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Kükenmord in Deutschland

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Kükenmord in Deutschland

Autor: Achim Stößer | Datum:
FAKT vom 15.03.2004

Kükenmord in Deutschland

Manuskript des Beitrags
von Andreas Rummel, Karsten Scholtyschik, Knud Vetten

(Video)

Legehennen - hoch spezialisierte Rassen - nur: Was macht man mit den männlichen Küken? Die Antwort in Deutschland und Europa: Man bringt sie um. Doch vor diesen Vorgang hat die Industrie einen schwarzen Vorhang gezogen. Filmen darf man dort üblicherweise nicht.

Frisch geschlüpfte männliche Küken: Für diese Tiere gibt es keine Verwendung in der industrialisierten Legehennenproduktion. Die Tiere werden vergast. Eine angeblich schmerzfreie Angelegenheit.

O-Ton: Wolfgang Apel, Deutscher Tierschutzbund
"Wenn ich mir überlege, wie lange allein der Erstickungstod bei einem Tier dauert: Mindestens 30 Sekunden. Was ein Tier da durchleben muss in der Zeit, denn es hat Gefühle, Schmerzempfinden, Leidensempfinden, Ängste, Stressempfinden. Also, wenn man sich das überlegt, beim Einzeltier, und das machen wir mit 45 Millionen Küken, also männlichen Küken."

Unfassbar: 45 Millionen Küken werden jedes Jahr allein in Deutschland unmittelbar nach dem Schlüpfen getötet, weil sie das falsche Geschlecht haben. Die aussortierten Hennen fahren auf dem Laufband zum Impfen, die kleinen Hähne fallen in den Tod: Entweder durch Vergasen oder durch eine Schreddermaschine, also rotierende Messer.


O-Ton: Wolfgang Apel
"Ich habe gesehen, wie diese Tiere in den Schredder, in den sogenannten Muser kommen, und wenn Sie daneben stehen und sehen, was wir den Tieren antun, dann könnten Sie verrückt werden!"

Die Hälfte lebt, die Hälfte stirbt. Seit den 60er Jahren werden Mast- und Legehennen aus unterschiedlichen Rassen hochgezüchtet. Die Folge: Während man bei den Masthähnchen Männchen wie Weibchen aufzieht, werden bei den spezialisierten Legehennen nur die weiblichen Tiere gebraucht. Der Rest wird wie Abfall behandelt. Bereits 2001 hat Bundesverbraucherschutzministerin Künast angekündigt, sie werde diese Kükentötungen nicht dauerhaft tatenlos hinnehmen. Doch bislang hat sich nichts geändert. FAKT hat angefragt: Kein Interview. Die Tatenlosigkeit des Bundesministeriums enttäuscht auch die Tierschutzbeauftragte des Landes Hessen.

O-Ton: Dr. Madeleine Martin, Tierschutzbeauftragte des Landes Hessen
"Die Bundesministerin Künast hat ja 2001 schon selber erkannt, was für ein Skandal das ist, und hat auch Lösungen angekündigt und versprochen. Man hat wohl sehr stark auf technische Lösungen gesetzt. Das heißt, man hat eine Früherkennung finden wollen, die es möglich macht, männliche und weibliche Eier auseinander zu halten, und dann entsprechend die männlichen sofort zu vernichten. Das hat aber nicht funktioniert. Und seitdem tut sich eigentlich nicht mehr so viel!"

Denn im Kern geht es, wie immer, ums Geld. Die Industrie will die Kosten niedrig halten, und der Verbraucher will möglichst wenig bezahlen.

O-Ton: Dr. Madeleine Martin
"Ich warte darauf, dass man neue Wege beschreitet, neue Lösungen anbietet, und ich persönlich glaube, wir werden zurückkommen müssen zu Zwei-Nutzungs-Tieren. Das heißt im Klartext, es würde bedeuten, die Eier würden teurer. Denn Tiere, die man gleichzeitig zum Eierlegen und zum Mästen nehmen kann, sind entsprechend nicht so hoch von der Legeleistung!"

Ein Zwei-Nutzungs-Tier allerdings müsste neu gezüchtet werden. Es kann nicht in gleich schneller Zeit Fleisch ansetzen wie ein Masthähnchen oder so viele Eier legen wie die hochgezüchteten Legehühner. Aber es wäre natürlicher und schonender für die Tiere. Doch die Industrie hat wenig Interesse. Und so geht erst mal alles weiter wie seit Jahrzehnten. Und das, obwohl der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz steht. Der Richter Christoph Maisack ist Autor eines juristischen Kommentars zum Tierschutzgesetz.


O-Ton : Christoph Maisack, Richter am Amtsgericht Bad Säckingen
"Es ist so, dass alle Gesetzeskommentare zum Tierschutzgesetz, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass diese Massentötungen gesetzeswidrig, rechtswidrig sind."

Frage: "Warum ist das so?"

"Es ist so, dass das Tierschutzgesetz die Tötung eines Tieres nur erlaubt, wenn es einen vernünftigen Grund gibt. Vernünftiger Grund kann nur vorliegen, wenn es um Erhaltungsinteressen des Menschen, um Lebensnotwendigkeiten geht, insbesondere Tötungen zu Ernährungszwecken. Hier geht es um eine Tötung, die rein aus wirtschaftlichen Gründen erfolgt."

Fraglich, warum die Kükentötungen überhaupt weiter stattfinden dürfen. Die Antwort: Weil es keinen Kläger gibt. Anders als im Naturschutzrecht gibt es immer noch kein Klagerecht für Verbände. Die Tierschutzorganisationen können nicht vor Gericht ziehen. Doch trotzdem müsste etwas passieren.

O-Ton : Christoph Maisack
"Die Veterinärbehörden, in deren Bezirken sich solche Betriebe befinden, hätten das Recht und auch die Pflicht, aufgrund von Paragraph 16 a Tierschutzgesetz, gegen diese Praxis einzuschreiten - also diese Tötungen zu verbieten. Sie tun das bis jetzt nicht."

Frage: "Wer müsste dafür sorgen, dass sie es tun, wenn es ihre Pflicht ist?"

"Die Ausführung des Tierschutzgesetzes ist Ländersache. Es könnten also die für Tierschutz zuständigen Länderministerien ihre Behörden anweisen, gegen diese Massentötungen vorzugehen."

Die Behörden tolerieren die Massentötung von Millionen Küken, obwohl alle juristischen Kommentare, die sich mit dieser Frage beschäftigen, sie für einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz halten. Keine Landesregierung hat dagegen bislang etwas unternommen.

O-Ton: Dr. Madeleine Martin
Frage: "Wenn dieser Zustand gesetzwidrig ist, dann müsste doch die Landesregierung dafür sorgen - und auch Ihre Landesregierung dafür sorgen, dass dieser gesetzwidrige Zustand beendet wird!"

"Ja! Und ich teile auch die Auffassung der Kommentatoren, das ist gar keine Frage. Es war eben so: Ich habe jetzt abgewartet, inwieweit das Bundesministerium handelt. Wenn sich abzeichnet, dass von dieser Seite im Moment nichts kommt, werde ich die Landesregierung auffordern, entsprechend zu handeln: das heißt, einen Erlass vorbereiten, der Derartiges hier untersagt."

Man darf gespannt sein, ob in Hessen, wo es immerhin eine Landestierschutzbeauftragte gibt, demnächst gehandelt wird. Und man darf sich fragen, wie lange noch jeden Tag hunderttausend Küken mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass das Frühstücksei ganz billig bleibt.