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Produktanfrageforum:
Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

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Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: Lutz | Datum:
Ich poste einfach mal die Email, die ich bereits an den BDIH geschrieben habe. Leider habe ich keine Geduld und wundere mich, dass ich nirgens Kritik zur Formulierung der BDIH-Kriterien www.kontrollierte-naturkosmetik.de finde.

"Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe eine Frage zu Ihren Kriterien für kontrollierte Naturkosmetik nach dem BDIH-Standard.
Unter "2. Tierische Rohstoffe und Tierschutz" schreiben Sie im dritten Absatz "Tierversuche und Rohstoffe": "Rohstoffe, die vor dem 01.01.1998 noch nicht im Markt vorhanden waren, dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie nicht im Tierversuch getestet worden sind. Außer Betracht bleiben hierbei Tierversuche, die durch Dritte durchgeführt wurden, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung des Auftraggebers gehandelt haben, noch mit diesen gesellschaftsrechtlich verbunden sind."
Der Sinn des ersten Satzes ist für mich leicht nachzuvollziehen: Es sollen keine Rohstoffe verwendet werden, die ab dem 1.1.1998 auf den Markt gekommen sind und an Tieren getestet wurden. Mit dem zweiten Satz wird diese Regel nun aufgeweicht und ermöglicht, dass Rohstoffe, die ab dem 1.1.1998 auf den Markt kamen und an Tieren getestet wurden, in den BDIH-zertifizierten Produkten verwendet werden können. Einzige Hürde ist, dass der Hesteller die Tierversuche nicht in Auftrag gegeben haben darf bzw. mit dem Ausführenden des Versuchs gesellschaftsrechtlich verbunden sein darf.
Mir fallen da gleich zwei Möglichkeiten ein, die letztendlich dazu führen, dass mit dem Kauf von BDIH-zertifizierten Produkten Tierversuche auch heute noch rentabel gemacht werden:
1. Ein Unternehmen testet ohne Auftrag Rohstoffe an Tieren und verkauft die Rohstoffe dann an einen BDIH-zertifizierten Hersteller, welcher weder den Auftrag zu den Tierversuchen gegeben hat, noch mit dem anderen Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden ist.
2. Ein BDIH-zertifizierter Hersteller lässt unter der Hand Produkte testen und lässt es so aussehen, als handele es sich um das Szenario aus meiner zuvor beschriebenen Möglichkeit, ab dem 1.1.1998 an Tieren getestete Rohstoffe in BDIH-zertifizierten Produkten zu verwenden.
Schließlich ist klar überprüfbar, ob ein an Tieren getesteter Rohstoff schon vor dem 1.1.1998 auf dem Markt war. Ob heimlich ein Auftrag gegeben wurde, einen Rohstoff an Tieren zu testen, ist nicht überprüfbar. Wieso also diese Aufweichung der Regel?
Vielen Dank für Ihre Bemühungen!

Mit freundlichen Grüßen"

Was meint ihr dazu?

Re: Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: martin | Datum:
> Einzige Hürde ist, dass der Hesteller die Tierversuche nicht
> in Auftrag gegeben haben darf bzw. mit dem Ausführenden des
> Versuchs gesellschaftsrechtlich verbunden sein darf.
> Mir fallen da gleich zwei Möglichkeiten ein, die letztendlich
> dazu führen, dass mit dem Kauf von BDIH-zertifizierten
> Produkten Tierversuche auch heute noch rentabel gemacht werden:
> 1. Ein Unternehmen testet ohne Auftrag Rohstoffe an Tieren
> und verkauft die Rohstoffe dann an einen BDIH-zertifizierten
> Hersteller, welcher weder den Auftrag zu den Tierversuchen
> gegeben hat, noch mit dem anderen Unternehmen
> gesellschaftsrechtlich verbunden ist.

Gemeint ist diese Einschränkung wahrscheinlich dahingehend, dass die Verwendung von Rohstoffen, die andere getestet haben, nicht ausgeschlossen wird. Wenn irgendjemand einen Rohstoff testen will, kann der Hersteller, der den gelichen Rohstoff bereits verwendet, es ihm ja nicht verbieten. Und den Rohstoff nur deshalb wieder aufzugeben, nur weil jemand anders ihn getestet hat, bringt reichlich wenig.
Auch einen Rohstoff zu verwenden, der bereits von irgendjemand getestet wurde, kann man dem Hersteller nicht wirklich vorwerfen, weil man darauf genauso wenig Einfluss hat. Den einzigen Einfluss, den man hat, ist selbst TV in Auftrag zu geben und das ist nicht gestattet.

> 2. Ein BDIH-zertifizierter Hersteller lässt unter der Hand
> Produkte testen und lässt es so aussehen, als handele es sich
> um das Szenario aus meiner zuvor beschriebenen Möglichkeit,
> ab dem 1.1.1998 an Tieren getestete Rohstoffe in
> BDIH-zertifizierten Produkten zu verwenden.

Naja, irgendetwas "unter der Hand" zu machen ist eher eine Unterstellung.

> Wieso also diese
> Aufweichung der Regel?

Wie gesagt ist meine Vermutung, dass man ansonsten Rohstoffe dann wieder verwerfen müsste, sobald jemand anders sie testet, ohne das veranlasst zu haben oder verhindern zu können.

Re: Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: Lutz | Datum:
Zitat: > Einzige Hürde ist, dass der Hesteller die Tierversuche nicht > in Auftrag gegeben haben darf bzw. mit dem Ausführenden des > Versuchs gesellschaftsrechtlich verbunden sein darf. > Mir fallen da gleich zwei Möglichkeiten ein, die letztendlich > dazu führen, dass mit dem Kauf von BDIH-zertifizierten > Produkten Tierversuche auch heute noch rentabel gemacht werden: > 1. Ein Unternehmen testet ohne Auftrag Rohstoffe an Tieren > und verkauft die Rohstoffe dann an einen BDIH-zertifizierten > Hersteller, welcher weder den Auftrag zu den Tierversuchen > gegeben hat, noch mit dem anderen Unternehmen > gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Gemeint ist diese Einschränkung wahrscheinlich dahingehend, dass die Verwendung von Rohstoffen, die andere getestet haben, nicht ausgeschlossen wird. Wenn irgendjemand einen Rohstoff testen will, kann der Hersteller, der den gelichen Rohstoff bereits verwendet, es ihm ja nicht verbieten. Und den Rohstoff nur deshalb wieder aufzugeben, nur weil jemand anders ihn getestet hat, bringt reichlich wenig. Auch einen Rohstoff zu verwenden, der bereits von irgendjemand getestet wurde, kann man dem Hersteller nicht wirklich vorwerfen, weil man darauf genauso wenig Einfluss hat. Den einzigen Einfluss, den man hat, ist selbst TV in Auftrag zu geben und das ist nicht gestattet.


Dennoch lässt die Formulierung

"Rohstoffe, die vor dem 01.01.1998 noch nicht im Markt vorhanden waren, dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie nicht im Tierversuch getestet worden sind. Außer Betracht bleiben hierbei Tierversuche, die durch Dritte durchgeführt wurden, die weder im Auftrag noch auf Veranlassung des Auftraggebers gehandelt haben, noch mit diesen gesellschaftsrechtlich verbunden sind."

einen Spielraum der Auslegungsweise. Die Richtlinien des Tierschutzbundes sind da wesentlich eindeutiger formuliert:

"[...] keine Rohstoffe verarbeitet werden, die nach dem 1.1.1979 im Tierversuch getestet wurden. Hierbei ist ausschlaggebend, dass die Substanzen vor dem 1.1.1979 auf dem Markt waren - unabhängig davon, ob sie vor diesem Zeitpunkt im Tierversuch getestet wurden. Substanzen, die nach diesem Zeitpunkt auf den Markt kamen, dürfen nicht im Tierversuch getestet worden sein. Allerdings können weder wir noch die in der Positivliste aufgeführten Hersteller verhindern, dass eine synthetische Substanz, die vor dem 1.1.1979 bereits auf dem Markt war, oder ein natürlicher oder essbarer Rohstoff später noch, nach dem Stichtag 1.1.1979, von Dritten im Tierversuch getestet wurde und wird. Sofern sie mit dem betreffenden Unternehmen in keiner Verbindung stehen, ist es den in der Positivliste aufgeführten Herstellern daher gestattet, die betreffende Substanz auch weiterhin zu verwenden [...]"

In diesem Formulierungsvorschlag wird meine Liebe zu Hypotaxen deutlich, empfinde jedoch das Schlupfloch als klar gekittet:

"Rohstoffe, die vor dem 01.01.1998 noch nicht im Markt vorhanden waren, dürfen nur dann verwendet werden, wenn sie nicht im Tierversuch getestet worden sind. Außer Betracht bleiben hierbei Tierversuche mit bereits aufgrund von tierversuchsfreier Testung zugelassenen und auf dem Markt befindlichen Rohstoffen, sofern sie durch Dritte durchgeführt wurden und die weder im Auftrag noch auf Veranlassung des Auftraggebers gehandelt haben, noch mit diesen gesellschaftsrechtlich verbunden sind."

Ich wittere nur das Ausnutzen der Lücke, die die Mehrdeutigkeit der Formulierung des BDHI bietet.

Und um zur Kernfrage zurückzukommen: "Sind Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?"

Du sagst

Zitat: Gemeint ist diese Einschränkung wahrscheinlich dahingehend, dass [...]


und das sagt mir, dass die Formulierung der Richtlinien schwammig ist. Damit bleibt mein Eindruck:

Ja, es ist möglich, dass sich trotz BDIH-Siegel in einem Produkt Rohstoffe verbergen, die nach dem 1.1.1998 an Tieren getestet wurden, ohne dass die Richtlinien des BDIH für Naturkosmetik verletzt worden sind.

Re: Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: martin | Datum:

> einen Spielraum der Auslegungsweise. Die Richtlinien des
> Tierschutzbundes sind da wesentlich eindeutiger formuliert:

Finde ich nicht. Es ist nur etwas mehr Text.

Die erste Formulierung sagt:

a) "Außer Betracht bleiben hierbei Tierversuche, die durch Dritte durchgeführt wurden"
und: b) "die weder im Auftrag noch auf Veranlassung des Auftraggebers gehandelt haben, noch mit diesen gesellschaftsrechtlich verbunden sind."

die zweite:

a) "Allerdings können weder wir noch die in der Positivliste aufgeführten Hersteller verhindern, dass eine synthetische Substanz [...] von Dritten im Tierversuch getestet wurde und wird."
und: b) "Sofern sie mit dem betreffenden Unternehmen in keiner Verbindung stehen [...]"

Ich sehe hier keinen wesentlichen Unterschied.

> In diesem Formulierungsvorschlag wird meine Liebe zu
> Hypotaxen deutlich, empfinde jedoch das Schlupfloch
> als klar gekittet

Dein Zusatz sagt nur, worauf es sich bezieht, aber worauf außer "Rohstoffen" soll es sich denn sonst beziehen?

> und das sagt mir, dass die Formulierung der Richtlinien
> schwammig ist. Damit bleibt mein Eindruck:

Dem wollte ich nicht widersprechen. Ich meine nur, dass es kein wesentlichen Unterschied zu anderen Formulierungen ist.

> Ja, es ist möglich, dass sich trotz BDIH-Siegel in einem
> Produkt Rohstoffe verbergen, die nach dem 1.1.1998 an Tieren
> getestet wurden, ohne dass die Richtlinien des BDIH für
> Naturkosmetik verletzt worden sind.

Sicher, bei anderen Sigeln sieht nur das nicht anders aus.

Wobei ich das nur allgemein anmerken wollte. Sich auf solche Siegel zu verlassen, kommt ohnehin nicht in Frage, weil sie keine Veganität der Inhaltsstoffe verlangen. D.h. man muss ohnehin wegen dieser eine PA machen und bei der kann man den Hersteller auch gleich selbst nach den Kritieren für Tierversuchsfreiheit fragen und - falls er auf das Siegel verweist - entsprechend der dortigen Formulierung rückfragen.

Re: Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: Karlik | Datum:
hier hab ich auch was zu den verschiedenen siegel gefunden:

http://www.ein-besseres-leben.de/a4.html

wenig überraschender Speziesismus beim Tierschutzbund

Autor: martin | Datum:
Karlik schrieb:
>
> hier hab ich auch was zu den verschiedenen siegel gefunden:
>
> http://www.ein-besseres-leben.de/a4.html

Die Tabelle ist irreführend. Beim Tierschutzbund-Siegel steht bei
Zitat: Sind Rohstoffe erlaubt, deren Gewinnung mit Tierquälerei (z.B. Bärengalle), Artenschutzprobl. (z.B. Schildkrötenöl) verbunden ist, oder für die Tiere eigens getötet werden (z.B. Cochnillefarbstoff, Seidenpulver)?

sowie bei
Zitat: Dürfen Rohstoffe von toten Tieren verwendet werden?

jeweils ein "Nein.".

Tatsächlich erlaubt sind (laut deren Webseite): "Rohstoffe von lebenden Tieren (z. B. Milch, Eigelb, Lanolin, Bienenwachs, Honig usw.) sollen bevorzugt aus ökologischer Tierhaltung entsprechend der EG-Bioverordnung stammen", also eindeutig Rohstoffe, die mit "Tierquälerei [...] verbunden sind" (alle aufgeführten sind mit massiver Tierquälerei verbunden) und "für die Tiere eigens getötet werden" bzw. von "toten Tieren" stammen (z.B. "Schlachtwolle" zur Herstellung von Lanolin).

Re: Tierversuche trotz BDIH-Siegel möglich?

Autor: Lutz | Datum:
Zitat: Dein Zusatz sagt nur, worauf es sich bezieht, aber worauf außer "Rohstoffen" soll es sich denn sonst beziehen?

Mein VOrschlag:
"[...] Außer Betracht bleiben hierbei Tierversuche mit bereits aufgrund von tierversuchsfreier Testung zugelassenen und auf dem Markt befindlichen Rohstoffen [...]"

Mir war es vor allem wichtig, dass klar gemacht wird, dass, nur weil ein Dritter keinen Auftrag für Tierversuche bekommen hat, für BDIH-zertifizierte Produkte, die dadurch erforschten Rohstoffe nicht verwendet werden dürfen, sofern sie nicht bereits verwendet wurden.