Baiersbronn (dpa) - Als traditionelles Karfreitags-Essen kommt der Fisch immer mehr ins Schwimmen. «Bei mir wird nicht auffällig mehr Fisch gegessen als sonst. Wer als Katholik an Karfreitag ein Luxusrestaurant aufsucht, hat sowieso nicht gefastet. Ich habe keine spezielle Fischkarte», erklärt Drei-Sterne-Koch Helmut Thieltges vom Hotel Sonnora in Dreis in der Eifel.
Die Zeiten haben sich geändert, findet auch der Berliner Matthias Buchholz. «Es ist nicht mehr so, dass an Gründonnerstag nur Grünes und am Karfreitag nur Fisch gegessen wird», sagt der Sterne-Koch vom Restaurant First Floor, der schon Königin Elizabeth II. aufgetischt hat.
Früher hatte auch Dieter Müller im seinem Restaurant eine extra Fisch-Karte. «Die Nachfrage war nicht so», sagt der Drei-Sterne-Koch. Er tafelt in Bergisch Gladbach neben Fleisch und Fisch auch andere Spezialitäten auf, zum Beispiel Trüffel. Die Ansichten hätten sich geändert. «Der fleischlose Karfreitag wird nicht mehr so streng genommen. Der Gast isst, nach was ihm ist», konstatiert Müller. Auch Christian Bau von Schloss Berg in Perl an der Mosel (Saarland) macht diese Erfahrung. «Im vergangenen Jahr habe ich nicht einmal zehn Fisch-Menüs verkauft. Wer ins Luxusrestaurant kommt, macht sich darüber keine Gedanken», sagt der Zwei-Sterne-Koch.
Anders ist das Verhalten in katholischen Regionen. Bei Heinz Winkler in Aschau am Chiemsee bestellen «mindestens drei Viertel» der Gäste am Karfreitag Fisch. «Die Leute besinnen sich sehr dieser Tradition, gerade in der heutigen Zeit des Nachdenkens», berichtet der Koch, der auf drei Sterne verweisen kann. Auch bei Martin Herrmann im Hotel Dollenberg im baden-württembergischen Bad Peterstal-Griesbach gelüstet es die Mehrzahl der Gäste nach den Früchten des Meeres. Der Sternekoch lässt die Gourmets beim Menü aus fünf Fisch- und Fleischgerichten wählen. «Die ausländischen Gäste nehmen es mit Fisch an Karfreitag nicht so streng», sagt Herrmann.
Harald Wohlfahrt offeriert in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn-Tonbach (Baden-Württemberg) ein reines Fischmenü. «Es gibt immer noch viele, die an diesem Tag auf Fleisch verzichten», sagt der Küchenmeister. Die Hälfte seiner Gäste seien Fisch-Freunde. Wohlfahrt legt auch Wert auf einen edlen Tropfen: «Ein guter Wein gehört zum Fisch dazu.» Die Fasten-Tradition bewahren will auch Bernhard Diers. «Wenn jemand an diesem Tag unbedingt Fleisch essen will, bekommt er dies natürlich. Aber unser Fischmenü ist an Karfreitag der Renner», konstatiert der Zwei-Sterne-Koch im Stuttgarter Schlossgarten-Hotel.
Zum Ende der Fastenzeit spürt auch Hans-Paul-Steiner, dass seine Gäste die Leckerbissen herbei sehnen. «Spätestens wenn die Leute die Karte lesen, brechen sie bei uns das Fasten», erzählt der Chef im Hirschen im südbadischen Sulzburg. Die Osterwoche sei für ihn traditionell «ein gutes Geschäft», wobei sich der Zwei-Sterne-Koch als Pionier der Fischmenüs sieht: «Ich habe das vor 20 Jahren eingeführt. Es wird immer noch sehr gut angenommen.» Und dies, obwohl Edelfische «sehr, sehr teuer» geworden sind. «Trotzdem geht er weg wie warme Semmeln», sagt Steiner, der viele Schweizer und Elsässer bewirtet.
Im Restaurant Bareiss in Baiersbronn-Mitteltal halten sich Fisch und Fleisch die Waage. Zwei-Sterne-Koch Claus-Peter Lumpp bietet ein Sieben- und Fünf-Gänge-Fischmenü an. Lumpp weist auf ein Problem hin, weshalb manche Gäste lieber Fleisch wählen: «Viele wissen nicht, wie man Fisch richtig isst.» Der Küchenchef schwört, dass keinem etwas im Halse stecken bleibt: «Bei mir werden Sie nie eine Gräte am Fisch finden.»
© dpa - Meldung vom 14.04.2003 10:29 Uhr