02. März 2005 Nach dem Hungertod des Mädchens in einem Hamburger Hochhaus sind ihre Eltern in Untersuchungshaft genommen worden. Sie sollten noch am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt werden, teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit. Gegen das unverheiratete Paar wird wegen des Verdachts der „Tötung durch Unterlassen” ermittelt.
Die sieben Jahre alte Jessica wog zuletzt nur noch neuneinhalb Kilogramm, normal wäre ein Gewicht von rund 24 Kilogramm. Sein qualvoller Tod löste Entsetzen in der Hansestadt aus. Das Jugendamt wies Vorwürfe zurück, die Behörden hätten das Mädchen retten können.
Völlige Isolation und Unterernährung
Ihre Leiche war am Dienstag in der Hochhauswohnung der Eltern im Hamburger Stadtteil Jenfeld gefunden worden, nachdem die 35jährige Mutter die Rettungskräfte alarmiert hatte. Die Obduktion der bis auf die Knochen abgemagerten Leiche ergab, daß das sieben Jahre alte Mädchen an Erbrochenem erstickt war. Ursache war dem Sprecher der Polizei zufolge ein Darmverschluß, der wegen Mangelernährung aufgetreten war. Ein Gerichtsmediziner sagte dem „Hamburger Abendblatt”, das Kind sei nur noch „Haut und Knochen” gewesen. Es habe monatelang zu wenig zu essen und zu trinken bekommen.
Jessica lebte in der Wohnung offenbar völlig isoliert von der Außenwelt. Nachbarn sagten dem NDR, sie hätten nichts von der Existenz des Mädchens gewußt und es nie gesehen. Die Mutter und ihr Partner waren nach Angaben des Jugendamtes seit langem arbeitslos. Die Wohnung des Paares wurde von der Polizei als heruntergekommen beschrieben. Jessica war laut Jugendamt das vierte Kind der geschiedenen Mutter, die drei anderen lebten bei ihrem Ex-Mann und bei Adoptiveltern.
Die Mutter und ihr Lebensgefährte gaben laut Polizei zunächst an, das Mädchen sei an einem Tumor gestorben. Im Verhör sagte die Frau demnach später aus, sie habe Jessica in der Nacht zum Dienstag in ihr Bett geholt, nachdem sich das Kind übergeben hatte. Gegen sieben Uhr habe das Mädchen dann nicht mehr geatmet. Ein herbeigerufener Arzt konnte nur noch den Tod feststellen.
Jugendamt weist Vorwürfe zurück
Jugendamtleiter Volker de Vries wies am Mittwoch alle Vorwürfe zurück. Die Familie sei seiner Behörde nicht bekannt gewesen. Allerdings sei die Mutter im vergangenen August der Aufforderung, das Mädchen einzuschulen, nicht nachgekommen. Die Schulbehörde versuchte eigenen Angaben zufolge seit Frühjahr 2004 mehrfach, Kontakt zu der Familie aufzunehmen, um sie an die Schulpflicht zu erinnern. Die Mitarbeiter hätten jedoch stets vor verschlossener Tür gestanden. Schließlich habe die Behörde ein Bußgeldverfahren wegen Schulpflichtverletzung eingeleitet.
„Das Kind hat einen unvorstellbar grausamen Tod erlitten. Alles muß aufgeklärt, nichts darf vertuscht werden”, kommentierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Britta Ernst den Vorfall. Es müsse eine klare Antwort auf die Frage gefunden werden, ob der Tod des Kindes hätte verhindert werden können. Die Vorsitzende der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Christa Goetsch klagte an: „Der Kinderschutz hat versagt. Die Fehlerquellen müssen schnell gefunden und umgehend abgestellt werden.” Der Hauptpastor im Hamburger Michel, Helge Adolphsen, sagte: „Dieser Fall zeigt, wie groß die Anonymität und das Desinteresse unter den Menschen ist. Er muß uns wach rütteln.”
Text: FAZ.NET mit Material von AFP
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