Es sind Entwicklungen in unserem Lande im Gange, die wir uns vorher nicht haben vorstellen können. Alles ist im Wandel. Jeder wird erfasst. Auch ich.
Mit Appetit, ja, mit Gier, habe ich einst Fleisch aller Erscheinungsformen verschlungen. Wurst, Braten, Mett, Schnitzel, Pasteten, Putenbrust, Hühnerklein, große Schenkel, halbe Hähnchen. Nichts ließ ich aus.
Heute aber ist mein Fleischkonsum gedrosselt. Sogar erheblich, könnte man sagen. Besonders, was Geflügel betrifft.
Erstaunt muss ich nun feststellen, dass ich kein Einzelfall bin. Denn wie die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) sinngemäß mitteilt, landen in Deutschland immer weniger Suppenhühner im Kochtopf. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist von 1,1 Kilogramm Anfang der 80er Jahre auf nur noch 800 Gramm in 2003 gesunken.
Mittlerweile werde mehr als die Hälfte des Hennenfleisches für Hühnerfonds, Dosensuppen oder Katzenfutter verwendet. Dabei gehöre das Klischee der kaum weich zu kochenden, zähen Suppenhenne längst der Vergangenheit an. Denn Legehennen, die als Suppenhühner enden, seien kaum älter als ein Jahr. Das liege daran, dass die Hühner in der zweiten Legeperiode nach der Legepause während des Federwechsels zu schwere Eier legen, die nicht mehr in die standardisierten Eierkartons passen.
Ich weiß nicht, warum andere Leute keine Hühner mehr essen. Falls Sie mein Grund interessiert, es ist nämlich der: Gehen Sie zu einem Bauern ihres Vertrauens. Bitten Sie ihn, den Hühnerstall betreten zu dürfen. Dann schauen Sie einer Henne in die Augen. Unschuldig ist der Blick, den sie erwidert. Und nun frage ich: Bringen Sie übers Herz, so ein Tierchen zu kochen oder zu grillen? rp
08.11.2004
WAZ