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Veganismusforum:
Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 7

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Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: Sebastian Antispe | Datum:
Der Titel sagt es ja eigentlich schon ganz gut. Was mich interessieren würde, ist, ob jemand Erfahrung damit hat, wie es ist, seine antispeziesistische Überzeugung in Situationen aufrecht zu erhalten, in denen man sich, aus welchen Gründen auch immer, in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben muss, in dem man nicht mehr für sich selbst sorgen kann?

Als Beispiel fällt mir unsere letzte Geburt ein, indem wir in der Klinik um veganes Essen baten und meine Frau toten Fisch serviert bekam, mit der Erklärung, dass der doch vegan wäre...

Das Ende vom Lied war, dass ich in den Tagen, in denen meine Frau im Krankenhaus bleiben musste, jeden Tag Essen vorbei bringen musste, weil sie sonst schlichtweg nichts bekommen hätte.

Das gab mir zu Denken. Nun musste ich gerade darüber nachdenken, dass ja jeder früher oder später (außer man wird mal von Angehörigen versorgt) in einer Art Alten-/Pflegeheim landen wird. Was dann? Kann man dort dann eine vegane Ernährung/Bekleidung/Bettwäsche, etc. durchsetzen, also per Anti-Diskriminierungsgesetz oder ähnlichem? Bzw kann man dies bereits im Vorfeld irgendwie festhalten lassen, quasi noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte?

Vielleicht ein blödes Thema, aber vielleicht hat ja jemand damit Erfahrung, da er in einem Pflegeberuf arbeitet oder ähnliches.

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: martin | Datum:

> Der Titel sagt es ja eigentlich schon ganz gut. Was mich
> interessieren würde, ist, ob jemand Erfahrung damit hat, wie
> es ist, seine antispeziesistische Überzeugung in Situationen
> aufrecht zu erhalten, in denen man sich, aus welchen Gründen
> auch immer, in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben muss, in
> dem man nicht mehr für sich selbst sorgen kann?

Ich habe Zweifel, ob diese Art zu fragen zu wünschenswerten Antworten führt. Entweder bekommst du Schilderungen von Einzelfällen, die nicht bis kaum übertragbar sind auf andere Situationen. Oder pauschale Antworten, aus denen sich wiederum schwer auf konkrete Einzelfälle folgern lässt. (Unten hast du konkreter gefragt, aber ich nehme an, das und diese Frage sind zwei verschiedene.)

> Als Beispiel fällt mir unsere letzte Geburt ein, indem wir in
> der Klinik um veganes Essen baten und meine Frau toten Fisch
> serviert bekam, mit der Erklärung, dass der doch vegan wäre...
>
> Das Ende vom Lied war, dass ich in den Tagen, in denen meine
> Frau im Krankenhaus bleiben musste, jeden Tag Essen vorbei
> bringen musste, weil sie sonst schlichtweg nichts bekommen
> hätte.

Darauf müsste man antworten bzw. davon könnte man schlussfolgern: Wenn es sich vermeiden lässt (wie auch immer), sollte man es in diesen Situationen vermeiden.
Wobei sich darauf zumindest ergibt, dass man, wenn man um bevorstehende Aufenthalte in solchen und ähnlichen Einrichtungen weiß, sich vorsorglich informieren und evt. für den Notfall schon einmal ein paar Vorräte dabei haben sollte.

> Das gab mir zu Denken. Nun musste ich gerade darüber
> nachdenken, dass ja jeder früher oder später (außer man wird
> mal von Angehörigen versorgt) in einer Art Alten-/Pflegeheim
> landen wird. Was dann? Kann man dort dann eine vegane
> Ernährung/Bekleidung/Bettwäsche, etc. durchsetzen, also per
> Anti-Diskriminierungsgesetz oder ähnlichem?

Mir wäre nicht bekannt, dass das irgendwo verankert wäre. (Außer man will argumentieren, es sei Teil der eigenen Religion. Das wird ja gerne geschützt.)

> Bzw kann man dies
> bereits im Vorfeld irgendwie festhalten lassen, quasi noch im
> Vollbesitz seiner geistigen Kräfte?

Du kannst es wahrscheinlich in einer Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung festhalten. (Aber wann und inwiefern das für wen unter welchen Umständen bindend ist, müsste ich selbst googeln.)

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: Sebastian Antispe | Datum:
Es war vielleicht missverständlich ausgedrückt. Ich meinte jetzt nicht primär Situationen wie diese bei unserer Geburt, da das ja eine kurzzeitige Situation war, bei der man sich selbst helfen kann, indem man eben jeden Tag selbst Essen bringt.
Das sollte nur ein Beispiel von vielen sein, in der man generell in eine solche Situation kommen kann, wo man auf die Verpflegung durch fremde Personen angewiesen ist.

Hauptsächlich meinte ich jedoch wirklich eine Situation im Alten-/Pflegeheim, in der man sich nicht mehr selbst versorgen kann. Mich würde wirklich interessieren, ob man in einer solchen Situation das Recht hat, weiterhin nach seinen ethischen Überzeugungen ernährt/bekleidet zu werden oder ob man dann gegen seinen Willen quasi missbraucht wird?

Das mit der Religion ist ein gutes Stichwort, da ich kürzlich im Bekanntenkreis einen Fall mitbekam, wo eine Mutter von einer Art Betreuungseinrichtung für ihr Kind vor die Wahl gestellt wurde, ihr Kind aus dieser zu nehmen oder ihr Kind unvegan zu ernähren. Nach Beschwerden wurde geäußert, dass man nur in religiösen Fällen eine separate Ernährung fürs Kind geltend machen kann, so es aber der Einrichtung frei steht, wen sie aufnimmt und wen nicht und es so für die Einrichtung nicht zumutbar wäre, dem Kind veganes Essen anzubieten.
Für mich persönlich ist sowas ein eindeutiger Fall von Diskriminierung. Wozu bitte gibt es ein Anti-Diskriminierungsgesetz, wenn nicht für genau solche Fälle?

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: P. | Datum:
Also es gibt Altersheime und Pflegeeinrichtungen, die speziell auf sowas Rücksicht nehmen. Da sollte man sich dann, wenn absehbar, vorher drum kümmern.

In einer Patientenverfügung kann man sowas natürlich auch festhalten, was aber nur dann sicher hilft, wenn man die Mehrkosten, die das verursacht, selbst tragen kann.

Was einen generellen Anspruch darauf angeht, bin ich erstmal skeptisch. Art. 1 GG wird wohl nicht durchgehen, ob Art. 2 GG oder der hier speziellere Art. 4 I GG verletzt wären, darüber könnte man wirklich reden. Ich denke, dass man klagen müsste. Ich würde Art. 4 GG im Ergebnis bejahen, wenn eine vegane Ernährung verweigert wird (natürlich nur, sofern es sich um eine staatliche Einrichtung handelt, die einen verpflegt, ansonsten sind Grundrechte nicht unmittelbar anwendbar). Kann mir vorstellen, dass es zur Zeit noch abgelehnt wird, wie auch Fälle aus dem Netz zeigen.
Es kommt auch ein bisschen darauf an ,ob es mehr kostet. Wenn es nicht mehr kostet, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Gericht das verweigern würde. Immerhin ist hier das Gewissen in hohem Maße tangiert.
Möglicherweise wird aber jemand mit sowas bis zum BVerfG gehen müssen.

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: Sebastian Antispe | Datum:
P. schrieb:

> Möglicherweise wird aber jemand mit sowas bis zum BVerfG
> gehen müssen.


Warum eigentlich nicht? Für jeden Scheiß gibt es Bürgerentscheide, Initiativen, etc. Warum tun sich nicht einige Antispeziesisten zusammen, die durchklagen, dass niemand mehr zu Unveganismus gezwungen/oder aus Einrichtungen ausgeschlossen wird mit Bezug auf den Anti-Diskriminierungsparagraphen?

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: P. | Datum:
Dafür muss man persönlich betroffen sein, also man selbst muss dieses Essen wollen und es müsste einem von staatlicher Einrichtung verweigert werden. Dann kann man klagen. Natürlich über Instanzen hinweg, die immer auch die persönliche Beroffenheit prüfen. Wenn der Instanzenzug erfolglos ausgeschöpft wurde, geht es zum BVerfG. Diese persönliche Betroffenheit nennt sich Klagebefugnis. Popularklagen (wie du sie anstrebst) sind bei der Verfassungsbeschwerde gerade ausgeschlossen.

Re: Vegane Lebensweise in Abhängigkeitsverhältnis aufrecht erhalten?

Autor: P. | Datum:
Ich bezog mich übrigens mit meiner Antwort nicht auf das Antidiskriminierungsgesetz, sondern auf Grundrechte. Wichtiger Unterschied.
Es ist vom Schutzniveau ein deutlicher Unterschied, ob du einem Privaten gegenüberstehst oder dem Staat.

Was das AGG angeht, so kommt zum einen keine direkte Benachteiligung in Betracht, sondern nur eine mittelbare § 3 II AGG, weil du das Essen nicht bekommst, weil man dich als Veganer benachteiligen will, sondern das Essen gibts da eben einfach für alle.

Und diese mittelbare Benachteiligung kann gerechtfertigt sein und wird es vermutlich auch, wenn die private Einrichtung geltend macht, dass es a) für sie Mehrkosten bedeutet sich auf dich einzustellen und du b) auf spezielle Angebote ausweichen kannst, die vegane Ernährung anbieten.

Ich sehe also mehr Erfolgsaussichten bei einem verarmten Menschen in einer staatlichen Einrichtung bzw. staatlich finanziert, der dann kein veganes Essen bekommt. Einem solchen Anspruch aus Art. 4 GG, letztlich also einer solchen Klage, falls sie nötig sein sollte, würde ich recht gute Erfolgschancen einräumen.