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Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Anzahl Beiträge in diesem Thread: 21

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Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Ricarda | Datum:
Da wir ja leider (noch) nicht in einer veganen Gesellschaft leben, stellt sich mir oft die Frage, was muss ich alles ertragen/tolerieren/wegstecken/ausblenden?

Es gibt so gut wie keine rein vegane Läden oder Supermärkte. Jedes Mal beim Einkaufen läuft man beim Holen von veganen Lebensmitteln an Türmen von Eiern, Leichenbergen und anderen Qualprodukten vorbei. An der Kasse schmeissen dann die Körperfresser Leichenteile und Qualprodukte vor und hinter die veganen Lebensmittel.
In der Straßenbahn muss man sich teilweise an Sachen aus Haut schmiegen, zuhause beim Fernsehgucken läuft auf jedem 2. Sender entweder eine Sendung mit toten nichtmenschlichen Tieren oder lebendigen, eingesperrten. etc.
Nirgendwo sind wir quasi sicher vor Unveganismus.

Wie kann man sowas also ertragen?
Ich sehe da als Lösung nur das ganze Leid teilweise auszublenden, so wie man es schon als Körperfresser getan hat.
Das soll natürlich auf keinen Fall in eine Richtung gehen, wie Vegetarierkuscheln oder "Jedem das seine".

Wie steckt ihr sowas weg? Steckt ihr das überhaupt weg?
Wo ist eure Grenze?

Es gibt ja hier schon mehrere Threads darüber, wie Veganer es mit ihrem Freundeskreis oder Partner handhaben. Ich habe aber nicht viel darüber gefunden, wie das generell mit der Umgebung ist.
Zum Beispiel auch solche Sachen, wie: Setzt ihr euch auf ein Ledersofa im Wartezimmer oder holt ihr euch eine vegane Sitzmöglichkeit? Schickt ihr ein Taxi mit Ledersitzen wieder weg und verlangt eins ohne?
Auch würde mich da die Arbeit interessieren, wobei es mir eher darum geht, welche Berufe lehnt ihr direkt ab? Dass niemand hier MetzgerIn oder FleischfachverkäuferIn werden will, ist wohl klar ;), aber es gibt ja eine Reihe an Jobs, bei denen man irgendwie in Kontakt mit unveganen Sachen kommt, wie z.B. als KassiererIn im Supermarkt, KellnerIn, Arbeit an einer Gaderobe, etc.

Locker bleiben ;o)

Autor: Schlunz | Datum:
Ich habe diese Gesellschaft nicht erfunden, sondern ich wurde in sie hineingeboren.
Insofern kann ich nur sagen, "was nicht passt, wird passend gemacht".
Unter dem Kontext läuft ja die gesamte Tierrechtsarbeit und der Wille, an einer veganen Gesellschaft zu arbeiten.
Bis dahin sind Veganer logischerweise täglich mit onmivorer Lebensweise konfrontiert.
Ausblenden ist da absolut falsch, da man ja dann das Ziel aus den Augen verliert.
Man sollte so weit es geht locker bleiben und ertragen, was vorerst nicht zu ändern ist.
Ich arbeite Zurzeit an einer Kneipenwand und die Farben wurden vom Auftraggeber gestellt, für den eine PA kein Thema ist. Das ist mal wieder einer von x Kompromissen, die ich eingehe, um meine Tiere und mich am Leben zu erhalten... Ich kann es mir nicht leisten, die Wand mit selbst bezahlten Farben zu bemalen und wenn ich im Taxi, nachts um drei im strömenden Regen nur Ledersitze finde, gehe ich auch diesen Kompromiss ein.
Natürlich würde ich weder für Wurstbuden, noch Metzgereien Werbung machen (ähnliche Aufträge habe ich schon etliche Male abgelehnt).
Solange ich nach bestem Wissen und Gewissen alle vorhandenen Alternativen nutze, komme ich mit mir selbst klar. Niemand verlangt, dass ich mir das Leben zur Hölle mache und damit wird auch keinem nichtmenschlichen Tier geholfen.
Ein verbitterter, verhärmter Mensch, der seiner omnivoren Umgebung täglich zeigt, dass er ihr gegenüber feindlich eingestellt ist, macht schlechte Werbung für Veganismus und Tierrechte.
Insofern: Locker bleiben! ;o)

LG, Schlunz

Re: Locker bleiben ;o)

Autor: Ricarda | Datum:
Schlunz schrieb:
>
> Ich habe diese Gesellschaft nicht erfunden, sondern ich wurde
> in sie hineingeboren.
> Insofern kann ich nur sagen, "was nicht passt, wird passend
> gemacht".
> Unter dem Kontext läuft ja die gesamte Tierrechtsarbeit und
> der Wille, an einer veganen Gesellschaft zu arbeiten.
> Bis dahin sind Veganer logischerweise täglich mit onmivorer
> Lebensweise konfrontiert.
> Ausblenden ist da absolut falsch, da man ja dann das Ziel aus
> den Augen verliert.
> Man sollte so weit es geht locker bleiben und ertragen, was
> vorerst nicht zu ändern ist.

Das Problem dabei ist halt, dass ich persönlich vieles nicht ertragen kann. Ich sehe daher das Ausblenden als eine Art psychische Lösung, wobei ich dabei schon ein schlechtes Gewissen kriege, weil es eben dem Ausblenden gleicht, welchem ich als Körperfresserin nachgegangen bin :/
Ansonsten sehen viele das "locker bleiben" auch irgendwie in dem "jedem das seine" Sinn, wodurch dann jeder Vegetarier in den Himmel gelobt wird, weil er ja so super nett ist und schon auf Fleisch verzichtet. Ist garantiert nicht das "locker bleiben", was du meintest, aber ich denke schon, dass sich viele solcher Leute das dann so auslegen.

Re: Locker bleiben ;o)

Autor: Schlunz | Datum:
Ricarda schrieb:

> Das Problem dabei ist halt, dass ich persönlich vieles nicht
> ertragen kann. Ich sehe daher das Ausblenden als eine Art
> psychische Lösung, wobei ich dabei schon ein schlechtes
> Gewissen kriege, weil es eben dem Ausblenden gleicht, welchem
> ich als Körperfresserin nachgegangen bin :/

Es kann ihm nicht gleichen, da Du ja nichts ausblendest, was Du selbst verursachst... ;o)

> Ansonsten sehen viele das "locker bleiben" auch irgendwie in
> dem "jedem das seine" Sinn, wodurch dann jeder Vegetarier in
> den Himmel gelobt wird, weil er ja so super nett ist und
> schon auf Fleisch verzichtet.

Das Gegenteil von locker sein, ist verkrampft sein.
Der tägliche Krampf im Kampf um den Mampf... ;o)

> Ist garantiert nicht das
> "locker bleiben", was du meintest,

Eben...

> aber ich denke schon, dass
> sich viele solcher Leute das dann so auslegen.

Na dann werden ihnen jetzt hiermit die letzten Zweifel genommen.
Wer das so auslegt, ist sicher der Meinung, Ethiker müssten sich aus lauter Unmut über die unethische Gesellschaft "selbstverzehren".
Das macht natürlich genausowenig Sinn, wie ein Arzt oder Sanitäter, der bei jedem Verunfallten mit Todesfolge in tiefe Trauer ausbricht.
Ausblenden ist ein relativer Begriff, der nicht unbedingt negativ sein muss, sondern einfach nur dafür stehen kann, die eigene Psyche vor größerem Schaden zu bewahren (gerade in dem Fall, wo man etwas ausblendet, was man nicht selbst verursacht).
Wer omnivor lebt und täglich den selbstverschuldeten Horror ausblendet, ist hingegen ein Heuchler.
Insofern geh nicht so hart mit Dir ins Gericht. ;o)

LG, Schlunz

OT: (Re: Locker bleiben ;o))

Autor: Tanja | Datum:
> Der tägliche Krampf im Kampf um den Mampf... ;o)

Da fällt mir gerade ein: Hast Thomas D. Dir denn auf Deine Mail geantwortet? :D

Tanja

Re: OT: (Re: Locker bleiben ;o))

Autor: Schlunz | Datum:
Tanja schrieb:
>
> > Der tägliche Krampf im Kampf um den Mampf... ;o)
>
> Da fällt mir gerade ein: Hast Thomas D. Dir denn auf
> Deine Mail geantwortet? :D

Na sicher... Die Mail kam einen Tag später:
"Lieber Schlunz,
ich danke Dir für den Hinweis. Ich komm mir jetzt so blöd vor, Ethik in meinen Texten zu verarbeiten, ohne sie konsequent zu leben und somit ein falsches Vorbild für meine Fans zu sein.
Seit heute bin ich vegan und Smudo will jetzt auch vegan werden...

Peace and happy rappy, T.D."

Mal ernsthaft: Da kam keine Antwort und es wird auch nie eine kommen, da die einzige öffentliche Mailadresse über sein Management läuft (wo man solche kritischen Mails sicher rausfiltert, damit der Musiker nicht mies drauf kommt oder vegan wird).

LG, Schlunz

Re: OT: (Re: Locker bleiben ;o))

Autor: Tanja | Datum:
> Peace and happy rappy, T.D."

Ich hab's vor 10 Minuten gelesen und kichere immer noch blöde vor mich hin; danke, Schlunz. ;-)

Tanja

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Tanja | Datum:
Hallo Ricarda,
bei mir persönlich verschiebt die sich schon mal des öfteren, je nach emotionaler Verfassung, Streßpegel, Umgebung etc. Was ich eigentlich prinzipiell ausblende, sind all die Dinge, die tagtäglich zu sehen sind und die ich (erst mal) nicht ändern kann, also eben die abgepackte Leichen-Wurst neben dem Tofu im Supermarkt-Kühlregal, den Motorradfahrer in "Leder"-Kombi auf der Straße etc. Das geht dann sogar so weit mit dem Ausblenden, daß ich im Supermarkt an der "Frischetheke"(also da, wo es auch Leichen, Käse etc. in Bedienung gibt), mal Oliven kaufen wollte. Die waren zwar vegan, aber daß direkt nebendran tote Fische lagen und ihre offenen Münder über den Oliven-Schüsseln hingen, sah ich gar nicht. Achim machte mich dann darauf aufmerksam, daß das doch ziemlich eklig ist. :-/
Bei anderen Dingen wiederum bin ich häufig immer noch sehr empfindlich, z.B. wenn mir in irgendeiner Weise nahestehende Personen Tierprodukte konsumieren o.ä. Als ich mit Jalan mal meine Eltern besuchte, rannte er an den Kühlschrank und riß die Tür auf (bei uns zuhause sind da ja auch lauter leckere Sachen drin ;-)), der Gestank, der da raus kam, haute mich fast um und ich wollte in dem Moment am liebsten sofort wieder gehen. Und gerade vorgestern kam ich nach Hause und sah beim Nachbarn, der "Mutterkuh-Halter" ist und auch noch ein oder zwei andere Tierarten gefangenhält (und ihre Leichen vermarktet), was ich normalerweise auch soweit ausblenden kann, daß es erträglich ist, einen Transporter mit Aufschrift "Viehhandlung xy" stehen, da war der Rest des Tages für mich gelaufen. Sowas erwischt mich dann oft "eiskalt" in meiner "heilen Welt". ;-/
Beruflich war ich ja lange in der Alten- und Krankenpflege tätig, wo man ziemlich häufig mit nicht veganen Salben, Sondennahrung etc. zu tun hat. Von den Wolljacken, Lederschuhen etc. der Patienten ganz zu schweigen. Das wiederum konnte ich meist sehr gut ausblenden; einen veganen Pflegedienst gibt es m.W. halt noch nicht und auch keine Veganer, die gepflegt werden müssen. ;-)

Ich könnte noch viele Beispiele nennen, wo es mir mal so geht und dann wieder anders - ist irgendwie keine Frage, die für mich einfach zu beantworten ist...

Tanja

PS: Am einprägsamsten für mich, was das Thema angeht, war für mich ein Erlebnis am Fuldaer Schlachthof. Achim und ich waren da, um Fotos zu machen und liefen mit unserer Kamera so am Zaun entlang, als ein Typ im weißen Kittel auf uns zu kam, erst mit uns diskutieren und uns dann vertreiben wollte. Das dauerte bestimmt 5 Minuten, vielleicht auch zehn. Ich weiß nicht mehr, wie genau wir überhaupt darauf kamen, als er wieder weg war, aber ich wunderte mich, daß der Kittel trotz seines Jobs so blütenweiß war und Achim fragte sich, wie der mit diesem blutverschmierten Kittel sich überhaupt zu uns an den Zaun stellen konnte. Wir wissen bis heute nicht, wer da was gesehen oder ausgeblendet hat.

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Schlunz | Datum:
Tanja schrieb:

> ...einen Transporter mit Aufschrift "Viehhandlung xy" stehen...

Seit Du mir den Hund gebracht hast, sehe ich sie wieder öfters am frühen Morgen, auf dem Weg zur Spielwiese.
Schweinetransporter, mal leer, mal voll. Da ist der Tag dann wirklich gelaufen. Für mich beginnt er zwar erst, aber für die Schweine, denen ich auch mal an der Ampel in die Augen schauen durfte, endet das ganze Leben (das sicher kein "Zuckerschlecken" war).
Als ich noch in zentraler Berliner Wohnlage lebte, blieb ich von sowas verschont. Menschen, die damit aufwachsen, juckt so ein Anblick in der Regel wenig.
Jedenfalls blende ich nicht im Geiste aus, was den Schweinen im Laufe des Morgens wiederfahren wird, egal wie sehr es mich runterzieht, denn aus der Realisierung dessen schöpfe ich Energie, dagegen meine Stimme zu erheben.
Ich gestehe mir dennoch zu, öfters mal glücklich zu sein und mich meines Lebens zu erfreuen, womit es sie für mich gibt, die "Insel des Glücks im Meer des Grauens", wie Steffen es so schön beschreibt.
Ich denke, das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen. ;o)

LG, Schlunz

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Steffen | Datum:
> Ich gestehe mir dennoch zu, öfters mal glücklich zu sein und
> mich meines Lebens zu erfreuen, womit es sie für mich gibt,
> die "Insel des Glücks im Meer des Grauens", wie Steffen es so
> schön beschreibt.
> Ich denke, das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen.
> ;o)

Nö. Zu einem seelich gesunden Menschen. Und das ist auch gut so. :o)

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Tanja | Datum:
Hi Schlunz,

> Ich gestehe mir dennoch zu, öfters mal glücklich zu sein und
> mich meines Lebens zu erfreuen, womit es sie für mich gibt,
> die "Insel des Glücks im Meer des Grauens", wie Steffen es so
> schön beschreibt.
> Ich denke, das macht mich nicht zu einem schlechten Menschen.
> ;o)

Nein. Wenn Du wegen allem, was Du so an Leid direkt oder indrekt tagtäglich mitbekommst, nonstop deprimiert wärst, hättest Du Dich schon längst umgebracht. Und damit nicht nur die Chance, Dein Leben zu genießen, sondern auch die, etwas zu verändern, vertan.

Tanja

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: knödli | Datum:
> bei mir persönlich verschiebt die sich schon mal des öfteren,
> je nach emotionaler Verfassung, Streßpegel, Umgebung etc. Was
> ich eigentlich prinzipiell ausblende, sind all die Dinge, die
> tagtäglich zu sehen sind und die ich (erst mal) nicht ändern
> kann, also eben die abgepackte Leichen-Wurst neben dem Tofu
> im Supermarkt-Kühlregal, den Motorradfahrer in "Leder"-Kombi
> auf der Straße etc. Das geht dann sogar so weit mit dem
> Ausblenden, daß ich im Supermarkt an der "Frischetheke"(also
> da, wo es auch Leichen, Käse etc. in Bedienung gibt), mal
> Oliven kaufen wollte.

das kenne ich auch. teilweise geht das bei mir so weit, dass ich im supermarkt gar nicht bewusst dran denke, dass es dort unveganes gibt. ich gehe einfach zielstrebig (automatismus) dahin, wo ich immer hingehe (biogemüsefach, die stelle wo der tofu liegt usw.) und dann zur kasse. und manchmal kommt es vor, dass dann hinter mir leute was aufs band legen, und ich denke "was ist das denn?" und ich zweimal hinsehen muss und mir dann erst wieder bewusst wird, dass ich in einer unveganen welt lebe, in der leute was unveganes kaufen...

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Ricarda | Datum:
knödli schrieb:
> und manchmal kommt es
> vor, dass dann hinter mir leute was aufs band legen, und ich
> denke "was ist das denn?" und ich zweimal hinsehen muss und
> mir dann erst wieder bewusst wird, dass ich in einer
> unveganen welt lebe, in der leute was unveganes kaufen...

Finde ich auch wieder krass.
Es liegt aber vielleicht auch daran, wie sehr man an den Veganismus und den Konflikt zwischen der omnivoren Welt gewöhnt ist.
Ich lebe ja noch nicht allzu lange vegan, sodass mir da immer noch Ekel hochkommt.
Manchmal passiert mir aber schon ähnliches. Wenn ich z.B. so ein fertiges Schnitzel sehe, dann denke ich automatisch in dem Fall an Seitan Schnitzel, die ja genauso aussehen, und kriege dann Appetit. Alleine der Geruch und der sich wieder einschaltende Verstand holt einen dann da wieder von weg und macht klar, dass das da ein Stück Leiche ist :(

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Steffen | Datum:
Hallo!

Tja, gute Frage, wie mit dem Horror um einen herum umgehen,

wo Grenzen ziehen...

Ist es schon der Kaffee zu Dumping-Preisen im Supermarkt, und wenn man dir erzählt, "dass der meiste fair gehandelte Kaffee nunmal nicht so gut schmeckt..."

Sind es die Schuhe aus Asien, die Kinder hergestellt haben, ist es das T-Shirt mit "Faust-und Pfote"-Aufdruck, das irgendwo von irgendwem garantiert nicht unter vernünftigen Bedingungen hergestellt wurde aber Hauptsache die Message stimmt?

Oder ist es bereits das Buch vom Mailorder, während der kleine Buchhändler in deiner Stadt zugrunde geht?

Ist es die Ikea-Inneneinrichtung in der Wohnung meines Kumpels?

sind es die leeren Blicke der Passanten, wenn sie an einem sogenannten "Penner" vorübergehen (wie kann man nur schon um diese Uhrzeit saufen)
Oder fängt es schon bei der Werbetafel -direkt vor meiner Haustür- an, die mit halbnackten Frauen für Zahnpasta wirbt?

Vielleicht fängt es schon damit an, dass wir "jetzt schon an Weihnachten denken" sollen, während die alte Frau im Hochhaus in meiner Straße nicht weiß, wie sie morgen die Miete bezahlen soll.

Es fängt bei mir schon damit an, daß ich täglich aus dem Haus gehe- Arbeiten um Steuern für all diese Scheiße zu bezahlen. Mein Unvermögen,meine Unsicherheit und Angst mich dem zu verweigern finanziert all das schließlich mit...

Es gibt leider nichts,- keine "Insel des Glücks im Meer des Grauens" wie es so schön heißt.

Die einzige Möglichkeit, damit umzugehen, ist dagegen anzugehen, immer wieder und unaufhörlich NEIN zu schreien.
Den Frieden zu stören, der keiner ist.

Egal wie- denn es ist meine Wut. Und wie damit umzugehen ist entscheide ich.
wenigsten das...

Ob das nun einen sinn ergibt oder hilfreich ist...

??

aber das ist mir jetzt gerade dazu eingefallen!

Steffen

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: knödli | Datum:
> Ist es schon der Kaffee zu Dumping-Preisen im Supermarkt, und
> wenn man dir erzählt, "dass der meiste fair gehandelte Kaffee
> nunmal nicht so gut schmeckt..."

sowas behauptet ernsthaft jemand? ich kann es ja noch irgendwie verstehen, wenn jemand sagt, vegane alternativen zu tierprodukten würden nicht so gut (da anders) schmecken, aber dass kaffee anders schmecken soll, nur weil er fair gehandelt ist?? absurd.

> Oder ist es bereits das Buch vom Mailorder, während der
> kleine Buchhändler in deiner Stadt zugrunde geht?

bei deutschen bücher ist das doch unproblematisch. wenn er es nicht vorrätig hat, kann er es bis zum nächsten oder übernächsten tag bestellen. gerade bei büchern geht das doch ganz fix. nur bei englischen büchern bestelle ich zugegebenermaßen auch lieber im internet als beim buchhändler drei wochen zu warten...

> Ist es die Ikea-Inneneinrichtung in der Wohnung meines Kumpels?

sind ikea-möbel schlimmer als andere? und was für bessere alternativen gibt es?

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Mientsche | Datum:
Ich weiß manchmal nicht wie ich auf meine Umwelt reagieren soll. Innerlich bin ich oft wütend und verzweifelt, aber ich kann nicht mit jedem Menschen, dem ich begegne, eine Diskussion anfangen oder den selben Menschen zum hundertsten Mal Tierrechte erklären.

Besonders bei der Arbeit will ich manchmal meine Wut hinausbrüllen und muss trotzdem mühsam eine Vassade der Freundlichkeit oder zumindest Neutralität aufrechterhalten. Da werde ich gefragt wo es den Angelkarten gibt und welche Fische gewöhnlich aus den Seen "gezogen" werden. Wo findet das Dorfest statt bei dem das "Schwein am Spieß" und die "Gulaschkanone" der Hit sind. Welches Restaurant kann ich empfehlen? Wo gibt es im Ort einen Fleischer? Was soll mit dem "Grillfleisch" passieren, da gerade Grillverbot ist.

In Wartezimmern stehe ich lieber, wenn es nach Leder aussieht, aber oft kann man Kunst- von Echtleder nicht mehr unterscheiden. Zumindest habe ich Probleme damit. Einkaufen gehe ich nur ungern, da mir von den Leichentheken im Supermarkt schlecht wird. Wenn ich etwas kaufe, frage ich mich, unter welchen Bedingungen diese Gegenstände produziert werden. Die Liste kann ich immer weiterführen.

Was mich oft heimsucht, ist meine eigene Vergangenheit als Leichenfresser. Ich wurde zwar von anderen dazu gemacht, aber verantwortlich für den Tod der vielen Lebewesen bin ich trotzdem und das schmerzt mich sehr. Egal was ich auch zukünftig für Tierrechte erreiche, nichts wird daran etwas ändern.

-- Marina

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Achim Stößer | Datum:
Das ist hlt in sofern schwer zu sagen, als das Augeblendete ja nicht wahrgenommen wird ;-) ... ich merke das bei Befreiungsaktionen, Recheche in Ausbeutungsanlagen etc. hinterher bei der Auswertung der Fotos: da ist einiges dabei, das ich "vor Ort" einfach nicht gesehen habe ...

Achim

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Ricarda | Datum:
Das und das, was Tanja geschrieben hat

> PS: Am einprägsamsten für mich, was das Thema angeht, war für
> mich ein Erlebnis am Fuldaer Schlachthof. Achim und ich waren
> da, um Fotos zu machen und liefen mit unserer Kamera so am
> Zaun entlang, als ein Typ im weißen Kittel auf uns zu kam,
> erst mit uns diskutieren und uns dann vertreiben wollte. Das
> dauerte bestimmt 5 Minuten, vielleicht auch zehn. Ich weiß
> nicht mehr, wie genau wir überhaupt darauf kamen, als er
> wieder weg war, aber ich wunderte mich, daß der Kittel trotz
> seines Jobs so blütenweiß war und Achim fragte sich, wie der
> mit diesem blutverschmierten Kittel sich überhaupt zu uns an
> den Zaun stellen konnte. Wir wissen bis heute nicht, wer da
> was gesehen oder ausgeblendet hat.

finde ich ziemlich heftig. So richtig wegblenden kann ich sowas nicht, wobei ich jetzt auch nicht zu Schlachthöfen gehe oder Befreiungen mache. Könnte ich wahrscheinlich auch nicht, weil ich dafür wohl psychisch zu schwach bin, wohl auch gerade deswegen.

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Tanja | Datum:
> finde ich ziemlich heftig. So richtig wegblenden kann ich
> sowas nicht, wobei ich jetzt auch nicht zu Schlachthöfen gehe
> oder Befreiungen mache. Könnte ich wahrscheinlich auch nicht,
> weil ich dafür wohl psychisch zu schwach bin, wohl auch
> gerade deswegen.

Das hat nichts mit "Schwäche" zu tun, wie ich finde. Manch einer kann's halt und andere wieder nicht. Ich würde heute auch nicht mehr zu einem Schlachthof gehen, seit ich Mutter bin, kriege ich diese Form des Ausblendens, die nötig wäre, um das unbeschadet zu überstehen, nicht mehr hin.

Tanja

Re: Wo ist die Grenze des Ausblendens?

Autor: Lisa Keiter | Datum:
Danke für den Thread!

Ich merke es in letzter Zeit verstärkt, da ich seit Oktober letzten Jahres mit dem Bus zur Arbeit (Busunternehmen) fahre und dann noch ein Stück laufen muss. Mir kommen dauernd Tiertransporter entgegen, oft auch beladen. Manchmal kriege ich so einen Schrecken, dass mir fast das Herz stehen bleibt. Das mit dem Ausblenden brauche ich auf jeden Fall, sonst geh ich noch kaputt...

Meine jüngere Schwester wird morgen 20 und feiert heute Abend rein. Ich wohne noch bei meinen Eltern und eben der Schwester (alle noch nicht mal vegetarisch) und das ist ein Zwei-Familien-Haus, wo unten früher meine Großeltern gewohnt haben. Mein Opa ist im November '99 und meine Oma im Januar letzten Jahres gestorben. Meine Eltern sind jetzt endlich nach unten gezogen. Die Ledersofas, die hier im Wohnzimmer standen, mit den Schaffellen drauf, auf denen wir früher auch geschlafen haben, habe ich kaum noch wahr genommen, nur jetzt wurden die mit denen, die unten standen, getauscht und das sind so dunkle, dicke Sofas, wo das Leder offensichtlich ist. Habe am Donnerstag Abend deswegen auf dem Boden fern gesehen. Ich weigere mich, mich da drauf zu setzen, weiß aber auch nicht, was ich mit den Sesseln anfangen soll. Soll man die wegschmeißen?

Meine Schwester hält sich sowieso für was Besseres, der Veganismus wird bei mir anscheinend nicht ernst genommen und eher für eine Phase gehalten... Das ist totales Hinhalten -.-