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Tierausbeutung in der guten alten Zeit

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Tierausbeutung in der guten alten Zeit

Autor: Achim Stößer | Datum:
Lebende "Müllschlucker", Muschelschalen als Toilettenpapier, Legebatterien auf dem Dachboden, Waschmittel aus Taubenkot: ein "Museum" zeigt, wie eine Luxuswohnung früher aussah.

Zitat: Mit Tieren leben im 16. Jahrhundert
Zu Besuch im Museum Poorterswoning Antwerpen

Von Ulrich M. Alexander



Im Schatten der Kathedrale steht ein kleines Privatmuseum, das Einblick in das Leben einer Antwerpener Kaufmannsfamilie aus dem 16. Jahrhundert gewährt. Oder wie Konservator Paul Boits es formulieren würde: „Sie sind hier nicht in einem Museum, sondern auf Hausbesuch!“ Dieser Hausbesuch beleuchtet allerlei spannende und überraschende Hintergründe eines Haushaltes in der damaligen Zeit: Tiere sind nicht nur zum Essen da!

Der Ausflug in das 16. Jahrhundert beginnt im ersten Stock mit der Küche. Hier lernt man zum ersten Mal die Multifunktionalität der Zeit kennen: der Kamin dient nicht nur zum Aufwärmen, sondern auch als Herd. Und ein Huhn diente nicht nur als organischer Müllschlucker, sondern legte die Eier gewissermaßen frisch auf den Tisch. Seinem Leben wurde allerdings sehr schnell ein Ende gesetzt, falls sich spontaner Besuch zum Abendessen ankündigte. Das Federvieh, das jetzt herumläuft, legt keine Eier. Es ist ein Hahn. Unscheinbar in der Ecke steht eine Überraschung: eine Wasserpumpe. Im 16. Jahrhundert im 1. Stock fließend Wasser zu haben, gehörte zum größtmöglichen Luxus.

Luxuswohnung

Luxus ist das Stichwort: bei einem Poorter handelte es sich um einen mit Bürgerrechten versehenen Antwerpener. Die Bürgerrechte waren allerdings an teils sehr schwierige Bedingungen geknüpft, weshalb nur reiche Bürger sich solch eine luxuriöse Wohnung leisten konnten: ein Haus aus Stein, nicht Holz, mit vier Stockwerken und drei Kaminen. Der Kaufmann Jan de Verasene mietete dieses Haus zum Preis von 60 sogenannten Großen Brabantern pro Jahr. Dabei muss man sich vorstellen, dass ein gewöhnlicher Arbeiter gerade einmal sieben bis acht Große Brabanter pro Jahr verdiente.

Wohnen vor beinahe 500 Jahren

Von der Küche geht man in das Wohnzimmer. Hier lebte und schlief der Kaufmann mit seiner Frau: es gab damals noch keine Schlafzimmer und es galt außerdem als schick, seine Besucher im Bett zu empfangen. Immerhin hatte das Bett auch Vorhänge, um ein wenig Privatsphäre zu schaffen. Es ist übrigens sehr klein und kurz, weil man im Sitzen schlief. Man hielt das damals für gesünder. Am Boden steht der obligatorische Nachttopf neben einer Schüssel voll mit Muschelschalen. „Da es noch kein Toilettenpapier gab, musste man sich anderweitig behelfen“, erklärt der Konservator. Die Besucher sind sichtbar verdutzt.

Drei-Generationen-Haus

Über eine Wendeltreppe erreicht man dann das 2. Stockwerk mit dem Arbeitszimmer. Während Jan de Verasene sein Büro im Erdgeschoss hatte, verrichtete seine Ehefrau hier die im Haushalt anfallenden Tätigkeiten. Dazu gehörte auch Weben, wie der Webstuhl bezeugt. In einer zweiten Kammer lebte der Sohn des Ehepaares zusammen mit seiner Frau und vier Kindern. Wenn man das als drückende Enge empfindet, darf man nicht vergessen, dass die ärmere Bevölkerung teilweise mit mehr als einem Dutzend Menschen in einem Zimmer hauste. „Weil man hier das Leben von damals echt sehen kann, kommen viele Schulklassen zu Besuch“, erläutert Paul. „Ein Lehrer meinte, dass ein Besuch ihm viele Unterrichtsstunden erspare, weil die Schüler mit den eigenen Augen lernen würden.“

Tierischer Dachboden

Einen buchstäblichen Höhepunkt stellt die Vorratskammer voller Leben im Dachboden dar. Hier trifft man auf den Hühnerstall, der die Familie mit Eiern und Fleisch versorgte, und auf einen Bienenkorb. Bienen lieferten Honig und gleichzeitig auch Wachs, um Kerzen anzufertigen. Besonders wichtig waren aber die Tauben! Sie waren Teil der Nahrung, zum anderen dienten sie aber auch als Kommunikationsmittel, wie Paul erläutert: „Sie konnten von Händlern auf Reisen mitgenommen werden und dienten als Brieftaube. Sie waren das Fax im 16. Jahrhundert.“ Wer nun denkt, dass wäre alles, was Tauben zu bieten hätten, der irrt. Taubenmist enthält eine große Konzentration an Ammoniak. Daher wurde der Mist zu einem Pulver verarbeitet und diente dann als Waschmittel.

Auch heute wird noch geteilt

Das Museum wurde 1987 auf Privatinitiative hin gegründet. Paul Boits ist seit erster Stunde als Konservator dabei und hat nie ausgelernt: „Am Anfang konnte ich ungefähr eine Viertelstunde lang eine Führung geben, heute könnte ich eineinhalb Stunden erzählen.“ Die Multifunktionalität des 16. Jahrhunderts wird übrigens heute fortgeführt. Die Poorterswoning ist ein zusammenhängender Komplex mit den beiden Restaurants „Pelgrom“ und „Grootte Ganz“. Und alle drei haben denselben Besitzer. Bei den täglich anfallenden Arbeiten und Anschaffungen, wie zum Beispiel Kerzen und Futter, kann Paul sich auf die beiden Restaurants verlassen. Das drücke die Unterhaltskosten des kleinen Museums deutlich. Das beruht auf Gegenseitigkeit: Im Eintritt für das Museum ist ein Bon für das stimmungsvoll nur mit Kerzen beleuchtete Café-Restaurant Pelgrom inbegriffen, das sich im ehemaligen Lager des Kaufmanns im Keller befindet.

Das Museum Poortershuis befindet sich in der Pelgrimstraat 15 in Antwerpen, ca. 100 Meter vom Haupteingang der Kathedrale entfernt. Das Museum ist Samstag und Sonntag von 12 bis 18.30 Uhr oder auf Anfrage geöffnet. Der Eintritt kostet € 3 und beinhaltet einen Bon über € 1,50 für das Café Pelgrom.
Erstellt oder aktualisiert am 20. September 2008.

http://www.belgieninfo.net/artikel/view/datum/2008/09/20/tierisch-leben-im-goldenen-jahrhundert-antwerpens.html

Achim