kirchen (welcher Sekte auch immer).
Und sind damit auch, aber nicht nur, für die Abschaffung von Morden (welcher Mordmethode auch immer).

Einschließlich (aber nicht ausschließlich) Moscheen.
Einschließlich (aber nicht ausschließlich) Schlachten.

Einschließlich wiederum Minaretten.
Einschließlich wiederum Schächten.

Selbstverständlich nicht, wie Antitheisten vielfach unterstellt wird, durch Gewalt, im Gegenteil, die der Religion immanente Gewalt ablehnend.
Selbstverständlich nicht, wie Antispeziesisten vielfach unterstellt wird, durch Gewalt, im Gegenteil, die dem Unveganismus immanente Gewalt ablehnend.

Was nicht zwingend den Abriß der Kirchen bedeutet, vielmehr könnten sie als Schand- und Mahnmal stehen bleiben.
Was nicht zwingend den Abriß der Schlachthöfe bedeutet, vielmehr könnten sie als Schand- und Mahnmal stehen bleiben.

Kirchen könnten auch umgenutzt werden, einer sinnvollen Nutzung zugeführt (was heute bereits teilweise der Fall ist).
Schlachthöfe könnten auch umgenutzt werden, einer sinnvollen Nutzung zugeführt (was heute bereits teilweise der Fall ist).

Das bedeutet, den theistischen Wahn aus den Köpfen zu bekommen.
Das bedeutet, den speziesistischen Wahn aus den Köpfen zu bekommen.


Die aktuelle Diskussion um das Minarettverbot zeigt also außerordentlich deutlich die strukturelle Identität von Speziesismus und Theismus.

Achim

Schlachhöfe zu Museen

Autor: martin | Datum:
> Was nicht zwingend den Abriß der Kirchen bedeutet, vielmehr
> könnten sie als Schand- und Mahnmahl stehen bleiben.
> Was nicht zwingend den Abriß der Schlachthöfe bedeutet,
> vielmehr könnten sie als Schand- und Mahnmahl stehen bleiben.

Viele Nazi- und Stasi-Bauten wurden stehengelassen, um sie für die Nachfolgegenerationen als Museen zu erhalten. D.h. Gebäude, wo früher massives Unrecht begangen wurde, das von den Verantwortlichen im Verborgenen zu halten versucht wurde, sind heute Mahnmale der früheren Verbrechen. Ein Umstand, der sich wiederum eins-zu-eins auf Tierausbeutungsfabriken übertragen läßt.

Re: Minarett-Verbot und Schächt-Verbot: Parallelen

Autor: Kurt Fischer | Datum:
Lieber Herr Stößer,
Ihr Beitrag gefällt mir. Nur eine Korrektur
erlaube ich mir vorzuschlagen. Wenn man von
Religionen spricht, muss man berücksichtigen,
dass es auch nichttheistische Religionen gibt
unter denen hohe Standards der Achtung von Tie-
ren gelten können.

Viele Grüße
Kurt Fischer

"Tierachtung"

Autor: martin | Datum:
Kurt Fischer schrieb:
>
> Wenn man von
> Religionen spricht, muss man berücksichtigen,
> dass es auch nichttheistische Religionen gibt
> unter denen hohe Standards der Achtung von Tie-
> ren gelten können.

Nur ist "können" sehr hypothetisch. Faktisch gibt es keine Religion, die (nichtmenschliche) Tiere in einem auch nur annährend positiven Sinn behandelt. (Auch wenn es viele gibt, die das gerne behaupten oder es von ihnen behauptet wird.)

Re: Minarett-Verbot und Schächt-Verbot: Parallelen

Autor: martin | Datum:
Etwas ähnlich sieht es auch der folgende Artikel.

Zitat: Der Vorläufer des Minarettverbots

von Daniel Huber

Am 20. August 1893 sprach sich das Schweizer Stimmvolk deutlich für ein Schächtverbot aus. Es war die erste angenommene Volksinitiative, und ähnlich wie die Minarett-Initiative verfehlte sie ihren eigentlichen Zweck.

Die Initiative gegen das Schächten war vordergründig von noblen Motiven getragen: Den Initianten ging es nach eigenem Bekunden um den Tierschutz,[!sic] mithin um ein zutiefst humanes [!sic] Anliegen. Nach Annahme des Volksbegehrens wurde die Bundesverfassung durch Artikel 25 bis wie folgt ergänzt: «Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzug ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt». Damit war die umstrittene rituelle Schlachtung nach den jüdischen Geboten, das Schächten (siehe Infobox), verboten.

Kollision mit der Religionsfreiheit

Das vor über hundert Jahren in die Verfassung aufgenommene Schächtverbot — es ist heute noch gültig, allerdings im Rahmen des Tierschutzgesetzes — erinnert in mehrfacher Hinsicht an das Minarett-Verbot. Ähnlich wie dieses kollidiert das Verbot des Schächtens mit einem Grundrecht, nämlich der Religionsfreiheit. Durch das Verbot wird die freie Ausübung religiöser Vorschriften eingeschränkt. Immerhin besteht wenigstens beim Schächtverbot ein deutlich erkennbarer Wertekonflikt: Der Tierschutz ist ebenfalls ein in der Verfassung verankertes Rechtsgut.[!sic]

Darüber hinaus fallen jedoch noch weitere Parallelen zwischen den beiden Volksbegehren auf, die übrigens auch beide von Bundesrat und Parlament vergeblich zur Ablehnung empfohlen wurden. Beide können als Reaktion auf die verstärkte Präsenz einer als fremd empfundenen Religionsgemeinschaft verstanden werden. So zielt das Minarettverbot offensichtlich darauf ab, die sichtbare Präsenz der seit 1970 von gut 16 000 auf heute knapp 400 000 Köpfe angewachsenen muslimischen Bevölkerung in der Schweiz zumindest im Landschaftsbild möglichst klein zu halten. Insgeheim dürfte wohl auch das Motiv mitgespielt haben, die Muslime so auf «ihren Platz» zu verweisen und sie womöglich sogar zur Emigration zu veranlassen.

Immigranten mit fremdartigen Gebräuchen

Auch das Schächtverbot fiel in eine Zeit, als Ängste vor einer nicht-christlichen Religionsgemeinschaft deutlich zunahmen. Die Juden in der Schweiz hatten erst mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 — notabene auf beträchtlichen internationalen Druck hin — das Recht der freien Religionsausübung erhalten. Erst 1879 waren die letzten diskriminierenden Gesetze gefallen. Zudem wuchs die — freilich stets bescheidene — Zahl der Juden im Land nach der rechtlichen Gleichstellung: Waren es 1850 noch 3145, stieg ihre Zahl im Jahre 1888 auf 8089. 1920 waren es dann rund 21 000. Die Zuwanderung erfolgte dabei zunächst aus dem Elsass, Südbaden und Vorarlberg, später aus Deutschland und aus Osteuropa. Letztere — vor allem jene etwa 4000 russischen Juden, die aus dem Zarenreich in die Schweiz geflohen waren — dienten nun als sichtbare Bestätigung des Feindbildes vom unzivilisierten Ostjuden. Sogar innerhalb des bereits länger in der Schweiz ansässigen, teilweise stark assimilierten Judentums stiessen diese Immigranten mit ihren fremdartig anmutenden religiösen Traditionen auf Vorbehalte.

Das Klischee vom Ostjudentum mit seinen «orientalischen» Gebräuchen spielte dann in der Schächtdebatte eine wichtige Rolle. Heute ist klar, dass der Sieg der Schächtgegner vornehmlich den Auswirkungen einer antisemitischen Strömung zu verdanken war, die vom wachsenden «Radauantisemitismus» in Deutschland beeinflusst wurde. So stimmten die nördlichen Deutschschweizer Kantone dem Volksbegehren deutlich zu, während die Westschweizer Kantone es klar ablehnten. Die katholischen Kantone zeigten dagegen ein gespaltenes Bild; den traditionell eher antijudaistisch eingestellten Katholiken sass noch der Kulturkampf in den Knochen, was sie zu vehementen Befürwortern der Religionsfreiheit machte. Der letzte Ausnahmeartikel gegen sie, der die Gründung von Bistümern in der Schweiz von der Bewilligung des Bundes abhängig machte, wurde schliesslich erst 2001 aus der Verfassung gestrichen.

Enttäuschte Hoffnungen

Die insgeheime Hoffnung der Schächtgegner, mit dem Verbot der rituellen Schlachtung letztlich die Juden zur Emigration zu zwingen, erfüllte sich nicht. Jene Juden, die auf der Einhaltung der strengen Speisegesetze beharrten, konnten koscheres Fleisch aus dem Ausland importieren, vor allem aus Frankreich. Ein zusätzliches Importverbot, wie es zuletzt 2002 in verschiedenen Initiativen von radikalen Tierschützern gefordert wurde, würde faktisch internationale Verträge verletzen und gilt daher auf absehbare Zeit als unrealisierbar.

Ähnlich dürften auch jene Befürworter der Minarett-Initiative enttäuscht werden, die sich vom Minarett-Verbot womöglich eine verstärkte Emigration von Muslimen oder eine Art «Roll back» ihrer Präsenz in der Schweiz erhoffen. Auch hier wird letztlich der Sack geschlagen, obwohl der Esel gemeint ist. An der Tatsache, dass sich in der Schweiz innerhalb der letzten Jahre mit den Muslimen eine weitere Religionsgemeinschaft etabliert hat, ändert sich durch das Verbot von Minaretten gar nichts.

(http://www.20min.ch/news/dossier/minarett/story/Der-Vorlaeufer-des-Minarettverbots-22391120)

Nicht zu vergessen ist auch, daß ein Verbot von Minaretten kein Verbot von Moscheen ist.
Wie auch ein "Schächtverbot" kein Verbot von Schlachtungen ist.
Deshalb, wie schon gesagt, lehnen es wirkliche Antitheisten/Tierrechtler ab, solch unsinnige Symptombekämpfung zu betreiben und sind stattdessen radikal.