Forenübersicht RSS

antiSpe Fragen und Antworten:
Vegane Sprache der Gegenwart

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 14

Hinweis: Momentan können keine Beiträge erstellt werden.

Vegane Sprache der Gegenwart

Autor: Achim Stößer | Datum:
Folgende Fragestellung habe ich heute erhalten (und mache sie hier öffentlich, weil ich das Thema recht interessant finde):
Zitat: In meinem Deutsch-LK haben wir zurzeit das Thema "deutsche Sprache der Gegenwart" und in diesem Rahmen beschäftigen wir uns in Referaten mit der Szenekultur in Deutschland und dessen Spracheigenschaften. Mein Thema hierbei ist der Veganismus und bei der Recherche bin ich auf Ihre Seite gestoßen. Da ich keinerlei Informationen über eine eigene Sprachkultur gefunden habe wollte ich Sie hiermit fragen, ob es beim Veganismus etwas in dieser Art gibt. Also ob es bestimmte Sprüche oder Leitsätze gibt, die für diese Szene charakterisierend sind?
Zunächst einmal ist festzuhalten, daß Veganismus ja keine "Szene" ist und es folglich keine "vegane Szenesprache" geben kann; dennoch gibt es im Umfeld von Veganismus und Tierrechten natürlich einige bemerkenswerte Spracheigenheiten

Vermeidung speziesistischer Sprache
Analog zur Vermeidung rassistischer Sprache durch Antirassisten vermeiden Antispeziesisten (und somit viele - nicht alle - Veganer) speziesistische Wörter und Wendungen - siehe Speziesistische Sprache.

Euphemismenfreie Sprache
Um speziesistische Denkstrukturen aufzubrechen, werden die übliche Euphemismen - teil grundsätzlich, teils kontextabhängig- durch Termini ersetzt, die klar machen, was in Wahrheit dahintersteckt. Leichen(teile) statt "Fleisch", Haut und Haare statt "Pelz", "Leder", "Wolle", Hühnermenstruationsprodukte statt Hühnereier, Drüsensekret statt Milch, Bienenerbrochenes statt "Honig" etc., vgl. Das Keyboard ist mächtiger als das Schlachtermesser.

Bezeichnungen für Alternativprodukte
Um Alternativen zu Tierausbeutungsprodukten einerseits sprachlich abzugrenzen, andererseits sie unmittelbar verständlich zu bezeichnen, werden häufig die Originalbegriffe (teils auch als Markennamen) nur leicht variiert: Silch (Sojamilch), Hilch usw.; Sojaghurt; Kese/Chäse/Mockzarella (bekannt v.a. "Scheese") uvm. für veganen "Käse"; oft werden W und F durch V ersetzt: Vleisch, Vurst, Veta (auch in diversen Zusammensetzungen: Sojavleisch, Vürstchen, Lebensvurst).

Slogans
Spezifische Slogans wie "Milch ist Mord", "Vegetarier sind Mörder" usw.

Wörter und Ausdrücke
Eigene Wörter und Wendungen wurden geprägt und sind mehr oder weniger etabliert: "antispe" (antispeziesistisch, analog zu antifa), "ethisch Minderbemittelte", "Leichenfresser" usw.

Das ist das, was mir spontan dazu einfällt, wer noch mehr Ideen hat - bitte ergänzen.

Achim

Re: Vegane Sprache der Gegenwart

Autor: Ricarda | Datum:
Was ich noch ganz interessant finde, ist, dass das scheinbar teilweise so "weit" geht, dass man von speziesistischen Menschen gar nicht mehr verstanden wird.
Alleine, dass ich meine "Haustiere" als Mitbewohner und mich selber nicht als "Halter" bezeichne, hat schon oft zu Verständnisproblemen geführt..

Re: Vegane Sprache der Gegenwart

Autor: Achim Stößer | Datum:
Ja, das stimmt. Wobei es auch gern mal absichtlich "mißverstanden" wird ("Wie, Leichenfresser, soll ich die Tiere denn lebend essen?").

Achim

Re: Vegane Sprache der Gegenwart

Autor: martin | Datum:
Mir fiele noch die Syntax ein, was etwas abstrakter ist, aber auch erwähnenswert.
Das ist relevant, wenn zum Beispiel Passivkonstruktionen ins Aktiv gesetzt und die Täter (die vorher nicht genannt wurden) benannt werden.

"Zur Pelzgewinnung werden die Tiere in Käfigen gehalten." -> "Die Tierausbeuter sperren ihre Opfer in Käfige, um sie wegen ihres Fells umzubringen."

Antispeziesistisch-strategische Sprache: Täter benennen

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Das ist relevant, wenn zum Beispiel Passivkonstruktionen ins
> Aktiv gesetzt und die Täter (die vorher nicht genannt wurden)
> benannt werden.

Stimmt, dazu paßt auch die beliebte Ausbeuterkuschler"kritik" am Slogan "Vegetarier sind Mörder", das sei deshalb nicht analog zu "Fleisch ist Mord", da es sonst "Vegetarismus ist Mord" heißen müßte (was aber eben grade weniger effektiv wäre als die Täter zu benennen, vgl. auch "Soldaten sind Mörder" statt "Soldatentum ist Mord" oder griffiger "Krieg ist Mord"). Mal davon abgesehen, daß es ja keine Tat ohne Täter, keinen Mord ohne Mörder gibt, und wenn X Mord ist muß ja der, der X praktiziert (oder andere bestimmt, es zu tun), Mörder sein.

Achim

tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: martin | Datum:
Eine - zu mindest zum Teil - negative Entwicklung ist mir noch eingefallen: Um so bekannter und nun z.T. auch populärer Begriffe des Veganismus- und Tierrechtsumfeld werden, um so mehr werden sie mißbraucht und verfälscht. Das nötigt Veganer und TRler zunehmend dazu, neue Begriffe zu bilden oder die alten deutlicher zu machen.

Obwohl "Veganismus" immer schon eine ethisch motivierte Lebensweise war (und nichts anderen), haben es einige inzwischen geschafft, ihn als Modeernährung sehen zu lassen. Das macht wiederum Abgrenzungs- und Ausweichwortbildung notwendig, wie Real-Veganismus, Tierrechts-Veganismus oder die ständige Verwendung zusätzlicher Adjektive ("wirklicher Veganismus").

Ähnliches auch bei "Tierrechten". Da der Tierschutz inzwischen sein Versagen nicht mehr verheimlichen kann, treten die neuen Tierschützer auf den Plan und versuchen im Zuge dessen natürlich auch, den Begriff "Tierrechte" und dessen Ableitungen zu verwenden. Das führt zu ähnlichen Tendenzen, so z.B. daß sich viele wirkliche Tierrechtler lieber als Abolitionisten bezeichnen. (Auch hier ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Begriff verwässert wird.)

Es ist auch eine zweischneidige Angelegenheit: einerseits ist es negativ, den Gegnern Begriffe tlw. zu überlassen, indem man auf Alternativen ausweicht; andererseits ist es positiv und notwendig, um den Gegensatz deutlich zu machen.

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: Achim Stößer | Datum:
Nicht zu vergessen antispe, das sich mittlerweile überwiegend Speziesisten auf die Fahnen schreiben (und wenn wir dann darauf hinweisen, daß das hypokritisch ist, jammern, Maqi habe "die Definitionsmacht über Veganismus, Tierrechte, Antispeziesismus und Co").

Achim

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: THfkaV | Datum:
martin schrieb:

> Tendenzen, so z.B. daß sich viele wirkliche Tierrechtler
> lieber als Abolitionisten bezeichnen. (Auch hier ist es nur
> eine Frage der Zeit, bis dieser Begriff verwässert wird.)

Wobei Abolitionismus nun doch eine "deutliche Sprache spricht", oder nicht? Leute, die lediglich oder hauptsächlich Reformismus erzielen wollen, können sich nun wirklich schwer mit dem Begriff Abolitionist schmücken, denke ich. Es sein denn, man kommt auf die Idee, aus Wahrheit eine Lüge zu machen und aus der Lüge eine Wahrheit, und 2 + 2 in der Summe mit 5 zu benennen, ja dann ginge es vielleicht doch.

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Wobei Abolitionismus nun doch eine "deutliche Sprache
> spricht", oder nicht? Leute, die lediglich oder hauptsächlich

Das unterscheidet sich ja nicht von Veganismus, Antispeziesismus oder Tierrechten.

Aber natürlich kann ein ...
- Honigveganer oder Veganköstler sich Veganer nennen, wenn er eimilchfreier Vegetarier ist
- Kaplan beim Tierrechte verletzen durch Käsefressen sich Tierrechtler nennen (wie jeder der, sagen wir, für das recht von Hunden auf einen täglichen Spaziergang eintritt)
- all "Freiheit für Mensch und[sic!] Tier"-Gröhler trotz ihres Unveganismus und somit Speziesismus sich "antispe" nennen (keine Ahnung, wie sie das umdefinieren, aber ist ja egal, denn Maqi hat nicht die "Definitionshoheit", so daß sie's beliebig "definieren" "können").

> Reformismus erzielen wollen, können sich nun wirklich schwer
> mit dem Begriff Abolitionist schmücken, denke ich. Es sein

Aber hallo, wer z.B. "Freilandeier oder wenigstens Bodenhaltung" ganz toll findet und "gegen Legebatterien" ist, ist für die Abschaffung (von Legebatterien) und somit, schwupps, Abolitionist.

Daß all das mit Veganismus, Tierrechten Antispeziesismus und Abolitionismus nichts zu tun hat - so what?

Achim

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: THfkaV | Datum:
Achim Stößer schrieb:

> Aber hallo, wer z.B. "Freilandeier oder wenigstens
> Bodenhaltung" ganz toll findet und "gegen Legebatterien" ist,
> ist für die Abschaffung (von Legebatterien) und somit,
> schwupps, Abolitionist.

Ah, ja, an so etwas hatte ich gar nicht gedacht...

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: martin | Datum:
Achim Stößer schrieb:
>
> > Reformismus erzielen wollen, können sich nun wirklich schwer
> > mit dem Begriff Abolitionist schmücken, denke ich. Es sein
>
> Aber hallo, wer z.B. "Freilandeier oder wenigstens
> Bodenhaltung" ganz toll findet und "gegen Legebatterien" ist,
> ist für die Abschaffung (von Legebatterien) und somit,
> schwupps, Abolitionist.

Nicht nur das. Sie machen es sich meistens ganz einfach und behaupten, mit allem Mist, den sie veranstalten, eigentlich/in Wirklichkeit auf die totale Abschaffung hinarbeiten zu wollen, nur ginge das (aus Gründen, die nie bewiesen werden und deren Falsifizierung gekonnt übergangen wird) nur durch ihren reformistischen Mist. Damit sind/wären sie ihrer Meinung nach bereits Abolitionisten durch das, was sie behaupten vorgeben zu wollen.

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: Renate | Datum:
Achim Stößer schrieb:
>
>
> Daß all das mit Veganismus, Tierrechten Antispeziesismus und
> Abolitionismus nichts zu tun hat - so what?


"So what" frage ich mich aber auch. Es ist doch die Hauptsache, dass Menschen überhaupt mal über ihren Tellerrand schauen - wieso reitest Du auf Prinzipien und Begrifflichkeiten rum? Was bringt denn das den Tieren?

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: Achim Stößer | Datum:
> > Daß all das mit Veganismus, Tierrechten Antispeziesismus und
> > Abolitionismus nichts zu tun hat - so what?

> "So what" frage ich mich aber auch. Es ist doch die

Dann hast Du so wenig begriffen wie die oben Paraphrasierten.

> Hauptsache, dass Menschen überhaupt mal über ihren Tellerrand
> schauen - wieso reitest Du auf Prinzipien und
> Begrifflichkeiten rum? Was bringt denn das den Tieren?

Ich "reite" nicht auf Prinzipien und Begrifflichkeiten "heruum" (und das nicht, weil Reiten eine Tierrechtsverletzung ist), sondern ich weise auf die Notwendigkeit der dahinterstehenden Denkweise hin, die eben bei unsinniger Umwidmung der Begriffe nicht gegeben ist.

Was das den Tieren bringt? Ja, was bringt es den Tieren wohl, wenn sie nicht umgebracht werden? Denk mal scharf nach.

Dagegen bringt es den Tieren nichts, wenn das "über den Tellerrand schauen" sich aufs dumm aus der Wäsche Glotzen beschränkt und nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen werden, insbesondere, wenn sich jemand nur Veganer/Tierrechtler/Antispeziesist nennt, aber weiterhin speziesistisch durch Unveganismus Tierrechte verletzt. Nichtmenschliche Tiere brauchen antispeziesistische vegane Tierrechtler, nicht falsch etikettierte speziesistische unvegane Tierrechtsverletzer, eben die Abschaffung der Tierausbeutung, so wie ein Hungernder Essen braucht, und nicht nur einen Zettel auf dem "du bist satt" steht.

Was verstehst Du daran nicht?

Achim

Re: tierrechtlerische Sprache der Gegenwart

Autor: Ava Geist | Datum:
Einerseits haben Standards (und somit auch begriffliche Standards) eine fundamentale Wichtigkeit für ethische Minderheiten, auf der anderen Seite kann man auch schnell mal übers Ziel hinausschießen und eine kontrollierende Detailfreude entwickeln, die ins anale reicht:-))