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Vegetarier sind Jäger

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Vegetarier sind Jäger

Autor: Achim Stößer | Datum:
Vegetarier sind nicht nur Mörder (http://vegetarier-sind-moerder.tk), manche davon Sachbeschädiger, nein, es gibt auch Jäger darunter. Solange sie die Leichen ihrer Opfer nicht auffressen ...

Die Revoluzzer mit der Bleiflinte

Autor: Achim Stößer | Datum:
Im Umland Berlins kann man bisweilen auf eine besondere Sorte Jäger stoßen: Ökojäger tragen keinen Gamsbart und sind nicht an Geweihen orientiert. Sie wollen den Wald schützen. Ihr Motto: Ballern auf alles, was sich bewegt und Grünzeug frisst

VON FELIX LEE

Felix Weber begutachtet die von ihm erlegte Bache. Sauber ist der Schuss nicht. Ausgerechnet das bei Wildliebhabern so beliebte, weil außerordentlich schmackhafte Hinterbein hat er mit seiner Bleikugel getroffen und damit ungenießbar gemacht. Aber ihm ist das egal. Denn Felix Weber ist Vegetarier.

Doch der 32-Jährige ist auch Förster, und da gehört Jagen zum Beruf. Nur geht er nicht - wie bei vielen konventionellen Waidmännern üblich - im grünen Filzrock und mit dem Gamsbart am Hut auf die Pirsch. Felix Weber trägt eine orange leuchtende Weste - aus Sicherheitsgründen. Er bezeichnet sich als Ökojäger, und da lautet das Motto: Auf so ziemlich alles schießen, was sich regt und Grünzeug frisst.

Felix Weber ist einer von 80 Hobbyjägern und Berufsförstern aus der ganzen Republik, die an diesem Wintermorgen im brandenburgischen Massow, 60 Kilometer südlich von Berlin, gemeinsam auf Ökojagd gehen. Das Treffen ist ein jährliches Highlight für viele von ihnen - einige sind sogar aus dem Allgäu angereist.

"Wer ökologischen Waldbau betreiben will, der muss dafür sorgen, dass die Jungbäume ohne Zaun wachsen können", erklärt Weber. Die Zahlen geben ihm Recht: Die Waldfläche hat sich zwar in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland etwas erhöht. Gleichzeitig hat sich aber die Zahl der Rehe im selben Zeitraum mehr als verdoppelt. "Die Wildbestände sind inzwischen so unnatürlich hoch - da hilft bloß noch rigoroses Abknallen", sagt Weber.

Mit dieser Haltung bringen die Ökoschützen nicht nur radikale Tierschützer auf die Barrikaden. Traditionelle Jäger bezeichnen sie als "Nestbeschmutzer", weil sich Ökojäger gegen jede Form der Fütterung aussprechen, und als "Brecher der Waidgerechtigkeit", weil Ökojäger finden, dass in deutschen Wäldern nicht zu wenig für die Tiere getan wird, sondern zu viel. Schließlich gelten sie auch noch als "Unruhestifter", weil sie fordern, dass viel mehr Rehwild geschossen werden sollte. Und im Allgemeinen werden sie schief angesehen, weil sie den ganzen Trophäenkult mitsamt seinen Riten entbehrlich finden. Kurzum: Mit ihren Forderungen revoltieren sie gegen die bestehende Jagdzunft. Daher werden Ökojäger auch mal gerne als "Revoluzzer" beschimpft.

Zumindest die Bezeichnung "Revoluzzer" stört Förster Weber nicht. In seiner Studienzeit hat er sich selbst so genannt. Jahrelang hat er im Wendland gegen den Castor protestiert und ist dort im Kiefernwald dem Transporter hinterhergelaufen, um die Lagerung von Atommüll zu verhindern. Vielleicht ist dies mit ein Grund, warum ihm die Gemeinschaftsjagd im Kiefernwald des brandenburgischen Forstreviers Massow so behagt: Bei eisigen Temperaturen frühmorgens durch den Wald zu robben, gemeinsam mit Gefährten dem "Feind" aufzulauern und trotz präziser Vorplanung, wo wer postiert wird, nicht genau zu wissen, wie der Tag verlaufen wird - all das erinnert ihn doch sehr an alte Castor-Zeiten.

Die Ökojagd ist also alles andere als ein Spaziergang. "Keine idealen Schießbedingungen", gesteht Revierleiter Mark Illerich zu Beginn. In der Nacht zuvor hat es heftig geregnet und noch immer stürmt ein Orkantief über Brandenburg. Es sorgt dafür, dass das Wild noch schreckhafter ist als ohnehin schon. Illerich hat sich selbst an diesem Morgen als Treiber eingeteilt. Zusammen mit seinem Hund durchkämmt er den Wald, um das Wild in Schießweite zu scheuchen. "Für die Schützen wird es schwer werden, das Rauschen der Wipfel vom Rascheln der Tiere im Geäst zu unterscheiden", sagt Illerich.

200 Meter weiter steht Schütze Falk Lass auf seinem zwei Meter hohen Hochsitz, auf dem er die nächsten zwei Stunden ausharren muss. Bei drei Grad minus ist die erste Stunde noch auszuhalten. In der zweiten Stunde merkt er jedoch, wie trotz dicker Wollsocken die Kälte langsam in die Knochen kriecht. Dann hilft nur noch, mit den Füßen auf und ab zu treten. Auch Lass hält das bestehende Jagdgesetz für "überholten Stumpfsinn". Dann sieht er durch sein Visier ein junges männliches Reh, das er eigentlich erschießen will, weil es hier viel zu viele von ihnen gebe.

Doch abdrücken darf er nicht: Jungböcke sind tabu. "Nur weil die deutsche Jagdzunft möchte, dass die Böcke ein prächtiges Gehörn haben, bevor sie erlegt werden", empört sich Lass. Ein Relikt des Nationalsozialismus sei das geltende Jagdrecht, weil es vor allem auf den Trophäenkult ausgerichtet ist. Hermann Göring war der "Reichsjägermeister", der mit dem Reichsjagdgesetz von 1934 die Jäger offiziell dazu verpflichtete, ihre Beute nach Trophäenmerkmalen auszuwählen. Seither darf das männliche Tier nicht mehr ohne Gehörn geschossen werden.

Auch Elisabeth Emmert ist mit auf der Pirsch. Von "Bambi-Plage" spricht sie und davon, dass ganze Wälder aufgefressen werden. Emmert ist die Bundesvorsitzende des Ökologischen Jagdvereins. Ihr Ehemann ist Betriebsleiter beim Grafen Hatzfeldt, dem der Kiefernwald gehört und der alle seine Wälder jagdökologisch bewirtschaftet, sprich: den Rehbestand auf ein notwendiges Minimum reduzieren will. Schon auf dem Hof ihrer Eltern daheim im Fränkischen hat Emmert mitbekommen, dass Schweine und Hühner geschlachtet wurden. Und sie hatte auch kein Problem damit, dass süße Rehe und borstige Wildschweine geschossen werden. 1985 machte sie ihren Jagdschein, drei Jahre später war sie Gründungsmitglied des Ökologischen Jagdverbands.

Obwohl sich spätestens mit dem massiven Waldsterben bei vielen Förstern die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Baumbestände in Deutschland verjüngt werden müssen, zählt der Ökologische Jagdverband bis heute nur 1.400 Mitglieder, sehr wenig verglichen mit den 290.000 Mitgliedern des Deutschen Jagdverbandes. Doch er ist zwar klein, aber einflussreich, vor allem seit Renate Künast Agrarministerin ist und damit auch das Jagen beaufsichtigt. Zu lange hat es Land- und Forstwirtschaftsminister gegeben, die zum Teil selbst nach konventionellen Kriterien gejagt haben, sagt Emmert. Die grüne Verbraucherschutzministerin hat sich nun auf die Seite der Ökojäger geschlagen. Denn abgesehen von besonders radikalen TierschützerInnen halten der Naturschutzbund und auch der BUND die Ziele der Ökojäger für sinnvoll. Sie wissen, dass der Lebensraum Wald nur erhalten bleibt, wenn das Wild nicht weiter von Menschenhand überfüttert wird. Noch in dieser Legislaturperiode will Künast das deutsche Jagdgesetz novellieren.

Nach drei Stunden ist Frühstückspause. Förster Weber steht mit einigen anderen Jägern etwas abseits vom wärmenden Lagerfeuer und sieht zu, wie der Bauch der von ihm erlegten Bache aufgeschlitzt wird. Beim Herausnehmen der Innereien quellen auch sieben kleine Embryos heraus. Eins der Lebewesen zuckt noch mit dem Hinterbein. "Nicht immer schön, aber es ist so: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne", sagt Weber, ohne mit der Wimper zu zucken. "Nüchtern betrachtet ist so eine Erlegung doch sehr effektiv."

taz Berlin lokal Nr. 7615 vom 15.3.2005, Seite 23, 233 Zeilen (TAZ-Bericht), FELIX LEE


http://www.taz.de/pt/2005/03/15/a0242.nf/text

Ein Vegetarier hat Schwein

Autor: Achim Stößer | Datum:

Nicht zimperlich: TU-Forststudent Hans Bender (l.) bricht ein Wildschwein auf. Foto: SZ/Egbert Kamprath

Von Jörg Stock

Halali. Auf der akademischen Pirsch müssen Tharandter Forststudenten das erlegte Wild selbst ausweiden.

Die Traube steht ganz dicht zusammen, schwere Stiefel und Grünzeug an, mancher trägt Hut. An Zünftigkeit lassen es die Forststudenten der TU Dresden jedenfalls nicht fehlen. Doch heute, zur akademischen Lehrjagd im Grillenburger Walde, wird mehr erwartet. Die angehenden Förster sollen das erlegte Wild „aufbrechen“. Das rabiate Wort aus dem Jägerjargon lässt den Laien schaudern, denn es bedeutet die Entfernung der Innereien. Nichts für den, der kein Blut sehen kann.

Hans Bender kann.
Obwohl der 22-Jährige vom Bodensee gerade nicht so aussieht. Den blonden Schopf hat er unter ein rosa Kopftuch gesteckt, Zöpfe gucken drunter vor. Obendrein ist der schlacksige junge Mann auch noch Vegetarier, und das seit neun Jahren. Doch all das gilt jetzt nichts. Im Kreise seiner Kommilitonen hockt er sich ohne Umschweife über einen würzig riechenden Schwarzkittel und klappt das Jagdmesser auf. Die Klinge blitzt sauber.

Was der Student mit dem kalten Stahl anstellt, beobachtet Toralf Bauch, Mitarbeiter an Tharandts Dozentur für Wildökologie und Jagdkunde. „Wir machen es ganz akkurat“, sagt er, und lässt den Eleven erst mal Fell und Haut zwischen den Hinterkeulen abtrennen. „Ziehen und schärfen“, dirigiert der Wissenschaftler dabei. „Schärfen“ ist waidmännisch für schneiden. Doch scharf, das stellt sich bald heraus, ist Hans Benders Messer nicht besonders. „Eher zum Brötchen schmieren geeignet“, frotzelt jemand.

Dann liegen die Keulen des Wildschweins frei. Noch ist kaum Blut zu sehen. Das kommt erst unter der geöffneten Bauchdecke zum Vorschein. Hans Bender „schärft“ wacker, greift dann ohne Scheu in das Wirrwarr, packt Magen und Gedärm und lässt das ganze Geschlinge auf den Waldboden gleiten. „Och nee!“ Ein Mädel wendet sich ab von der Szenerie. Doch nur für Sekunden. Dann sind sie und die anderen wieder ganz bei der Sache und sehen auch, wozu die kleine Säge am Jagdmesser gut ist ...

Am Ende darf das „leere“ Borstentier auf der reisiggepolsterten Strecke bei den anderen ruhen – und kriegt einen grünen Zweig als „letzten Bissen“. Forstwissenschaftler Toralf Bauch ist mit seinen Leuten zufrieden. Im Hörsaal war zwar alles schon mal dran. „Aber hier in der Praxis haben viele noch ein Aha-Erlebnis.“ Hans Bender will im Sommer den Jagdschein machen. Falls das klappt, sieht der Student seinen fleischlosen Lebensstil schon wanken: Selbsterlegtes Wild würde er vielleicht auch mal kosten.

Sächsische Zeitung
Dienstag, 6. Dezember 2005

http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1019984