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Veganismusforum:
Achse der Tierausbeuter reloaded

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Achse der Tierausbeuter reloaded

Autor: Achim Stößer | Datum:
Mir fällt seit Jahren auf, daß sich aus vielen Texten von Tierausbeutungspropagandisten wie etwa Miersch, Marxeiner, Kaplan usw. durchaus sinnvolle machen ließen - oft nur durch ändern einiger winziger Details: vegan statt vegetarisch, Vegetarismus statt Fleischessen, Tierprodukte statt Fleisch, Tierrechte statt Tierschutz, Abschaffung statt Reform usw.; nunja, manchmal auch nein statt ja und richtig statt falsch ;-), in anderen Fällen aber ohne jede Änderung ("Findest du es eigentlich in Ordnung, andere sterben zu lassen, damit du bestimmte Geschmackserlebnisse hast?").

Mal schauen, ob die Achse der Tierausbeuter sich nicht ein wenig brechen läßt: hier sollen in loser Folge einige korrigierte Texte aus der Tierausbeuterpropagandistenfeder stehen.

Sicher würde jeder von uns noch manches anders formulieren - aber wenn es der Wahrheitsfindung dient ...

Achim

Nicht Helmut F. Kaplan: Vegetarismus tötet

Autor: Achim Stößer | Datum:
Es gibt wohl viele Gründe dafür, daß die Tierrechtsbewegung nicht funktioniert. Ich will einen herausgreifen: den Kuschelkurs von Tierrechtlern gegenüber Tiermördern. In diesem Zusammenhang fällt mir immer ein Gespräch mit Michael Aufhauser ein, in dem er mir
erläuterte, daß man alles negativ oder positiv sehen könne. Da die Menschen nun einmal leichter mit positiven Botschaften motivierbar seien, sollte man sein Handeln danach ausrichten. Damit meinte er wohl, daß es beispielsweise zielführender sei, anstatt die Menschen mit Schlachthausbildern zu "bombardieren", ihnen schöne Bilder von Gut
Aiderbichl zu zeigen.

Das klingt zugegebenermaßen gut und hat mich seinerzeit auch überzeugt. Nur: Es funktioniert nicht. Bei Aufhauser nicht und auch sonst nicht: Von wenigen und unwichtigen Ausnahmen abgesehen, agiert die sogenannte Tierrechtsbewegung seit jeher äußerst zurückhaltend und vorsichtig – um nur ja niemanden zu verunsichern, abzuschrecken, vor den Kopf zu stoßen. Das gilt auch und vor allem für die Werbung für [...] vegane Produkte:

Es wird praktisch ausnahmslos freundlich und harmlos formuliert – meist in Richtung: Schaut her liebe Leute, wir sind total normal - so wie ihr halt. Aber probiert doch mal zwischendurch dieses tolle milch-und-ei-freie Produkt. Es schmeckt super und ist voll gesund. Ihr müßt auch überhaupt nicht mit dem Käseessen aufhören. Im Grunde sind wir uns doch einig: Modern leben, natürlich genießen, Spaß haben!

Nun war es sicher verständlich, diese Harmlos-Strategie auszuprobieren. Aber jetzt, wo man sieht, daß sie nicht funktioniert, sollte man auch einmal etwas anderes versuchen. Zum Beispiel, bei der Werbung für [...] vegane Produkte den Punkt, um den es wirklich geht, ansprechen: Wer Fleisch, Ei- oder Milchprodukte ißt, beteiligt sich am industrialisierten Massenmord. Und bei jedem Einkauf hat man die Möglichkeit, seine
Beteiligung an diesem Massenmord aufzukündigen - und obendrein ein Signal an andere zu senden. Konkrete Werbebotschaften wären etwa:

Vegetarismus tötet.
Vegetarier töten ohne Notwendigkeit.
Vegetarismus bedeutet Mord.
Vegetarismus ist Mord auf Bestellung.
Tierleichen selber essen oder Eier essen – wo ist der Unterschied?
Schweine töten oder "Milchrinder" töten – wo ist der Unterschied?
Ich esse keine Leichenprodukte!
Töten zwecks Gaumenkitzel? Nein danke!
[...]

Die Anti-Raucher-Kampagne war schließlich auch nicht mit windelweichen Tipps der Art "Öfter mal statt eine Zigarette rauchen einen Apfel essen!" erfolgreich. Hier wurde Klartext gesprochen – und damit einen sagenhafter Erfolg erzielt!

Vielleicht funktioniert das bei der Werbung für [...] vegane Produkte ja auch überhaupt nicht. Durchaus möglich. Aber probieren sollte man es. Es könnte ja auch klappen. Zum Beispiel dahingehend, daß unter jungen Menschen, Schülern, Studenten, eine Bewegung dergestalt entsteht, daß man zum anderen sagt: "Was, du ißt (noch) Tiermilchjoghurt, schämst du dich eigentlich gar nicht?" "Findest du es eigentlich in Ordnung, andere sterben zu lassen, damit du bestimmte Geschmackserlebnisse hast?" "Würdest du auch Milch deiner Schwester trinken?"

Wie auch immer das Experiment ausginge – eines würde mit Sicherheit erreicht: daß die grauenvollen Fakten über Vegetarismus, das unvermeidliche Foltern und Morden, in die Medien käme. Und das ist immerhin die notwendige Voraussetzung für jegliche Entwicklung weg von Leichenfraß und Vegetarismus hin zu Veganismus: das Verbreiten der fürchterlichen Wahrheit hinter dem Tierproduktkonsum.

Zitat: Fleischessen tötet (2008)

Helmut F. Kaplan

Es gibt wohl viele Gründe dafür, daß die Tierrechtsbewegung nicht
funktioniert. Ich will einen herausgreifen: den Kuschelkurs von
Tierrechtlern gegenüber Tiermördern. In diesem Zusammenhang fällt mir
immer ein Gespräch mit Michael Aufhauser ein, in dem er mir
erläuterte, daß man alles negativ oder positiv sehen könne. Da die
Menschen nun einmal leichter mit positiven Botschaften motivierbar
seien, sollte man sein Handeln danach ausrichten. Damit meinte er
wohl, daß es beispielsweise zielführender sei, anstatt die Menschen
mit Schlachthausbildern zu "bombardieren", ihnen schöne Bilder von Gut
Aiderbichl zu zeigen.

Das klingt zugegebenermaßen gut und hat mich seinerzeit auch
überzeugt. Nur: Es funktioniert nicht. Bei Aufhauser nicht und auch
sonst nicht: Von wenigen und unwichtigen Ausnahmen abgesehen, agiert
die Tierrechtsbewegung seit jeher äußerst zurückhaltend und vorsichtig
– um nur ja niemanden zu verunsichern, abzuschrecken, vor den Kopf zu
stoßen. Das gilt auch und vor allem für die Werbung für vegetarische
oder vegane Produkte:

Es wird praktisch ausnahmslos freundlich und harmlos formuliert –
meist in Richtung: Schaut her liebe Leute, wir sind total normal - so
wie ihr halt. Aber probiert doch mal zwischendurch dieses tolle
fleischlose Produkt. Es schmeckt super und ist voll gesund. Ihr müßt
auch überhaupt nicht mit dem Fleischessen aufhören. Im Grunde sind wir
uns doch einig: Modern leben, natürlich genießen, Spaß haben!

Nun war es sicher richtig, diese Harmlos-Strategie auszuprobieren.
Aber jetzt, wo man sieht, daß sie nicht funktioniert, sollte man auch
einmal etwas anderes versuchen. Zum Beispiel, bei der Werbung für
vegetarische oder vegane Produkte den Punkt, um den es wirklich geht,
ansprechen: Wer Fleisch ißt, beteiligt sich am industrialisierten
Massenmord. Und bei jedem Einkauf hat man die Möglichkeit, seine
Beteiligung an diesem Massenmord aufzukündigen - und obendrein ein
Signal an andere zu senden. Konkrete Werbebotschaften wären etwa:

Fleischessen tötet.
Fleischesser töten ohne Notwendigkeit.
Fleischessen bedeutet Mord.
Fleischessen ist Mord auf Bestellung.
Tiere selber töten oder Fleisch essen – wo ist der Unterschied?
Schweine töten oder Hunde töten – wo ist der Unterschied?
Ich esse keine Leichen!
Töten zwecks Gaumenkitzel? Nein danke!
Ich esse meine Freunde nicht. (George Bernard Shaw)

Die Anti-Raucher-Kampagne war schließlich auch nicht mit windelweichen
Tipps der Art "Öfter mal statt eine Zigarette rauchen einen Apfel
essen!" erfolgreich. Hier wurde Klartext gesprochen – und damit einen
sagenhafter Erfolg erzielt!

Vielleicht funktioniert das bei der Werbung für vegetarische und
vegane Produkte ja auch überhaupt nicht. Durchaus möglich. Aber
probieren sollte man es. Es könnte ja auch klappen. Zum Beispiel
dahingehend, daß unter jungen Menschen, Schülern, Studenten, eine
Bewegung dergestalt entsteht, daß man zum anderen sagt: "Was, du ißt
(noch) Leichen, schämst du dich eigentlich gar nicht?" "Findest du es
eigentlich in Ordnung, andere sterben zu lassen, damit du bestimmte
Geschmackserlebnisse hast?" "Würdest du auch deinen Hund aufessen?"

Wie auch immer das Experiment ausginge – eines würde mit Sicherheit
erreicht: daß die grauenvollen Fakten über das Fleischessen, das
unvermeidliche Foltern und Morden, in die Medien käme. Und das ist
immerhin die notwendige Voraussetzung für jegliche Entwicklung in
Richtung Vegetarismus und Veganismus: das Verbreiten der
fürchterlichen Wahrheit hinter dem Fleischessen.

Kaplan als Raucher

Autor: Achim Stößer | Datum:
> Die Anti-Raucher-Kampagne war schließlich auch nicht mit windelweichen Tipps
> der Art "Öfter mal statt eine Zigarette rauchen einen Apfel essen!" erfolgreich.
> Hier wurde Klartext gesprochen - und damit einen sagenhafter Erfolg erzielt!

Vor einigen Jahren hat Kaplan ja eine Raucherapologetik geschrieben, Tenor (ich paraphrasiere), es sei ganz toll und wichtig und richtig, daß "Vegetarier rauchen" (er selbst selbstredend eingeschlossen).

Ob er inzwischen tatsächlich aufgehört hat oder ob er (wie manch anderer) nur so tut, weil es inzwischen massiven Widerstand gegen giftverströmende Nikotiniker gibt und er auf der Welle mitschwimmen will (wie er es auch auf der Antikirchenwelle des Universellen Lebens tut)?

Achim

Nicht Michael Miersch: Seid unnatürlich

Autor: Achim Stößer | Datum:
Im legendären Jahr 1968 schwappt die "Sexwelle" durch Illustrierten und Kinos. In den Parks liegen langhaarige Jugendliche, die sich auf eine Weise umarmen und küssen, die bisher Ehebetten vorbehalten war. Gesundheitsministerin Käte Strobel lässt einen Sexualkunde-Atlas für Schulen verfassen und plädiert dafür, jungen Frauen endlich den Zugang zu Verhütungsmitteln zu erleichtern.

Im gleichen Jahr veröffentlicht Papst Paul VI. seine Enzyklika "Humane Vitae", die als Pillen-Enzyklika bis heute berühmt ist. Er verurteilt die Empfängnisverhütung und bezieht sich dabei auf die Natur. Das "gesamte Sittengesetz" spreche gegen Familienplanung, formuliert er. Dieses ungeschriebene Gesetz sei "natürlich". Die Zeitschrift "Pardon" antwortet mit einer Satire: Deiche sind Frevel, denn "natürlich" wäre es zu ertrinken, ebenso Brillen, denn die Natur gab uns Arme, um die Zeitung näher ans Auge zu ziehen.

Bis heute ziehen Leichenfresser die Natur heran, um ihr Morden zu rechtfertigen. Die von Gott geschaffene Natur, sagen sie, sei auf Fressen und Gefressenwerden (letztgenanntes natürlich immer bezogen auf andere Tiere) angelegt. [...]

Fressen und Gefressenwerden, lange Inbegriffe des Alimentärdawinismus, sind unter nichtmenschlichen Tieren weitverbreitet. Doch die Tierwelt hat einiges zu bieten, das auch manche blutleckenden Geister befremdet. Manche Tiere tun Dinge, die aus gutem Grund unter Menschen verpönt oder verboten sind. Einige weibliche Spinnen (anders als Menschen, zumindest wörtlich genommen) essen beispielsweise nach dem Paarungsakt ihre Partner auf. Mit der Berufung auf die Natur liegen also nicht nur Päpste daneben, sondern auch die Apologeten des "anything goes". Die beziehen sich gern auf die Löwen, die Antilopen jagen. Klingt gut, doch Vorsicht: Zu deren Ernährungs-Alltag gehört auch propagieren der eigenen Gene durch Verzehr der Kinder von Nebenbuhlern. Zur Projektion eines rousseauschen Naturzustandes taugen sie nicht.

Kaum ein Wort wurde von Priestern und Philosophen, Ideologen und Journalisten, Ernährungsgurufetischisten und Grillsportlern mehr missbraucht als "Natur". Mal ist sie die allmächtige Dämonin, gegen die wir uns wehren müssen. Sie bedroht uns als Krankheit, Katastrophe oder wildes Tier. Aber auch Vorbild für angebliche Früchtekost seit Amöbenzeiten.. Ein andermal ist sie pralle Tierproteinspenderin, der wir Gehirn und Computer verdanken. [...]

In den westlichen Industrieländern hat sich im letzten halben Jahrhundert das romantische Naturbild durchgesetzt. In diesem weich gezeichneten Panorama besteht die Natur vornehmlich aus Pandabären, Robbenbabys, Schmetterlingen, Blumenwiesen, erhabenen Gipfeln, grünen Tälern und Sonnenuntergängen hinter alten Eichen. Sie ist unsere große, sanfte Lehrerin, die stets nach Harmonie und Gleichgewicht strebt. Nur der aufgeklärte Blick hinter die Kulissen zeigt fast ausgestorbene Pandas, erschlagene Robben, verbrannte Bienen, Müllverbrennungsanlagen und Waldsterben - wie im Buddhismus. [...]

Um zu erkennen wie jung diese Sichtweise ist und wie schnell sich der Zeitgeist wandelt, muss man nur Kinderbücher der fünfziger und sechziger Jahre aufschlagen. Da war der Leopard noch böse, die Hyäne feige und der Wal ein großer Trantopf im Ozean. Männer, die solchen Ungeheuern mit Harpunen oder Gewehren zu Leibe rückten, waren Helden. Das Meer galt als unerschöpflich und die Regenwälder als undurchdringlich.

Der Paradigmenwechsel zur "bedrohten Natur" unserer Tage setzte ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst noch sehr langsam ein, gewann in den siebziger Jahren an Fahrt und ist heute in den westlichen Industrieländern vollendet.

Selbst Naturkatastrophen sind nicht mehr allein der Natur anzulasten, sondern oft genug Resultate menschlichen Fehlverhaltens. Als ein Tsunami im Dezember 2004 die Küsten Südostasiens überschwemmte, führten dies dank zur Tierausbeutung abgeholzten Mangrovenwäldern zu verheerenden Verwüstungen. Stürme und Hochwasser werden seit einigen Jahren [...] der Klimaerwärmung durch von Menschen erzeugtes Kohlendioxid zugeschrieben.

Die populären Wappentiere dieses Zeitgeistes sind Wale, sind Delfine. Ihnen werden überragende Intelligenz und übersinnliche Kräfte unterstellt. Sie gelten als friedfertige und sensible Tiere, die irgendwie die Werte ökosozialer Aktivisten verkörpern. Greenpeace und Esoterikgurus benutzen Wale und Delfine wie ein Markenzeichen. 1998 diente ein Delfin sogar als Logo des deutschen Katholikentages. Tierausbeuterisch korrekt ist daher der Konsum von delfinfreien Thunfischen.

Im friedlichen Wald tobt ein gnadenloser Kampf um Licht - nur werden die Schlachten so langsam geschlagen, dass wir Menschen sie nicht bemerken. Auch nichtmenschliche Tiere zerstören zuweilen selbst ihre Lebensgrundlagen, indem sie sich so stark vermehren, bis alles kahl gefressen ist. Menschliche Vegetarier töten mehr Rinder und Hühner als sie fressen. Auch andere Tiere verhalten sich nicht "ökologisch" in dem ethischen Sinne, in dem das Wort heute benutzt wird. [...] In der Frühgeschichte des Lebens auf der Erde war Sauerstoff ein überflüssiges Giftgas, für das kein Organismus Verwendung hatte.

Keine Spur von verantwortungsvollem Recycling.

Die Natur ist deshalb nicht böse - sie ist eine ethikfreie Zone. Sie taugt für uns Menschen weder als Vorbild noch als Maßstab.

Wir verhalten uns "widernatürlich", wenn wir Tiger vor dem Aussterben schützen, Energie sparen, Tofu essen, Hafermilch trinken, Computer, Herzschrittmacher oder Verhütungsmittel benutzen. Aber dieses Verhalten ist richtig.

"Es mag paradox klingen", schrieb der Biologe Richard Dawkins, "doch wenn wir die Zukunft des Planeten sichern wollen, müssen wir zuallererst aufhören, uns Rat in der Natur zu holen."

Zitat: Essay: Seid unnatürlich! (2007)

Michael Miersch plädiert für einen wertfreien Blick auf die Natur.

Im legendären Jahr 1968 schwappt die "Sexwelle" durch Illustrierten und Kinos. In den Parks liegen langhaarige Jugendliche, die sich auf eine Weise umarmen und küssen, die bisher Ehebetten vorbehalten war. Gesundheitsministerin Käte Strobel lässt einen Sexualkunde-Atlas für Schulen verfassen und plädiert dafür, jungen Frauen endlich den Zugang zu Verhütungsmitteln zu erleichtern.
Im gleichen Jahr veröffentlicht Papst Paul VI. seine Enzyklika "Humane Vitae", die als Pillen-Enzyklika bis heute berühmt ist. Er verurteilt die Empfängnisverhütung und bezieht sich dabei auf die Natur. Das "gesamte Sittengesetz" spreche gegen Familienplanung, formuliert er. Dieses ungeschriebene Gesetz sei "natürlich". Die Zeitschrift "Pardon" antwortet mit einer Satire: Deiche sind Frevel, denn "natürlich" wäre es zu ertrinken, ebenso Brillen, denn die Natur gab uns Arme, um die Zeitung näher ans Auge zu ziehen.
Bis heute ziehen religiöse Sittenwächter die Natur heran, um ihren Mitmenschen den Spaß zu verderben. Die von Gott geschaffene Natur, sagen sie, sei auf Fortpflanzung angelegt. Lust ist Sünde.
Lange Zeit glaubten auch Zoologen, dass Tiere sich nur paaren, um Nachkommen hervorzubringen. Doch je mehr Forscherinnen und Forscher in Dschungel und Wüste ihre Zelte aufschlugen, um Wildtiere über lange Zeit zu beobachten, desto mehr Berichte über Sex ohne Fortpflanzung kamen zusammen. Offensichtlich spielen auch bei vielen Tieren Lust, Sympathie und soziale Bindung eine Rolle dabei. Aus der Vielfalt des tierischen Trieblebens kann man beim besten Willen keine Sexualmoral herauslesen.
Selbstbefriedigung und Homosexualität, lange Inbegriffe des Widernatürlichen, sind unter Säugetieren weitverbreitet. Doch die Tierwelt hat einiges zu bieten, das auch liberale Geister befremdet. Tiere tun Dinge, die aus gutem Grund unter Menschen verpönt oder verboten sind. Einige Spinnenweibchen fressen beispielsweise nach dem Paarungsakt ihr Männchen auf. Mit der Berufung auf die Natur liegen also nicht nur Päpste daneben, sondern auch die Apologeten des "anything goes". Die beziehen sich gern auf die Bonobos, Primaten die uns Menschen verwandtschaftlich sehr nahe stehen. Bonobos sind bekannt für ihr genussvolles Sexleben und dafür, dass sie friedfertig sind. Klingt gut, doch Vorsicht: Zu ihrem orgiastischen Alltag gehört auch Sex mit Affenkindern. Zur Projektion eines rousseauschen Naturzustandes taugen sie nicht.
Kaum ein Wort wurde von Priestern und Philosophen, Ideologen und Journalisten mehr missbraucht als "Natur". Mal ist sie die allmächtige Dämonin, gegen die wir uns wehren müssen. Sie bedroht uns als Krankheit, Katastrophe oder wildes Tier. Aber auch als zügellose innere Natur, die uns mit ihren anarchischen Trieben verwirrt. Ein andermal ist sie pralle Lebensspenderin, der wir Brot und Wein verdanken. Und dann wieder die Schwindsüchtige, die durch uns Menschen tödlich bedroht ist.
In den westlichen Industrieländern hat sich im letzten halben Jahrhundert das romantische Naturbild durchgesetzt. In diesem weich gezeichneten Panorama besteht die Natur vornehmlich aus Pandabären, Robbenbabys, Schmetterlingen, Blumenwiesen, erhabenen Gipfeln, grünen Tälern und Sonnenuntergängen hinter alten Eichen. Sie ist unsere große, sanfte Lehrerin, die stets nach Harmonie und Gleichgewicht strebt. Alles in ihr ist ein ewiger Kreislauf - wie im Buddhismus. Nur wenn wir sie schlecht behandeln, schlägt sie zurück. Doch das ist dann unsere eigene Schuld.
Um zu erkennen wie jung diese Sichtweise ist und wie schnell sich der Zeitgeist wandelt, muss man nur Kinderbücher der fünfziger und sechziger Jahre aufschlagen. Da war der Leopard noch böse, die Hyäne feige und der Wal ein großer Trantopf im Ozean. Männer, die solchen Ungeheuern mit Harpunen oder Gewehren zu Leibe rückten, waren Helden. Das Meer galt als unerschöpflich und die Regenwälder als undurchdringlich.
Der Paradigmenwechsel zur "bedrohten Natur" unserer Tage setzte ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst noch sehr langsam ein, gewann in
den siebziger Jahren an Fahrt und ist heute in den westlichen Industrieländern vollendet.
Selbst Naturkatastrophen werden nicht mehr der Natur angelastet, sondern gelten als Resultate menschlicher Sünden. Als ein Tsunami im Dezember 2004 die Küsten Südostasiens überschwemmte, ging sofort das Gerücht um die Welt, geheime amerikani­sche Atombombentests seien schuld daran. Stürme und Hochwasser werden seit einigen Jahren reflexhaft der Klimaerwärmung durch von Menschen erzeugtes Kohlendioxid zugeschrieben.
Die populären Wappentiere dieses Zeitgeistes sind Wale, sind Delfine. Ihnen werden überragende Intelligenz und übersinnliche Kräfte unterstellt. Sie gelten als friedfertige und sensible Tiere, die irgendwie die Werte ökosozialer Aktivisten verkörpern. Greenpeace und Esoterikgurus benutzen Wale und Delfine wie ein Markenzeichen. 1998 diente ein Delfin sogar als Logo des deutschen Katholikentages.
Doch die Fortschritte der Delfinforschung zerstören das erhabene Bild. Erst wurde die Intelligenz in Zweifel gezogen: Für Denkaufgaben, die ein ordinärer Seelöwe in Minuten löst, benötigen Delfine Wochen und Monate. Dann kamen Zweifel an ihrer Friedfertigkeit auf: Sie wurden dabei beobachtet, wie sie kleinere Meeressäuger töteten. Es stellte sich heraus, dass männliche Tiere den Nachwuchs unliebsamer Konkurrenten umbrachten. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, beobachteten Forscherinnen in einer westaustralischen Bucht brutale Gruppenvergewaltigungen unter Delfinen. Nicht gerade das, was man von einem Symboltier für "Love and Peace" erwartet.
Delfine bilden keine Ausnahme. Welches Tier oder welche Pflanze man auch immer nimmt: Auf den zweiten Blick stellt sich heraus, dass die Natur nicht halten kann, was die Romantik verspricht.
Im friedlichen Wald tobt ein gnadenloser Kampf um Licht - nur werden die Schlachten so langsam geschlagen, dass wir Menschen sie nicht bemerken. Pflanzenfresser zerstören zuweilen selbst ihre lebensgrundlagen, indem sie sich so stark vermehren, bis alles kahl gefressen ist. Raubtiere töten nicht selten mehr Beute, als sie fressen können. Robben schnappen sich manchmal nur die Leber eines Fisches und lassen den Rest auf den Grund sinken. Tiere verhalten sich nicht "ökologisch" in dem moralischen Sinne, in dem das Wort heute benutzt wird. Eisenbakterien hinterlassen als Stoffwechselprodukt metallischen Müll, der Gewässer absterben lässt. In der Frühgeschichte des Lebens auf der Erde war Sauerstoff ein überflüssiges Giftgas, für das kein Organismus Verwendung hatte.
Keine Spur von verantwortungsvollem Recycling.
Die Natur ist deshalb nicht böse - sie ist eine moralfreie Zone. Sie taugt für uns Menschen weder als Vorbild noch als Maßstab.
Wir verhalten uns "widernatürlich", wenn. wir Tiger vor dem Aussterben schützen, Energie sparen oder Verhütungsmittel benutzen. Aber dieses Verhalten ist richtig.
"Es mag paradox klingen", schrieb der Biologe Richard Dawkins, "doch wenn wir die Zukunft des Planeten sichern wollen, müssen wir zuallererst aufhören, uns Rat in der Natur zu holen."

natur+Kosmos, Juli 2007

Alimentärdarwinismus

Autor: Achim Stößer | Datum:
Falls jemand sich wundert, das Wort "Alimentärdarwinismus" ("alimentär" im Sinn von "ernährungsbezogen") gab es m.W. bisher noch nicht; es richtet sich natürlich nicht gegen die Darwinsche Evolutionstheorie, sondern ist analog zu "Sozialdarwinismus" gebildet ;-) .

Achim

Nicht Helmut F. Kaplan: Vegetarismuspropaganda fördert Tierausbeutung

Autor: Achim Stößer | Datum:
Wieder einmal hat Helmut F. Kaplan einen recht brauchbaren Text geschrieben - da er aber immer noch nicht begriffen hat, was er mit seiner Vegetarismuspropaganda anrichtet, müssen natürlich wieder ein paar Wörter korrigiert werden:

[Vegetarismuspropaganda fördert Tierausbeutung]

Man würde vermuten, die vorangegangene Vegetarismus[propaganda] durch die Bücher "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer und "Anständig essen" von Karen Duve habe der Fleischindustrie arg zugesetzt. Das Gegenteil trifft zu: Diese Debatte war für die [Tierausbeutungs]industrie ein Glücksfall!

Warum? Erst ein Rückblick: Rinderwahn, Vogelgrippe, Schweinepest, Klimadiskussion, Dioxinskandal - all diese Ereignisse, Debatten und Skandale konnten dem Fleisch[-, Ei- und Milch]konsum letztlich nichts anhaben: Zuerst wich man, sofern bestimmte Tiere betroffen waren, auf andere, "unbelastete" Tier[produkt]e aus, wenig später war sowieso wieder alles vergessen. Faktische Diskussionen dieser Art, in denen es um Gesundheit und Ökologie geht, schaden der [Tierausbeutungs]industrie letztlich nicht.

Ebensowenig schaden ihr pseudoethische Diskussionen unter der Überschrift "[Werde Vegetarier!]" Auf diese "Lösung" laufen Vegetarismusdiskussionen unter [Tierausbeutern] naheliegenderweise maximal hinaus - womit wir bei der eingangs erwähnten Foer-Duve-Debatte sind. Die Forderung, [kein] Fleisch zu essen, ist deshalb "harmlos", weil sie keinen ethischen Gehalt und keine moralische Kraft besitzt. Das begreift man sofort, wenn man sie auf Menschen umlegt: Wer, anstatt zu sagen, Foltern und [Morden] sind FALSCH, fordert, daß [nur die Leichen derer, die] gefoltert und [ermordet werden, nicht gegessen werden], dem fehlt jegliche moralische Legitimation und Überzeugungskraft.

"[Werde Vegetarier!]" ist für die [Tierausbeutungs]industrie aber nicht nur "harmlos", sondern ein großer Glücksfall. Denn dieser Slogan ist ein optimaler Aufhänger für Stichworte und Werbeaussagen, die das [Tierausbeuter]image verbessern: Wir müssen künftig kritischer sein, bewußter essen, [kein] Fleisch, aber dafür [mehr Milchprodukte] essen, "biologische[" Eier] essen; so nützen wir der Gesundheit, so schonen wir die Umwelt und so erweisen wir den Tieren den nötigen Respekt. Dieses allseits begrüßte und propagierte neue "kritische Bewußtsein" läuft darauf hinaus, daß letztlich nicht weniger, sondern mehr [Tierprodukte] gegessen [werden], vor allem aber, daß [Tierprodukte] (wieder) mit gutem Gewissen gegessen [werden]!

Eine Chance, [die Tierausbeutung] tatsächlich und nachhaltig zu [beenden], besteht nur, wenn die Menschen für die moralische Dimension des [Unveganismus] sensibilisiert werden. Also nicht: [Fleisch] ist falsch (analog [Mordopfer essen] ist falsch), sondern: [Unveganismus] ist grundsätzlich falsch (analog [Morden] ist grundsätzlich falsch). Deshalb sind plausible ethische Argumente, wie sie in [k]einem Buch "Ich [ermorde nicht nur] meine Freunde nicht oder Warum [Kaplans] Umgang mit [nichtmenschlichen] Tieren falsch ist" zu finden sind, so wichtig. Etwa:

Spezieszugehörigkeit an sich ist moralisch ebenso belanglos wie Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit. Oder: Gleiche Interessen sollen auch moralisch gleich zählen, etwa das tierliche Interesse, nicht zu leiden, [inklusive dem] menschliche[n] Interesse, nicht zu leiden. Oder: [Käse] bedeutet, alle tierlichen Interessen einem einzigen menschlichen Interesse zu opfern - dem nach einem kurzen Gaumenkitzel.

Zitat: Das Original:

Vegetarismusdebatte fördert Fleischkonsum

Helmut F. Kaplan

Man würde vermuten, die vorangegangene Vegetarismusdebatte, ausgelöst durch die Bücher "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer und "Anständig essen" von Karen Duve, habe der Fleischindustrie arg zugesetzt. Das Gegenteil trifft zu: Diese Debatte war für die Fleischindustrie ein Glücksfall!

Warum? Erst ein Rückblick: Rinderwahn, Vogelgrippe, Schweinepest, Klimadiskussion, Dioxinskandal - all diese Ereignisse, Debatten und Skandale konnten dem Fleischkonsum letztlich nichts anhaben: Zuerst wich man, soferne
bestimmte Tiere betroffen waren, auf andere, "unbelastete" Tiere aus, wenig später war sowieso wieder alles vergessen. Faktische Diskussionen dieser Art, in denen es um Gesundheit und Ökologie geht, schaden der Fleischindustrie letztlich nicht.

Ebensowenig schaden ihr pseudoethische Diskussionen unter der Überschrift"Weniger Fleisch!" Auf diese "Lösung" laufen Vegetarismusdiskussionen unter Fleischessern naheliegenderweise maximal hinaus - womit wir bei der eingangs erwähnten Foer-Duve-Debatte sind. Die Forderung, weniger Fleisch zu essen, ist deshalb "harmlos", weil sie keinen ethischen Gehalt und keine moralische Kraft besitzt. Das begreift man sofort, wenn man sie auf Menschen umlegt: Wer, anstatt zu sagen, Foltern und Vergewaltigen sind FALSCH, fordert, daß WENIGER gefoltert und vergewaltigt wird, dem fehlt jegliche moralische Legitimation und Überzeugungskraft.

"Weniger Fleisch!" ist für die Fleischindustrie aber nicht nur "harmlos", sondern ein großer Glücksfall. Denn dieser Slogan ist ein optimaler Aufhänger für Stichworte und Werbeaussagen, die das Fleischimage VERBESSERN:
Wir müssen künftig KRITISCHER sein, BEWUßTER essen, weniger Fleisch, aber dafür BESSERES Fleisch essen, "BIOLOGISCHES" Fleisch essen; so nützen wir der GESUNDHEIT, so schonen wir die UMWELT und so erweisen wir den Tieren den nötigen RESPEKT. Dieses allseits begrüßte und propagierte neue "kritische Bewußtsein" läuft darauf hinaus, daß letztlich nicht weniger, sondern mehr Fleisch gegessen wird, vor allem aber, daß Fleisch (wieder) mit gutem Gewissen gegessen wird!

Eine Chance, den Fleischkonsum tatsächlich und nachhaltig zu senken, besteht nur, wenn die Menschen für die MORALISCHE Dimension des Fleischessens sensibilisiert werden. Also nicht: ZUVIEL Fleisch ist falsch (analog ZUVIEL Foltern ist falsch), sondern: Fleisch ist GRUNDSÄTZLICH falsch (analog Foltern ist GRUNDSÄTZLICH falsch). Deshalb sind plausible ethische Argumente, wie sie in meinem Buch "Ich esse meine Freunde nicht oder Warum unser Umgang mit Tieren falsch ist" zu finden sind, so wichtig. Etwa:

Spezieszugehörigkeit an sich ist moralisch ebenso belanglos wie Rassen- oder Geschlechtszugehörigkeit. Oder: Gleiche Interessen sollen auch moralisch gleich zählen, etwa das tierliche Interesse, nicht zu leiden, und das
menschliche Interesse, nicht zu leiden. Oder: Fleischessen bedeutet, alle tierlichen Interessen einem einzigen menschlichen Interesse zu opfern - dem nach einem kurzen Gaumenkitzel.

© Helmut F. Kaplan

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